Willkommen in der Wirklichkeit - Andrew Matthews (ab ca. 14 J.)

  • OT: Seeing in Moonlight 1995
    dt. 1999


    ‚Das große Dreieck’ ist kein Sternbild, sondern der Freundschaftsbund von Mikki, Bron und Wayne. Freundschaft schlossen sie bereits im Kindergarten, sie waren sich von Anfang an ähnlich in ihrer anderen Sicht auf die Welt und das Leben. Sie verstehen sich oft ohne Worte, aber am liebsten reden sie intensiv miteinander, über alles. Jede/r von ihnen kenmt die beiden anderen so gut, wie sich selbst, sogar besser, vor allem Wayne.
    Wayne erzählt als Ich-Erzähler von dieser Teenager-Freundschaft, die zugleich die Geschichte seiner Entwicklung ist.


    Zu Beginn der Geschichte sind die drei sechzehn, sie haben eben die Mittlere Reife geschafft. Nun sind Ferien. Wayne muß auf Wunsch seines Vaters ein Praktikum in einem Architekturbüro machen, Mikki hat einen Ferienjob bei einem Imbiß. Sie will vor allem Geld verdienen, um von ihren Eltern unabhängiger zu sein. Bron fährt in die USA, wo ihr geschiedener Vater lebt. Es ist die erste Trennung für die drei und sie leiden sehr darunter. Ganz besonders, als sich herausstellt, daß Brons Vater sie bei sich behalten will. Das Ende des ‚Großen Dreiecks’ scheint gekommen. Es verunsichert vor allem Wayne, der sich nicht entscheiden kann, sein Leben in die Hand zu nehmen. Er träumt ein wenig davon, Maler zu werden, benutzt das aber eher, um seinen Vater, der ihn nicht recht versteht, fernzuhalten. Als Bron sich entscheidet, zurückzukommen, ist vor allem Wayne glücklich. Seine Welt, die er am liebsten in der Schwebe halten will, und das für alle Zeiten, scheint wieder im Lot.


    Gemeinsam besuchen sie nach den Ferien die höhere Schule. Wayne mit dem vagen Fernziel eines Kunststudiums, Bron, weil sie immer gute Noten hat, Mikki, nach außen hin die aktivste der drei, weil die beiden anderen gehen. Was Mikki eigentlich möchte, ist, ihre große Liebe finden. Sie hat es schon ein paarmal versucht, aber geklappt hat es nie. Liebe ist nun nichts, was Wayne an sich heranlassen will, er ist sich nicht einmal sicher, ob er Mädchen mag oder Jungen, ein weiterer Konfliktpunkt mit seinem Vater. Als Mikki sich Hals über Kopf in einen neuen Schüler verliebt, tragen Bron und Wayne das mit Fassung. Haben sie nicht gerade eine Trennung des Dreiecks überstanden?


    Dann aber geschieht ein Unfall. Ganz unerwartet ist das Dreieck kein Dreieck mehr und wird nie mehr eines sein. Die beiden Übriggebliebenen müssen mit ihrer Trauer fertig werden. Es dauert lange bis zur endlichen Erkenntnis, daß das Dreieck immerwährend ist, weil die Erinnerung bleibt.
    Wayne erzählt in der Rückerinnerung. Er ist inzwischen fast neunzehn und lebt in Griechenland. Das eigenartig Schwebende, das Waynes Lebensgefühl, aber grundsätzlich auch die Erinnerung an eine geliebte, unwiderruflich zerstörte glückliche Vergangenheit kennzeichnet, spricht in diesm kleinen Roman aus jedem Satz. ‚Seeing in the moonlight’, Waynes Maßstab für Liebe, ist programmatisch für die Handlung. Das im Dunklen tappen, Dinge und Menschen einen Moment lang klar und scharf und zugleich verklärt zu sehen, Realität und die Magie der Erinnerung fließen zusammen.


    Matthews hat eines jener Jugendbücher geschrieben, die auf der Grenzlinie zur zeitgenössischen Literatur stehen, die jugendliche ProtagonistInnen haben, bestimmte Probleme älterer Teenager einfangen, zugleich aber von etwas erzählen, das über bloße Teenagerbefindlichkeiten hinausgeht. Es ist ein stilles Buch, dessen Geschehnisse vom Wunder einer einzigartigen Freundschaft getragen werden, die trotz der Begegnung mit dem Tod so lange nicht sterben wird, wie es die Erinnerung an sie gibt.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Ich bin bei der Recherche nach dem Autor darauf gestoßen, daß dieses Buch tatsächlich die Fortsetzung eines anderen ist, in dem es um die Anfänge der der Freundschaft von Bron (Bronia), Wayne und Mikki (Kim) beschrieben wird.


    Ich habe damit überhaupt nicht gerechnet, weil 'Wilkommen in der Wirklichkeit' für sich steht. Die Personen sind greifbar, ihre Familie, ihre sonstgen Aktivitäten außerhalb des 'großen Dreiecks' erscheinen genau im rechten Maß beschrieben. Merh braucht man nicht, um die probleme, die Wünsche, die Träume der Drei zu kennen und die Tragik des Ausgangs mitzufühlen.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus