Flache Charaktere

Zitat

Original von melancholy
Gerade in Märchen sind flache Charaktere wichtig. Eine Charaktere symbolisiert eine oder mehrere Charaktereigenschaft (z.B. ist die Stiefmutter in Schneewittchen böse, also gewalttätig, eifersüchtig, eitel,... Schneewittchen hingegen ist gut: freundlich, treu, hilfsbereit,...) und diese Eigenschaften dürfen sich in diesem Fall ja gar nicht verändern. Und das ist meiner Meinung nach u.a. auch wichtig, um Kindern Werte zu vermitteln.

Guter Punkt und gutes Beispiel dafuer, dass zur Qualitaet eines Buches eben verschiedene Faktoren gehoeren. Und was fuer die eine Geschichte sehr gut funktioniert kann bei der naechsten total daneben gehen.

Beim Lesen von "Martha im Gepäck" von Ulrike Herwig hatte ich nun das erste Mal das Gefühl, "flache Charaktere" vor mir zu haben, zumindest in der ersten Hälfte des Buches.

"Flach" im Sinne von "nur eine Seite zu kennen". Zwar konnte ich bei jeder Figur sofort eine besondere Eigenheit benennen, aber es war eben auch nur eine Eigenheit. Da war der pubertierende Sohn, der technisch auf dem neuesten Stand ist, aber auf die Familie überhaupt keine Lust hat. Da war die merkwürdige Tante, deren Wohnung nach Hustensaft müffelt und die eh nicht mehr ganz dicht ist. Da war die urlaubsreife Mutter, die ihre Ehe nicht mehr bezaubernd findet, gedanklich bereits mehr oder weniger fremdgeht und generell gereizt wirkt.

Wirklich Spaß hat das Lesen tatsächlich nicht gemacht, da ich dauernd den Eindruck hatte, dass ich genau wüsste, was weiterhin passiert. Es war einfach zu vorhersehbar. Als es sich im Laufe des Buches plötzlich änderte, die Tante plötzlich Seiten an sich präsentierte, die man einer alten Dame nicht zutraut, als auch der Sohn auftaute und sein Handy stundenlang ignorieren konnte, da wusste ich, dass ich wohl zum ersten Mal bewusst flache Charaktere vor mir gehabt hatte. Ich war jedenfalls sehr dankbar, als jede Figur ihre Ecken und Kanten aufzeigte und damit lebendig wurde.