'Die Sprache der Schatten' - Seiten 001 - 088

  • Hallo, nun bin ich auch mit von der Partie.


    "Die Sprache der Schatten" ist das erste Buch, das ich von Susanne Goga lese. Ich bin also vollkommen unvoreingenommen, von diesen ersten Leseabschnitt aber schon sehr angetan. Die Erzählweise gefällt mir ausgesprochen gut. :-]


    Der Prolog begann viel versprechend. Dem jungen Mann begegnen wir sicher noch im weiteren Verlauf der Handlung wieder. Vielleicht doch Antonis? :gruebel


    Gleich die ersten Seiten zogen mich in ihren Bann. Rike, die junge Witwe des Fabrikanten Hesse, wird es in Zukunft wohl nicht leicht haben. Hoffentlich wird das Zusammenleben mit Alexander nicht zu problembehaftet. Wird er sie auch weiterhin so in der Firma mitarbeiten lassen wie sein Vater? Ihre Mutter fand ich sehr couragiert, mit der Schneiderpuppe und dem fertigen Kleid zu dem Fabrikanten zu gehen und ihn von ihrem Können zu überzeugen. Diese Investition hat sich wirklich ausgezahlt.


    Die Schilderung, wie Rike den Laden des Herrn Scheer "Gemälde und künstlerische Photographien" :lache besucht, fand ich sehr gelungen. Ich konnte mir das alles bildlich vorstellen. Ich hoffe für Rike nur, dass der Besuch in diesem zwielichtigen Laden keine negativen Auswirkungen hat.


    Ich bin gespannt, was die nächsten Seiten bringen. In meinem Kopf haben sich schon einige Fragen angesammelt.


    PS: Das Bild hatte ich mir ein wenig anders vorgestellt. Aber das wirkt sich überhaupt nicht auf meine Lesefreude aus. Vielen Dank, dass du meine Vorstellung gerade gerückt hast, Susanne.

  • So, jetzt bin ich auch soweit und mit dem 1. Abschnitt durch. Es macht viel Spaß, dieses Buch zu lesen und ich kann Sayia eigentlich nur zustimmen:


    Zitat

    Ich kann es kaum zur Seite legen, weil mir die Geschichte gefällt, die Personen, aber auch die bildhafte Sprache, in der all das geschildert ist. Mein Kopfkino funktioniert jedenfalls sehr gut, nicht nur bei dem in meinen Augen wunderschönen Bild, das Alexander Rika schenkt.


    "Mein" Bild lässt sich auch nicht so sehr mit dem verlinkten in Einklang bringen (dennoch danke, so wissen wir, wie du es dir vorstellst, Susanne), eher mit dem Stil des im Buch erwähnten William Hogarth. Aber es braucht wirklich keine "echte" Vorlage, so gut wie es beschrieben wurde.


    Sehr erfreut war ich über die Protagonistin Rika. Für mich ist es immer eine willkommene Abwechslung, wenn die Hauptperson nicht blutjung, wunderschön und im besten heiratsfähigen Alter ist (und von wem auch immer so bald wir möglichst verkuppelt werden soll), sondern etwas mehr Lebenserfahrung und ein dementsprechendes Auftreten mitbringt. (Und den jungen Part verkörpert ja Anna).


    Bei den anderen Personen finde ich ganz wichtig, was Grottenolm schon angemerkt hat:

    Zitat

    Was mir auch gefällt, ist, daß bisher keiner der Figuren, auch nicht die Nebenfiguren, einseitig dargestellt ist. Jeder hat (für sich gesehen) ein Motiv für seine Handlungen- keiner ist "nur gut" oder "nur böse",


    Gerade bei Alexander und Stephan ist mir das aufgefallen. Alexander fand ich gerade anfangs eher sympathisch (und hätte mich auch über eine Liebesgeschichte zwischen ihm und Rika gefreut), doch zunehmend treten seine negativen Seiten zutage. Bei Stephan war es genau umgekehrt: in seiner ersten Szene tritt er ja sehr unschön gegenüber seinem Freund auf, im nächsten Abschnitt erfährt man über seine Hintergründ und kann ihn besser verstehen. Sein Vater hat übrigends eine Weberei (wird im 6. Kapitel erwähnt) und ich könnte mir vorstellen, dass er über die Firma mit Rika in Kontakt kommt. Ich war übrigends sehr überrascht, als er Willy küsste, damit hätte ich überhaupt nicht gerechnet!


    Für mich ist (zumindest momentan) Antonis der Mann aus dem Prolog. Ich habe aber das Gefühl, das er sich versteckt und ganz bewusst nicht aus der Anonymität heraustreten will und deswegen auch seine Bilder "versteckt". Könnte mit seinem Unfall zusammenhängen. Ansonsten hab ich den Fehler gemacht und mir die letzten Seiten des Buches zu gut angeschaut (macht das bloß nicht!) und ahne jetzt schon mehr, als ich eigentlich sollte.


    Eines ist mir beim Lesen sehr positiv aufgefallen, ich hätte es aber schon wieder vergessen, wenn mich nicht Ayasha erinnert hätte:


    Zitat

    Eine Figur muss ich aber noch erwähnen, bevor ich weiterlese: Rikas Mutter! Es ist sehr bewundernswert, wie sich nach dem Tod ihres Mannes für eine Stelle als Schneiderin beworben hatte. Respekt!


    Schade, dass sie schon tot ist, ich hätte gern mehr über diese starke Frau erfahren!

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Zitat

    Original von Lese-rina
    Bei den anderen Personen finde ich ganz wichtig, was Grottenolm schon angemerkt hat:


    Gerade bei Alexander und Stephan ist mir das aufgefallen. Alexander fand ich gerade anfangs eher sympathisch (und hätte mich auch über eine Liebesgeschichte zwischen ihm und Rika gefreut), doch zunehmend treten seine negativen Seiten zutage. Bei Stephan war es genau umgekehrt: in seiner ersten Szene tritt er ja sehr unschön gegenüber seinem Freund auf, im nächsten Abschnitt erfährt man über seine Hintergründ und kann ihn besser verstehen. Sein Vater hat übrigends eine Weberei (wird im 6. Kapitel erwähnt) und ich könnte mir vorstellen, dass er über die Firma mit Rika in Kontakt kommt. Ich war übrigends sehr überrascht, als er Willy küsste, damit hätte ich überhaupt nicht gerechnet!


    So ging es mir beim Lesen auch. Die Entwicklung der Figuren finde ich sehr gut gelungen, egal, ob sie als eher "gut" oder eher "böse" entpuppen.

  • Dann will ich als unangemeldeter Späteinsteiger auch meine ersten Eindrücke schildern.


    Obwohl kein Fan von Prologen, halte ich diesen aufgrund seiner Rätselhaftigkeit gut für den Einstieg geeignet.
    Dann überzeugt schon das erste Kapitel durch einen geschmeidigen, gut lesbaren Stil und gut gestaltetem Rückblick. Dabei werden hervorragende Figuren entworfen, die glaubhaft ins Berlin Mitte des 19.Jahrhundert passen.
    Klara Müller ist eine gute Schneiderin, klasse, wie sie sich durch eine gute Arbeitsprobe die Stelle bei Conrad Hesse verschafft. Klara finde ich imponierend, da sie auf ihre Eigenständigkeit besteht. Leider stirbt Klara schon im ersten Kapitel.
    Rika hat vielleicht ihre guten Eigenschaften geerbt, als junges Mädchen ist sie aber noch etwas orientierungslos. Deswegen erinnert sie mich an die von Patrick Modiano beschriebenen, nach einem erfüllten Leben suchenden Frauen der sechziger Jahre in Frankreich in „Unbekannte Frauen“, ein Buch das ich zuletzt gelesen habe.
    Jetzt ist Rika schon schnell eine junge Witwe, dazu noch mit 2 Stiefkindern.
    Auf Anhieb denke ich, dass Rika eine vielversprechende Hauptfigur wird, fern von der Eindimensionalität anderer Figuren in manchen historischen Romanen. Das Rika vielschichtiger ist, spürt man bei den Dialogen.
    Das Sujet der Modewelt in dieser Zeit ist auch interessant.


    Noch ein Wort zum Cover:
    Nachdem ich aus der Ferne betrachtet noch aufgrund der Farbgebung dachte: typisch historisches Taschenbuch, gewinnt das Cover aufgrund der Details bei näherer Betrachtung. Das Motiv im oberen Viertel, vermutlich das historische Berlin, hätte ich gerne größer gesehen.

  • Gut, dass Herr Palomar das Cover anspricht. Mir gefällt die Gestaltung wirklich gut, wobei das rot schon sehr in Richtung historische Romane geht, das stimmt; (mir persönlich hat das grün vom Leonardo-Papier da mehr zugesagt). Auch hätte die Straßenszene wirklich größer sein können, wobei mir die jetzige Komposition aber auch sehr zusagt. Ich bin gespannt, ob die Statue noch irgendeine Rolle spielen wird. Schön finde ich auch, dass es optisch an das Leonardo-Papier erinnert, aber dennoch ein eigenständiger Entwurf ist.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Zitat

    Original von beowulf
    ... und Anna erscheint mir jetzt schon als Opfer, welcher Art wird man lesen.


    Ich weigere mich, Anna generell als "Opfer" zu sehen, nur weil sie sehr verletzlich ist. Es wäre nicht fair, ihr dafür eine potenzielle Schuld zu geben. Immerhin hat sie in "Friedchen" eine gute Freundin, Alexander hingegen ist wohl kaum ein liebender Bruder.

  • Zitat

    Original von grottenolm
    Was mir auch gefällt, ist, daß bisher keiner der Figuren, auch nicht die Nebenfiguren, einseitig dargestellt ist. Jeder hat (für sich gesehen) ein Motiv für seine Handlungen- keiner ist "nur gut" oder "nur böse", sprich: ein Prototyp. Und was mir auch aufgefallen ist: jeder, selbst der freche Gassenjunge wird mit Respekt geschildert-


    Das empfinde ich auch so!
    Und da das keineswegs selbstverständlich ist, halte ich das für eine große Qualität des Romans!