Inhalt
Eine Gruppe von Studenten bricht zu einer Exkursion auf eine unbewohnte Pazifik-Insel auf, doch als die veranschlagten 4 Wochen um sind, kehren sie nicht zurück. Die ausgesendeten Suchtrupps werden nicht fündig - keine Spur von Leben auf der Insel, die Professor Raul als Ziel angegeben hat.
13 Monate später stranden 2 der vermissten Studenten wieder in der Zivilisation und auch die anderen können von einer entfernten Insel geborgen werden. Laut ihrer Angaben sind 2 Studenten und der Professor bei Unfällen ums Leben gekommen. Der Medienzirkus um die Überlebenden ist groß und sie erzählen einstimmig eine Geschichte von Stärke, Tapferkeit und Kameradschaft, die sie so lange auf sich allein gestellt durchhalten hat lassen.
Robin Baker hat sich selbst als Figur in sein Buch eingebracht und er bekommt den Auftrag die Geschichte dieses Abenteuers zu Papier bringen. Doch als er beginnt Zweifel an den heldenhaften Behauptungen der Betroffenen zu hegen, verschließen sie ihre Quellen. Aber seine Neugier ist bereits geweckt und er beginnt auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen und setzt Stück für Stück ein Puzzle zusammen, das das wahre Gesicht der Menschen zeigt, wenn es ums eigene nackte Überleben geht. Die Erkenntnisse, die er gewinnt, üben eine schockierende Faszination auf ihn aus, von der er sich dazu hinreißen lässt tiefer und tiefer zu graben, bis er seine eigene Existenz bedroht sieht...
Meine Meinung
Das Buch ist fesselnd - ebenso schockierend wie faszinierend. Ich hab's als ebook am Laptop gelesen, was ja nicht so entspannend für die Augen ist, aber ich konnte trotzdem einfach nicht aufhören zu lesen. Dies ist Robin Bakers (der ja ursprünglich Evolutions-Biologe ist) erstes Buch im Bereich Fiction, aber es ist wirklich gut gelungen. Man hat das Gefühl, in seinem Kopf zu sein, man teilt seine Neugier, seine Vermutungen, Thesen, die er im Laufe seiner Nachforschungen aufstellt und wieder verwirft. Größtenteils ist das Buch in der Ich-Perspektive des Autors geschrieben (Ausnahme: Ysan's Story - eine der Studenten, die mit auf der Insel waren, berichtet ihm von den ersten paar Wochen dort) und man kann gebannt verfolgen, was in seinem Kopf vorgeht, wie sich die Puzzlestücke seiner Nachforschungen langsam zu einem sinnvollen Bild zusammensetzen. Die Idee ist sicher nicht die Neueste - es gibt doch schon einige Bücher und Filme, in denen es darum geht, wozu Menschen fähig sind nach Schiffbruch, Flugzeugabstürzen und dergleichen in der Wildnis, wo es rein ums eigene Überleben geht. Trotzdem ist sie keinesfalls langweilig. Ich hab das Buch vor einer knappen Woche zugeschlagen und noch immer schwirren mir im Kopf die Fragen herum, wie es mir in solch einer Situation ergehen würde. Ich finde, es regt einfach sehr zum Nachdenken an, weil es, obwohl es Fiktion ist, viel von der Wahrheit wiedergibt, denn Fakt ist: Menschen können unter den wachsamen Augen des Gesetzes und angesichts des Luxus unserer Zivilsation teilweise schon sehr grausam sein - da fällt es leicht sich vorzustellen, was geschieht, wenn die moralischen Grenzen, die uns zum Teil aufgezwungen werden, weggewischt werden und nur mehr das Gesetz des Stärkeren gilt.
Nachdem ich schon 2 Werke von Robin Baker über das menschliche Sexualverhalten und Reproduktion gelesen habe, muss ich auch etwas schmunzeln, wie typisch diese Komponenten auch in Primal durchaus nicht zu kurz kommen - und zwar sowohl in seiner eigenen Geschichte, während er seine Nachforschungen betreibt, als auch in den Vorkommnissen auf der Insel. Er legt auch hier Augenmerk darauf, wie stark diese ureigensten Triebe die Menschen steuern, wer mit wem und warum. Das ist sicher nicht jedermanns Sache, aber ich finde seine Tendenz dazu sehr charmant, nachdem er sich über dieses Gebiet, wie man an seinen bisherigen Werken sehen kann, unzählige Gedanken gemacht hat.
Sprachlich ist das Buch recht verständlich geschrieben (auf Deutsch hab ich es nicht gefunden), also wenig ausgefallene Fachbegriffe und der Rest, wenn schon nicht sowieso, dann schnell aus dem Kontext verständlich.
Hin und wieder ist es etwas verwirrend während des 2. Teils, in dem langsam durch Nachforschungen alles aufgeklärt wird. Ich weiß nicht ob das so beabsichtigt war oder ob er es einfach nicht besser wusste, aber auf jeden Fall gibt es dem Buch meiner Meinung nach Authentizität. Herrscht in unserem eigenen Kopf nicht oft auch Verwirrung, wenn wir fieberhaft an etwas dran sind, wenn wir uns das Hirn darüber zermartern und dem allen verzweifelt einen Sinn zu geben versuchen?
Einziges wirkliches Manko: Der Schluss. Versteht mich nicht falsch, er war inhaltlich schon zufriedenstellend für mich, aber alles in allem irgendwie zu Hollywood, zu schnell, zu einfach, zu platt...
Nichtsdestotrotz: Robin Baker ist in meinen Augen ein sagenhafter Denker, auch wenn er stilistisch betrachtet sicher nicht zu den großen Literaten und Wortmalern gehört, und Primal ist eine Geschichte, die einen berührt und verschiedenste, gegensätzliche Empfindungen in einem auslöst. Es ist schwierig ein dezitiertes Urteil über die Vorkommnisse in der Geschichte abzugeben, weil jede Begebenheit zwei Seiten hat: die von Norm, Gesetz und erlernter Moral geprägte und die, die jeder irgendwo tief in seinem Inneren finden kann. Die Urinstinkte, die uns zuflüstern, ohne dass es sonst jemand hören könnte: Du hättest es in dieser Situation wahrscheinlich ähnlich gemacht...
Die 14 Menschen auf dieser Insel mögen zwar klischeehaft unterschiedlich sein, aber sie bieten genug Charaktere, mit denen sich verschiedene Leser identifizieren können.
Also, wenn ihr auch gern über die Menschheit, ihre Abgründe und Stärken, ihre Motive philosophiert, unbedingt lesen.