Alice Kuipers - Vor meinen Augen

  • Klappentext:
    Alles, was Sophie will, ist zu vergessen. Den furchtbaren Tag vergessen, der ihr Leben verändert hat und der daran schuld ist, dass sich alles anders anfühlt als bisher. Das Haus kommt ihr zu groß vor, der Schultag zu lang, das Licht zu hell. Manchmal dreht sich alles, und Sophies Hände werden schweißnass. Und was in aller Welt hat sie jemals mit Abigail verbunden? Ihre beste Freundin hat nur noch Partys und Jungs im Kopf und ist Sophie mit einem Mal furchtbar fremd. Verbunden fühlt sich Sophie dagegen mit der neuen Mitschülerin Rosa- Leigh. Sie schreibt Gedichte und genießt es, anders zu sein. Aber wie soll Sophie ihr näherkommen – ohne über den schrecklichen Tag zu reden? Den Tag, der alles veränderte…


    Meine Meinung:
    Alice Kuipers lässt in ihrem neuen Jugendroman teilhaben am Leben der fünfzehnjährigen Sophie, die mit einem schweren Schicksalsschlag zu kämpfen hat. Schnell wird klar, dass irgendetwas Schreckliches mit Emily, Sophies älterer Schwester, geschehen sein muss. Doch was genau das ist, erfährt man nur langsam, Stückchen für Stückchen, im Laufe der Geschichte. Man liest Sophies Tagebuch, welches ihre Therapeutin ihr gegeben hat, ihre Einträge und die verzweifelten Versuche, irgendwie mit dem Erlebten fertig zu werden, und nach und nach enthüllt sich die schreckliche Wahrheit.
    Zu Beginn fand ich es ein wenig befremdlich, das Tagebuch einer anderen Person zu lesen, schließlich lernt man doch als Kind, das man so etwas nicht tut. :) Allerdings ist dieser Tagebuch- Stil eine ganz großartige Art, Sophies Geschichte zu erzählen, denn sie macht alles viel authentischer und ausdrucksstärker. Ich glaube, dass die ganzen Gefühle, der Schmerz, die Trauer und auch die Wut nicht so eindrucksvoll rübergekommen wären, wäre das Buch im ganz normalen Stil geschrieben.


    Gefühle sind es auch, von denen „Vor meinen Augen“ lebt. Sicherlich ist es auch ein Stück weit spannend, man möchte ja schließlich wissen, was Sophies Familie widerfahren ist. Aber grundsätzlich ist es Sophies Gefühlsleben, welches den Leser an die Geschichte fesselt. Ihre Tagebucheinträge gehen sehr nahe, man leidet mit ihr, und mehr als ein Mal standen mir beim Lesen Tränen in den Augen.
    Allerdings hätte ich sie auch so manches Mal packen und kräftig durchschütteln können. Manchmal verhält sie sich so irrational, so egoistisch und macht ihrem Umfeld das Leben zur Hölle, und nicht immer ist ihr Verhalten mit ihrem Verlust zu entschuldigen. Doch gerade das macht auch Sophie sehr authentisch, sie ist ein Mensch mit Ecken und Kanten, und ein Mensch verhält sich eben nicht immer rational.


    Ein wenig gestört hat mich die Parallelgeschichte mit Abigail und Megan, die in meinen Augen überhaupt nicht in die eigentliche Geschichte hineinpasste. Mir hätte nichts gefehlt, wenn die Autorin diesen Teil weggelassen hätte.


    Mit „Vor meinen Augen“ ist Alice Kuipers ein bewegender, tiefgreifender Jugendroman gelungen, der zu Herzen geht und mit viel Gefühl zu überzeugen weiß. Sophies Geschichte ist unglaublich traurig, und dennoch macht dieses Buch Mut – Mut, dass man mit einer solchen Trauer leben kann und dass irgendwann der Silberstreifen am Horizont auftaucht. Und auch wenn es einem die Tränen in die Augen treibt ist es doch ein Buch, welches sich zu lesen sehr lohnt.

  • Es ist aus zwei Gründen für mich nicht einfach, diese Rezension zu schreiben. Zum einen möchte ich noch nicht zu viel vom Inhalt verraten, zum anderen lässt mich dieses Buch wirklich zwiegespalten zurück.


    Dem Leser ist von Anfang an klar, dass Sophie etwas wirklich schlimmes erlebt haben muss. Schnell wird auch deutlich, dass es etwas mit ihrer älteren Schwester Emily zu tun hat, die sie seitdem schmerzlich vermisst. Nicht nur sie, sondern auch ihre Mutter, die sich einigelt und sehr unnahbar erscheint, können mit dem Verlust nicht umgehen. Was genau an diesem einen Tag passiert ist, erfährt man als Leser erst ziemlich zum Schluss des Buches, deswegen möchte ich an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen.


    Die meiste Zeit über habe ich die Geschichte um die sechszehnjährige Sophie nicht sonderlich gern gelesen. Zum einen lag das am Schreibstil, der meiner Meinung nach oft wirklich unbeholfen war. Häufig leitet die Autorin bestimmte Handlungen und Rückblenden mit den gleichen oder zumindest sehr ähnlichen Worten ein. Da das Buch Tagebucheinträge von Sophie darstellen soll, ist es zudem manchmal in einer sehr jugendlichen Sprache gehalten und beinhaltet Einwürfe wie „Würg!“ oder es werden viele Wörter zur Betonung groß geschrieben. Mich hat das gestört, jüngeren Lesern mag es als Stil- und Identifikationsmittel gut gefallen.


    Trotzdem gab es auch schon in diesem Teil der Geschichte, den ich weniger mochte, Sätze, die mich einfach umgehauen haben. Auf den Punkt genau haben sie die Gefühle von Sophie getroffen und eine Gänsehaut bei mir zurückgelassen:


    „Ich konnte nicht atmen. Ich übergab mich. Danach ging es mir auch nicht besser.“ (S. 95)


    Diese einzelnen wirklich genialen Sätze und Beschreibungen haben mich ein bisschen beim Lesen über Wasser gehalten, denn obwohl das Buch insgesamt nicht viele Seiten hat, habe ich mich doch ziemlich durchquälen müssen.


    Erst zum Ende hin, als sich Sophie langsam mit den Dingen auseinander setzt, habe ich das Buch richtig gemocht. Die letzten Seiten habe ich teilweise mit einem Lächeln im Gesicht, größtenteils aber auch mit vielen, vielen Tränen in den Augen gelesen.


    Wie bewertet man nun ein Buch, das einen zu einem großen Teil nicht gefallen, zum Schluss aber so mitgerissen hat, dass man ein tränennasses Gesicht hat? Ich vergebe 3von 5 Sternen und empfehle jedem, der interessiert ist, das Buch selber zu lesen. Außerdem bin ich wirklich auf andere Meinungen und Rezensionen gespannt.