Verlag: Kiepenheuer & Witsch, 2011
Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
Kurzbeschreibung:
Die berührende Geschichte einer Selbstbehauptung. Angelika Klüssendorf erzählt von einem jungen starken Mädchen, das sich herausarbeitet aus allem, was sie umgibt und niederhält: die tyrannische Mutter, die autoritären Lehrer, der bürokratische Staatsapparat. Am Anfang scheint alles schon zu Ende zu sein: Der Vater trinkt und taucht nur sporadisch auf, die Mutter lässt ihre Wut an den Kindern aus, die Klassenkameraden meiden das Mädchen, der jüngere Bruder kapselt sich völlig ab. Und doch gibt es eine Kraft, die das Mädchen trägt. Die Bilder aus "Brehm's Tierleben", die sie bewundert, der Traum vom kleinen Haus mit Garten auf dem Lande, Grimms Märchen. Und immer wieder Menschen, die ihr etwas bedeuten und die sie halten. Eines hat sie gelernt: Man muss sich holen, was man braucht. Auch wenn sie mehrfach beim Ladendiebstahl erwischt und schließlich ins Heim gesteckt wird, kann sie sich auch dort auf die neue Lage einstellen. Und das Kinderheim wird auf überraschende Weise zu einem Refugium, wo Kindheit erstmals gelebt werden kann. Mit ihrer klaren, knappen, präzisen Prosa, großer Lakonie und trockenem Humor versetzt Angelika Klüssendorf den Leser in eine Welt, die das Kindsein kaum zulässt. Atemlos folgt man einer Heranwachsenden, die nichts hat, worauf sie sich verlassen kann, trotzdem den Lebenswillen nicht verliert - kein bemitleidenswertes Opfer, sondern ein starker, abgründiger Charakter.
Über die Autorin:
Angelika Klüssendorf, geboren 1958 in Ahrensburg, lebte von 1961 bis zu ihrer Übersiedlung 1985 in Leipzig; heute lebt sie in Berlin. Sie veröffentlichte unter anderem die Erzählungen »Sehnsüchte« und »Anfall von Glück«, den Roman »Alle leben so«, den Erzählungsband »Aus allen Himmeln« und zuletzt den Erzählungsband »Amateure«.
Mein Eindruck:
Das Mädchen ist ein intensiver Roman mit wuchtiger Sprache, die wirkungsvoll eingesetzt wird.
Es wird von den Lebensumständen in Kindheit und Jugendjahren eines lebhaften, wilden Mädchens im Osten der siebziger Jahre erzählt. Sie lebt mit ihrem kleinen Bruder und einer exzentrischen Mutter sowie meist abwesenden Vater im sozialen Abseits. Sie wird vernachlässigt, sogar misshandelt. Da konsequent aus ihrer Wahrnehmung erzählt wird, ist der Leser Nahe an dieser Figur und erlebt ihre Emotionen hautnah mit. Sie ist ein mutiges Mädchen, das sich auflehnt, aber natürlich hat sie es sehr schwer, schließlich kommen noch die üblichen Probleme der Pubertät hinzu und der Weg führt ins Kinderheim. Sie lebt in Tagträumen und in ihren Büchern. In der sozialistischen Gemeinschaft bleibt sie eine Außenseiterin, obwohl die anderen Mädchen sie für ihren Mut durchaus bewundern.
Die Autorin schafft es, die Wirklichkeit nachvollziehbar abzubilden, dazu nutzt sie eine großartige, manchmal harsche, drastische Sprache, die dieses Buch trotz der Kürze zu einem kompakten Lesererlebnis werden lassen.
Erfreulich, dass das Buch für den Deutschen Buchpreis 2011 nominiert ist!