Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt
Wenn man auf einer Insel zu Hause ist, hat die Aussage „Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt“ eigentlich immer Gültigkeit. Davon, in Erinnerungen weit über das umliegende Meer zu reisen, handelt dieser Roman.
Die Enkelin des isländischen Literatur-Nobelpreisträgers Halldór Laxness hat mit „Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt“ eine Freundschaftsgeschichte zu Papier gebracht, die als erste ihrer Veröffentlichungen auch in deutscher Sprache erschien. Audur Jónsdóttir gehört mit Jahrgang 1973 zu den jüngeren Schriftstellerinnen Islands, die uns mit ihrer Neuerscheinung auf eine karge Insel im Nordatlantik und an Orte jenseits des Meeres entführt. Insbesondere dem spanischen Barcelona und dem marokkanischen Tanger fallen dabei weitere Rollen zu.
Aus der Zeitung erfährt Sunna – Mitte Dreißig und in ihrem Job bei einem Verlag in Reykjavik latent unterfordert – dass ihre alte Studienfreundin Arndis als vermisst gemeldet wurde. Nachdem sich die beiden Isländerinnen damals während eines Auslandssemesters in Barcelona kennen gelernt hatten, brach der Kontakt bereits vor mehreren Jahren wieder ab. Dennoch treibt Sunna diese Meldung stärker um, als sie selbst erwartet hätte. Als sie dann noch von ihrer eigenen Mutter bedrängt wird, sich doch für diese verschwundene Freundin einzusetzen, beginnt Sunna in Arndis Vergangenheit zu forschen. Da es sich dabei ja zum Teil auch um ihre eigene Vergangenheit handelt, fügen sich plötzlich ungeahnte Puzzleteile ineinander.
Den gesamten Roman über lässt Jónsdóttir den Leser zwischen Passagen der Gegenwart und der Vergangenheit springen. Während im Hier und Jetzt für Sunna ihr Lebensgefährte und sein Sohn die bestimmenden Elemente für ihr Leben auf Island sind, war dies in der Vergangenheit das Zusammenleben mit Arndis fern der Heimat.
Nicht vorhersehbar sind die Gründe, weshalb die beiden Frauen den Kontakt zueinander nicht aufrecht gehalten haben, obwohl sie eine zeitlang sehr vertraut miteinander waren. Die jeweils persönlichen Gründe wurden von der Autorin tatsächlich sehr realistisch und nur allzu menschlich konstruiert. Die Geschichte um Sunna und Arndis ist gleichzeitig eine wehmütige und wie freudige Hommage an die Freundschaft und an ein Leben jenseits des selbst gewählten Weges.
Für mich 8 von 10 Sternen!