'Am Rande der Schatten' ist der zweite Band der Schattentrilogie um den Assassinen Kylar Stern, der nun durch den Besitz des Ka'kari, einer Art magischen Steins, zum Nachtengel geworden ist und de facto unsterblich - denn jedes Mal, wenn er getötet wird, landet er in einer seltsamen Zwischenwelt, in der ein geheimnisvolles Wesen namens Wolf lebt und von der aus er zurückkehrt in seinen Körper.
Der Gottkönig von Khalidor, Ursuul Garoth, herrscht mit furchtbarer Brutalität über Cenaria, und seine Männer befremden die Einwohner mit ihrer Angewohnheit, tagtäglich Grausamkeiten zu begehen, als sei es Teil ihrer Religion. Was es im Grunde auch ist, denn die Khalidori dienen der real existierenden Göttin Khali, die sich von Leiden ernährt und im Gegenzug Macht gewährt. So formt sich unter der Führung von Momma K. in den Hurenhäusern im Labyrinth ein bald ernstzunehmender Widerstand.
Kylar hat das alles hinter sich gelassen und ist mit Elene und Durzo Blints Tochter Uly weit fortgegangen, um ein neues Leben als Kräuterkundiger zu beginnen. Doch Elenes Forderung, dass er nie wieder töten dürfe, ist schwer für ihn zu erfüllen, denn der Nachtengel dürstet danach, Gerechtigkeit durch Vergeltung herzustellen. So liegt von Anfang an ein Schatten über dem Glück ... das entgültig ins Wanken gerät, als Khylar erfährt, dass sein bester Freund Logan noch lebt, als Gefangener im Loch, dem schrecklichsten und unmenschlichsten Teil des Gefängnisses von Cenaria. Kylar ist der einzige, der ihn retten und dem cenarischen Widerstand eine Lichtfigur zurückgeben könnte. Logan ist noch immer der legitime König... Für verheerende Folgen sorgt auch das Auftauchen von Vi, Hu Gibbets weiblichem Assassinen-Lehrling, die den Auftrag hat, Kylar und seinen Ka'kari zum Gottkönig zu bringen.
Und wie immer gibt es noch eine Vielzahl weiterer Spieler im Hintergrund, deren Motive vielfältig sind, und die auf die eine oder andere Art von der Invasion des Gottkönigs zu profitieren versuchen...
Das Buch setzt mehr oder weniger nahtlos dort an, wo der erste Band endet und liest sich sogar noch fesselnder und atemloser als Teil 1. Ich hatte es in zwei Tagen durch und konnte mich wirklich überhaupt nicht mehr von den Seiten lösen. Die abgründige Dunkelheit, die schon 'Der Weg in die Schatten' durchzieht, verstärkt sich hier noch, aber auch die Protagonisten werden stärker und wachsen über sich selbst hinaus und das zu lesen, ist einfach faszinierend und macht viel Spaß.
Brent Weeks gelangt hier zum vollen Potential seiner Fähigkeiten, und verwebt seine vielfältigen Charaktere mit ihren ganz unterschiedlichen, im seltensten Fall edlen Ambitionen so kunstvoll miteinander, dass sich die zahlreichen Wendungen stets wie von selbst ergeben.
Deutlicher als in Band 1 durchzieht ein roter Faden dieses Buch, ein klares Leitmotiv: Das Land vom durch und durch skrupellosen, abgrundtief bösen und verdorbenen Gottkönig zu befreien - der zudem noch übermächtige Fertigkeiten hat und alles und jeden zu manipulieren weiß.
Stärker auch als in Band 1 und sehr zum Vorteil der Handlung fügen sich magische Elemente ein: uralte Geheimnisse wie der Wald des Dunklen Jägers wissen die Spannung noch zu steigern. Und die Göttin Khali, die nach Cenaria gebracht wird, um dort unaussprechliche Kreaturen auszubrüten, die Garoth gegen seine Feinde einsetzen will, ist an Unheimlichkeit auch kaum zu überbieten.
Alles in allem ist dieses Buch wieder ein lohnendes und überragendes Leseerlebnis und führt den Start der Schattentrilogie mehr als würdig fort.
Ich halte Brent Weeks für einen der begabtesten Fantasy-Autoren der letzten Jahre - für mich auf jeden Fall DIE Neuentdeckung.
Jetzt werde ich mich gierig auf Band 3 stürzen...
-- Elena