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Am liebsten tagsüber und Fenster zu wegen der Nachbarn. So mag es Elizabeth. Ihr Mann macht die Heizdecken auf dem Bett an, dann kann´s losgehen. Sie fährt sofort mit der Hand rein in Georgs XXL-Yogahose. Und ab hier betrügt sie ihre Männer hassende Mutter, die ihr beibringen wollte, dass Sex etwas Schlechtes sei. Hat aber nicht geklappt, Glück für Elizabeth, Glück für Georg. Aber Sex ist ja nicht alles, es gibt auch noch das Essenkochen für ihre Tochter Liza, und es gibt den Exmann, Lizas Vater. Keine geringe Rolle spielen auch ihre Ängste und ihre schrecklichen Eltern. Wobei diese Themen für Elizabeth seit dem Unfall immer zusammengehören.
Meine Meinung:
Elizabeth Kiehl ist eine kontrollierte und paranoide Ehefrau, die sich nur beim Sex richtig gehen lassen kann – aber auch nur, wenn die Fenster geschlossen und die Vorhänge blickdicht sind, wegen der Nachbarn. Dann muss ihr Mann die Heizdecken auf dem Bett anmachen und es kann endlich losgehen.
Das Einzige, das für Elizabeth wichtig ist, ist neben Sex, ihre Familie und natürlich deren Glück. Da sie selbst von ihrer Mutter nicht gerade liebevoll behandelt wurde, hat Elizabeth es sich zu ihrer Lebensaufgabe gemacht ihre Familie glücklich zu machen und ihrer Tochter eine bessere und spießigere Kindheit zu ermöglichen.
Dennoch scheint diese Alltagsbewältigung eine wichtige Ablenkung für sie zu sein, da seit dem Unfall ihrer Familie ihr Leben nicht mehr so wie vorher ist.
Nachdem ich von „Feuchtgebiete“ schon sehr begeistert war, konnte ich es natürlich gar nicht erwarten „Schoßgebete“ endlich zu lesen und habe mir das Buch auch gleich vorbestellt. Und dann habe ich es mit großer Freude gelesen.
Wer aber nun ein Buch á la Feuchtgebiete erwartet, wartet hier (fast) vergeblich, denn „Schoßgebete“ ist ernster, tiefgründiger und vor allem bewegender.
Natürlich erzählt Charlotte Roche gewohnt offen und direkt von diversen sexuellen Aktivitäten und geht dabei wieder gewohnt ins Detail. Dennoch herrscht in „Schoßgebete“ ein anderer Ton, ernster und nachdenklicher schildert sie Elizabeths Schicksal, das eigentlich ihr eigenes ist. Ihre drei Brüder starben bei einer Massenkarambolage auf dem Weg zu ihrer geplanten Hochzeit und ihre Mutter wurde dabei schwer verletzt. Nach eigenen Angaben verarbeitet sie in „Schoßgebete“ diesen Schicksalsschlag und kämpft auch hier wieder ihren ganz persönlichen Kampf gegen die BILD-Zeitung, die dieses Unglück nach Roches Meinung missbrauchten. Dabei erzählt sie nüchtern von diesen Erlebnissen und deren Folgen und dadurch entsteht beim Lesen eine sehr beklemmende Stimmung, die aber immer wieder von Roches Sarkasmus unterbrochen und aufgelockert wird. Die ernste Grundstimmung bleibt aber.
Die Hauptprotagonistin ist deswegen auch wieder sehr speziell.
Elizabeth ist so eine Figur, die alles perfekt machen will und die seitdem in Therapie ist. Auch hat sie seit dem Tod ihrer Brüder immer das Gefühl, dass der Tod allgegenwärtig ist und ihre Paranoia erschwert ihr den Alltag manchmal sehr, da sie Panik vor allem hat: Hochhäuser, da sie brennen oder einstürzen könnten; Autofahrten, es sei denn sie fährt selbst und das tut sie äußerst defensiv; Risse in Decken, da es sein könnte, dass das ganze Haus in wenigen Sekunden nur noch Schutt und Asche ist.
Für mich war „Schoßgebete“ wie schon „Feuchtgebiete“ ein großes Lesevergnügen, da ich Charlotte Roches lockeren Schreibstil sehr mag und ich ihren Humor auch durchaus ansprechend finde. Das Buch brachte mich aber auch zum Nachdenken, da dieser Unfall, die Folgen und vor allem die Schilderungen harter Tobak sind und obwohl Roche manchmal „geschmacklos“ wirken mag, merkt man doch wie sehr dieser Tag sie getroffen hat und ihr Leben verändert hat.
Ich empfand die Schilderungen über den Unfall auch eher als zentrales Thema und das ganze Sexgeplänkel, die Alltagsbewältigung und die Therapiestunden eher als Nebensache.
Ich von meiner Seite aus kann „Schoßgebete“ natürlich nur empfehlen, da ich zum einen „Feuchtgebiete“ schon super fand, zum anderen dieses Buch aber doch anders als erwartet ist, da es meiner Meinung nach mehr Tiefe besitzt.
Wer aber mit Charlotte Roche, ihrem Humor, Schreibstil etc. nichts anfangen kann, der sollte wohl auch hiervon die Finger lassen.
Eine Parallele bzw. Anspielung zu „Feuchtgebiete“ darf aber natürlich auch nicht fehlen.
5 von 5 Sternen!