Der Adler der neunten Legion

  • Ich habe mir den Film gekauft, weil er grundsätzlich ganz interessant geklungen hat und weil ich beide Hauptdarsteller, Channing Tatum und Jamie Bell, aus anderen Filmen sehr positiv in Erinnerung habe ("Stop-loss" und "Billy Elliot"). Das hilft schon mal.


    Marcus Aquila, ein junger römischer Offizier (Tatum) ist traumatisiert davon, dass sein Vater einst mit der berüchtigten 9. Legion mitsamt ihres Adlers jenseits des Hadrianwalls verschollen ist. Nachdem seine eigene militärische Karriere durch eine Verletzung beim Teufel ist, beschließt Marcus, nur gemeinsam mit seinem keltischen Sklaven Esca (Bell), nach Norden zu ziehen und den Adler zu suchen.


    Der Film ist recht unterhaltsam, wenn auch wenig überraschend. Was hier jedoch sehr überrascht bzw. komplett unerklärlich bleibt ist, warum Esca sich für seinen Herrn und gegen seine Mitbritannier (mir fällt kein anderer Ausdruck ein, Landsleute passt nicht wirklich) entscheidet. Da der Cast sehr klein gehalten ist und sich alles auf die beiden jungen Männer konzentriert, sollte das eigentlich die entscheidende Beziehung hier sein. Das fällt für mich eher flach aus, was schade ist, denn anfangs scheint sich ja eine vorsichtige Freundschaft anzubahnen. Auf der Reise merkt man davon aber nichts mehr, wobei sich die beiden Darsteller durchaus Mühe geben in den Bromanceszenen, nur kam mir das einfach zu sehr aus dem Nichts.
    Mir fiel absolut kein guter Grund ein, warum Esca das Gastrecht des Stammes, der ihn mit offenen Armen empfangen hat, um Marcus' Willen verletzt. Sein Ehrenwort, OK. Aber entschuldigt das den anderen Verrat? Sollte ihn das nicht wenigstens, da er doch als Ehrenmann präsentiert wird, irgendwie bekümmern?


    Was gut gelungen ist, ist das Casting der beiden. Im Making of wurde erwähnt, dass sie bewusst zwei grundverschiedene Männer für die Hauptrollen wollten.
    Normalerweise sprechen Römer in Historienproduktionen ja gerne mit britischem Akzent, hier haben wir mit Tatum nun einen Amerikaner, was angesichts seines Charakters und nicht zuletzt der Betonung auf dem symbolischen Wert des Adlers gar nicht so unpassend erscheint. Sein Gegenstück ist der Engländer Bell, so dass man hier schon anhand der Sprache der beiden (im Original natürlich) sieht, dass sie zwei grundverschiedenen Völkern entstammen. Außerdem ist Tatum groß und kräftig gebaut, während Bell eher klein und drahtig ist. Es half auch, dass beide keine Schönlinge sind, sondern eher relativ normal aussehen. Gut, Tatum gilt als schöner Mann, nur warum erschließt sich mir absolut nicht.


    Was man sich dabei gedacht hat, die "Seehundleute" wie Amerikanische Ureinwohner darzustellen, kann ich mir auch nicht erklären, das wirkte jedenfalls reichlich eigenartig. Außerdem erscheint mir die Verwendung von Darstellern wie Donald Sutherland und Mark Strong für relativ unwichtige Rollen wie eine Verschwendung.


    Ein netter Abenteuerschinken, aber nicht unbedingt mehr.


    Ich kannte die gleichnamige Romanvorlage von Rosemary Sutcliff bisher noch nicht, kann daher nicht sagen, ob und wie der Film abweicht. Aber da ich vermute, dass hier irgendwo eine durchaus gute Geschichte steckt und ich eben wissen möchte, was zum Adler Esca dazu bewegt, Marcus die Treue zu halten, habe ich mir nun das Buch gegriffen. Mag interessant sein, sich den Film danach noch einmal anzuschauen.
    .

  • Die DVD steht auf meiner "Haben-Wollen"-Liste recht weit oben. Allerdings überlege ich noch: wenn der mit EUR 11,95 herauskommt, werde ich wohl noch ein paar Monate warten, um ihn dann zum halben Preis zu bekommen. Auf jeden Fall für weniger als EUR 10,00.


    Das:

    Zitat

    Original von Grisel
    Ein netter Abenteuerschinken, aber nicht unbedingt mehr.


    ist das, was ich mir davon erwarte. Insofern kann ich nicht enttäuscht werden. Die Buchvorlage kenne ich auch (noch) nicht. Doch von Rosemarie Sutcliff habe ich vor einiger Zeit "Lied für eine dunkle Königin" gelesen, das mir in guter Erinnerung geblieben ist. Da werde ich das Buch dann auf jeden Fall auch lesen.
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich kenne das Buch und zwar sehr gut. In meinen Augen ist es eins von Sutcliffs besten und sowohl als Abenteuergeschichte als auch in seiner Grundaussage ein rundum empfehlenswerter Klassiker.


    Es gibt aus den 1970er Jahren eine BBC-Verfilmung (Fernsehserie), die sich an den Text des Buchs hält, ich kenne sie leider nicht und sie auch zur Zeit nicht auf DVD erhältlich.


    Ich habe mich durchaus gefreut, als ich im Februar von der Neuverfilmung hörte, ich mag zwar Remakes nicht, aber es gibt immer eine Chance, daß etwas Gutes dabei herauskommt und daß damit wieder auf das Buch hingewisen wird, ist schon mal sehr gut.


    Als ich den allerersten Trailer gesehen habe, bin ich allerdings erschrocken und war seitdem eigentlich bloß noch sauer. Die Grundaussagen des Buchs werden völlig auf den Kopf gestellt, zugunsten einer bescheuerten, Hollywoodtypischen platten actionlastigen Handlung. Der Inhalt wird völlig verfälscht.


    Sutcliffe geht es um die Folgen der Besetzung eines fremden Landes für die Besatzer. De facto geht es um ihre Vorstellung des Werdens Englands als Heimat. Das ist der zunächst ein wenig altmodische anmutende Anteil. Modern aber und gerade heute sehr, sehr wichtig, sind ihre Ideen zum Zusammenkommen unterschiedlicher Kulturen. Und zwar durch Überwindung von Gewalt. Marcus steht stellvertretend für die eine, Esca für die andere Seite der beiden Zivilisationen(!), die zusammenkommen.


    Da der Film, jedenfals lt. Trailer, als Spannungselement vor allem darauf hinausläuft, zeitweise die Herr-Sklave-Konstellation umzudrehen, greift er mehr als kurz. es ist regelrecht primitiv, um so mehr, als im Buch Esca bereits frei ist, als er Marcus begleitet. Er geht als Freund.


    Es ist schade, daß die Ausgabe von dtv, die Anfang des Jahres erschien, mit einem Foto aus dem Film verziert ist . :rolleyes
    Wer wissen will, wie die Geschichte vom Adler der verschwundenen neunten Legion tatsächlich einmal erzählt wurde, ist mit dem Buch eindeutig besser bedient.
    Allerdings muß man auch dabei aufpassen, die seit ca. zehn Jahren vor allem erhältliche deutsche Übersetzung ist eine Neu-Übersetzung, die nicht eben behutsam modernisiert ist. Überdies fehlt einiges. :rolleyes


    Wer das Buch lesen möchte, und das kann ich jeder nur ans Herz legen, greife bitte zum englischen Original oder wähle die etwas ältere Übersetzung von Ilse Wodtke.


    Ansonsten hoffe ich sehr auf eine DVD mit der englischen Verfilmung von 1977. Schlimmer kann sie auf keinen Fall sein. :grin



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Ich habe das Buch nun gelesen und für sehr gut befunden.


    Zitat

    Original von magali
    Die Grundaussagen des Buchs werden völlig auf den Kopf gestellt, zugunsten einer bescheuerten, Hollywoodtypischen platten actionlastigen Handlung. Der Inhalt wird völlig verfälscht.


    Das stimmt leider. Es wird nicht nur verfälscht, es wird komplett auf den Kopf gestellt, alles wird umgedreht. Buch und Film haben eigentlich außer den Namen und der ganz groben Geschichte nicht das geringste miteinander zu tun. Ein so geradezu perverser Fall, wo ich um die Festung nicht verstehen kann, warum man sich eine (IMO) gute Vorlage hernimmt, um sie in der Verfilmung zur Unkenntlichkeit zu verdrehen, ist mir bislang nur bei "Starship Trooopers" begegnet. Da habe ich gelernt, zu trennen und den Film als nur zufällig Träger des gleichen Titels zu betrachten. So mag das hier auch funktionieren. Denn an sich ist der Film nicht schlecht - er ist nur definitiv keine Verfilmung des gleichnamigen Romans.


    Zitat

    Da der Film, jedenfals lt. Trailer, als Spannungselement vor allem darauf hinausläuft, zeitweise die Herr-Sklave-Konstellation umzudrehen, greift er mehr als kurz. es ist regelrecht primitiv, um so mehr, als im Buch Esca bereits frei ist, als er Marcus begleitet. Er geht als Freund.


    Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum die Freundschaft im Film für mich nicht funktioniert hat, denn sie existiert eigentlich nicht. Im Buch sagt Marcus vor der Freilassung auch noch, dass es nicht fair wäre, Esca keine Wahl zu lassen.


    Zitat

    Es ist schade, daß die Ausgabe von dtv, die Anfang des Jahres erschien, mit einem Foto aus dem Film verziert ist . :rolleyes


    Siehste, Dir zuliebe habe ich nebenan im Rezithread auch eine andere englische Ausgabe verlinkt. Wobei mir das jetzt tatsächlich selber auch falsch erschienen wäre. Ich renne jetzt nicht los, um mir eine andere Ausgabe des Buches zu holen, weil mir das persönlich im Regal ja wurst ist - und ich mag die beiden Darsteller ja nach wie vor - aber man sollte das Buch tatsächlich nicht mit dem Film in Verbindung bringen, denn es besteht keine.


    Getrennt vom Buch ist der Film an sich nicht schlecht, aber tatsächlich hat mir das Buch dabei geholfen zu verstehen, warum sich hier manches falsch angefühlt hat,


    Kurios finde ich die Weglassung von Cottia. Da hat man sich tatsächlich um die Chance gebracht, die obligatorische Liebesgeschichte einzubauen, um sich stattdessen auf die (eigentlich nicht vorhandene) Freundschaft zwischen Marcus und Esca zu beschränken.


    Schade. Ein unterhaltsamer Film, aber eine vertane Chance, denn Sutcliff hat sich schon was dabei gedacht, als sie ihre Geschichte geschrieben hat.

  • Eben Deinen Spoiler gelesen.
    Ach, du lieber Himmel! Man kan sich wirklich nur fragen, warum sie diesen Roman genommen haben, wenn sie doch sowieso ein anderes Thema verfilmen.
    :rolleyes



    Immerhin sind die Kritiken zum Film nicht besonders. Ich hofef, daß sich die Leute auch weiterhin eher ans Buch halten.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Ach, du lieber Himmel! Man kan sich wirklich nur fragen, warum sie diesen Roman genommen haben, wenn sie doch sowieso ein anderes Thema verfilmen.


    Das frage ich mich bei solchen Fällen immer. Irgendwie ein Etikettenschwindel. Gar nicht verstehen kann ich, dass Regisseur Reynolds das Buch als eines seiner Lieblingsbücher bezeichnet hat. OK? Aber gut, als Filmemacher hat man da vielleicht ein anderes Auge.


    Wobei ich den Film ja an sich gar nicht so schlecht gefunden habe. Er machte eben nur gerade in der entscheidenden Beziehung zwischen Marcus und Esca keinen Sinn für mich.

  • Ich habe den Film am Wochenende geschaut und fand ihn eigentlich ganz OK - ich kenne aber das Buch nicht und es ist doch meistens so, dass die Bücher immer besser sind, da man im Film gar nicht alles reinpacken kann..


    Zitat

    Original von Grisel
    Getrennt vom Buch ist der Film an sich nicht schlecht, aber tatsächlich hat mir das Buch dabei geholfen zu verstehen, warum sich hier manches falsch angefühlt hat,

    .


    Genau das habe ich am Schluss auch nicht kapiert :wow


    Zitat

    Original von Grisel
    Kurios finde ich die Weglassung von Cottia. Da hat man sich tatsächlich um die Chance gebracht, die obligatorische Liebesgeschichte einzubauen, um sich stattdessen auf die (eigentlich nicht vorhandene) Freundschaft zwischen Marcus und Esca zu beschränken.


    Schade. Ein unterhaltsamer Film, aber eine vertane Chance, denn Sutcliff hat sich schon was dabei gedacht, als sie ihre Geschichte geschrieben hat.


    Die Liebesgeschichte habe ich auch vermisst - fand es einerseits aber ganz gut, dass es mal keine gibt :grin

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.