Verlag: Suhrkamp, 2001
Taschenbuch: 106 Seiten
Kurzbeschreibung:
Fast die Hälfte seines Lebens hat Joachim Sartorius im Ausland verbracht, in Nordafrika, Istanbul. Zypern. Mit In den ägyptischen Filmen liegt nun ein Lyrikband mit ausgewählten, zum Teil erstmals veröffentlichten Gedichten vor, die diesen Hintergrund spüren lassen. Sartorius verleiht den Orten und Menschen seiner Lyrik, der Betrachtung der lebendigen Erotik wie der erkalteten Liebe einen »geheimnisvollen Mehrwert«, so Cees Nooteboom in seinem Nachwort. Und ob der Dichter nun eine Gruft in Delft besucht oder in den zerfallenen Kulissen Alexandrias umherstreift - stets zieht er die Vergangenheit, für die er einen scharfen Blick entwickelt hat, in die Zukunft unserer Gegenwart und verleiht dieser damit eine andere. unerwartete Dimension. Wie es im Titelgedicht heißt: »Diese Filme sind ein Fest.«
Über den Autor:
Joachim Sartorius, geboren 1946 in Fürth, ist Lyriker, Herausgeber der Gesammelten Werke von Malcolm Lowry und William Carlos Williams, Übersetzer von u.a. John Ashbery, Wallace Stevens und E.E. Cummings. Nachdem er zwei Jahrzehnte im diplomatischen Dienst in New York, Istanbul, Prag und Zypern verbracht hatte, war er schließlich Generalsekretär des Goethe-Instituts. Heute leitet er die Berliner Festspiele. Zuletzt erschien von ihm der "Atlas der neuen Poesie" , der Gedichtband "Keiner gefriert anders" sowie "Minima Poetica". Sartorius lebt und arbeitet in Berlin.
Mein Eindruck:
Bei dem vielgereisten Diplomantensohn Joachim Sartorius spielen natürlich fremde Länder eine große Rolle in seinen Gedichten.
Vorweg muss man sagen, dass anscheinend außer 4 Neuveröffentlichungen (darunter das Titelstück) alle Gedichte schon in vorherigen Büchern veröffentlicht sind. Deswegen hat dieses Buch keine große Geschlossenheit, außer dem Zyklus Alexandria, der sich um eben diese Stadt und dem griechischen Dichter Konstantinos Kavafis, der dort lebte, dreht.
Ganz interessant ist das Nachwort von Cees Nooteboom, der Sartorius ins Niederländische übersetzte. Ich stimme seinem Urteil zu, dass Sartorius Gedichte weder glatt noch zu philosophisch seien. Nicht immer sind die Gedichte inhaltlich zu verstehen, man muss versuchen einiges zu erspüren.
Sartorius meidet das offensichtliche. Sartorius Gedichte strahlen neben der für einen deutschen Dichter ungewöhnlichen Internationalität auch Intellektualität aus. Darin gleicht er Cees Nooteboom.
Die ungewöhnliche Sicht des Autors wird deutlich im Abschnitt „Einem Delphin in Batumi“, das Gedichte mit Handlungsorten z.B. in Italien versammelt, Nizza, Arezzo in der Toskana oder in Zypern, Budapest, Algier u.a
Ein Beispiel: „Die Nekropole von Nizza“:
ZitatAlles anzeigenDas Krematorium der Stadt Nizza,
eingezäunt, 10 km aufwärts am Var,
zwischen Kleinindustrie und Mangoldfeldern,
gebaut in ein felsiges Amphitheater
wie ein moderner Tempel für Hatschepsut,
Arabesken aus Leichtbeton, weiß, bombastisch,
sinnlose Versatzstücke der Callablüte
und des Mohnstengels, unwirklich, lumpig
und bedrängt, umzäunt, baumlos:
Platz für 60.000 Urnen.
…
Sartorius stellt den Eindrücken der Schönheit der Natur den Einfluss des Menschen gegenüber, so sind in den Ästen der Bäume im Arno-Tal Plastiktüten zu sehen und im Fluß schwimmt ein Kanister.
Noch ein Beispiel:
ZitatAlles anzeigen„Der Kultstein von Kouklia“
Es ist ein Meteorit.
Ein Steinbrocken, dessen Feuer
beim Aufprall erlosch. Die dünne
gläserne Schmelzrinde erinnert
an dieses Zusammentreffen
von Himmel und Erde, sie
zieht die Suchenden an.
Er ist unansehnlich, graugrün
statt schwarz, die Kegelform
nicht regelmäßig, ein Idol,
das keinen Reim gibt
auf die schöngestaltige
Schaumgeborene. Es wird
das Geheimnis der Wallfahrt
sein.
….
Ganz besonders mag ich auch die Gedichte, die in der Vergangenheit angesiedelt sind: Abdo Rimbo (1878), Das Schweigen vopn Zypern (1880-1886)
Im Abschnitt „Gräber“ ist Sartorius wieder viel Unterwegs: Delft, Berlin, etc.
Ein besonderer Clou ist am Schluß vom Abschnitt Alexandria enthalten: 4 unveröffentlichte Gedichte aus dem Nachlass von Konstantin Kavatis.
Die sind aber von Joachim Sartorius fingiert, wie er selbst in den Anmerkungen erwähnt.
10 Jahre ist es her, seit ich Joachim Sartorius auf einem Literaturfestival sah, wie er Gedichte aus diesem Buch las.
Zum Abschluß möchte ich noch einmal Cees Nooteboom über Sartorius zitieren:
ZitatDiese Gedichte sind die Botschaften eines Menschen, der auf seinen Reisen eine innere und zugleich äußere Entfernung zurücklegt. In dieser Poesie befindet man sich immer irgendwo anders, nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit.