Die Lichter von Bullet Park - John Cheever

  • Gebundene Ausgabe: 254 Seiten
    Verlag: Dumont Buchverlag; Auflage: 1 (9. März 2011)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3832180680
    ISBN-13: 978-3832180683
    Originaltitel: Bullet Park


    Kurzbeschreibung
    Willkommen in Bullet Park, einer kleinen aufgeräumten Vorstadt im Umland von New York. Hier werden Ordnung und gute Nachbarschaft großgeschrieben: Eine adrette Bahnstation mit leeren Sitzbänken, Vorgärten mit kurz getrimmtem Rasen, hellweiße Häuser, zum Trocknen aufgehängte Wäsche, ein paar freundliche Cocktailpartys. Ja, Bullet Park ist der ideale neue Wohnort für Paul Hammer und seine anspruchsvolle Gattin! Was sie nicht wissen: In Bullet Park ist nichts, wie es scheint. Paul Hammer trifft auf Eliot Nailles, den netten, nachdenklichen Nachbarn, der Tabletten schluckt und seine Frau und seinen Sohn so liebt, dass er sich selbst bisweilen zu vergessen droht. Das kann nicht gut gehen ... Die Lichter von Bullet Park ist einer der ganz großen Romane des 20. Jahrhunderts, eine Hymne an die amerikanische Vorstadt ebenso wie ein zeitlos zynischer Abgesang auf den viel beschworenen American Dream in einem Atemzug zu nennen mit Richard Yates Zeiten des Aufruhrs und F. Scott Fitzgeralds Der große Gatsby . Ausgebuffter als Cheever ist keiner, und wie in den viel besungenen Storys besticht er durch seinen präzisen poetischen Ton und den gnadenlos genauen Blick.


    Über den Autor
    John Cheever (1912 geboren in Quincy, Massachusetts; gestorben 1982) gilt als einer der Innovatoren der amerikanischen Erzählkunst. Im flimmernden Wechsel zwischen Parodie, Satire und scheinbar treuherzig-naivem Bericht vom Tun und Lassen der Ostküstenelite hat er einen Schatz an Romanen und Stories hinterlassen, der in deutscher Sprache nie angemessen erschlossen worden ist. Thomas Gunkels Übersetzung der Wapshot-Chronik füllt eine bislang weiße Stelle auf der Karte der modernen Weltliteratur.Thomas Gunkel, geb 1956 in Treysa, Erzieher, studierte Germanistik und Geographie und ist als Übersetzer tätig.


    Meine Meinung


    "Wenn Sie an meiner Meinung interessiert sind, will ich sie Ihnen gerne sagen. [...] Ich finde Bullet Park zum Kotzen. Hier geht es zu wie auf einem Maskenball. Man braucht sich nur seine Kleidung bei Brooks zu kaufen, mit dem Zug zur Arbeit zu fahren und einmal in der Woche in die Kirche zu gehen, dann fragt kein Mensch, wer man ist."


    Im Mittelpunkt von John Cheevers Roman "Die Lichter von Bullet Park" steht das Viertel Bullet Park und einige seiner Bewohner.


    Unter dem Bullet Park stelle ich mir einen "typischen" amerikanischen Vorort vor. Große, weiße Häuser der Mittelschicht. Der Großteil der Einwohner fährt jeden Morgen mit dem Zug zur Arbeit und gönnt sich am Abend einen Drink (oder auch mal zwei oder drei ...).


    Das Buch ist in zwei Erzählstränge gegliedert. Im ersten Erzählstrang beschäftigt sich John Cheever mit Elliot Nailles. Nailles ist ein Chemiker, der für die Firma in der er arbeitet, das Mundwasser Spang bewirbt. Nailles liebt seine Frau Nellie und seinen Sohn Tony, geht zur Kirche (wenn auch mehr aus Pflichtgefühl, als aus religiösem Eifer) und trinkt am Abend seinen Whisky. Tony ist ein typisches Kind dieser Vororte und John Cheever zeichnet ein beeindruckendes Bild seiner Schwierigkeiten, die von klein auf an bestehen. Sie eskalieren, als Tony sich urplötzlich weigert, aus dem Bett aufzustehen. Auch sein Vater Nailles hat Schwierigkeiten. Er geht zu einem Psychiater, weil er nicht mehr weiß, wie er ohne Beruhigungsmedikament die Zugfahrt überstehen soll.


    Der zweite Strang erzählt die Geschichte von Paul Hammer und seiner Frau Marietta, die in den Bullet Park ziehen. Aus der Ich-Perspektive berichtet Paul von seiner aufregenden Vergangenheit und davon, wie er seine Frau Marietta kennengelernt. Am Ende des Roman muss man als Leser auf erschreckende Art und Weise feststellen, dass das Vorstadtleben bei vielen Bewohnern von Bullet Park nur Fassade ist.


    John Cheever erzählt auf beeindruckende Art und Weise. An vielen Stellen habe ich mich sehr an Richard Yates erinnert gefühlt, da beide einen ähnlichen Erzählton haben.
    Cheever seziert die Verlogenheit und Lügen der Mittelschicht. Der Roman ist sehr gut lesbar und an vielen Stellen muss man sogar lachen, da Cheever sehr ironisch und zum Teil auch gemein über die Bewohner von Bullet Park schreibt.


    Ein Roman aus den 60er Jahren, der aber bis heute nichts an seiner Gültigkeit verloren hat und den man wohl immer noch auf die ein oder andere Vorstadt anwenden kann.


    9 Punkte.

  • Vielen Dank buzz für die tolle Rezi.
    Das Buch subt schon und sollte wohl bald gelesen werden :wave

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Dieses Buch ist mal wieder ein gutes Beispiel dafür, wie zwei Menschen ein und denselben Roman komplett unterschiedlich wahrnehmen können.


    Ich habe den Vorort Bullet Park als reine Kulisse und weniger als Symbol empfunden, im Mittelpunkt stand Naille als Archetyp des weißen, mittelständischen Amerikaners. Er ist ganz einfach furchtbar normal, macht einen Job, für den er eigentlich zu klug ist, liebt seine Familie und ja, ihm ist durchaus bewusst, dass sein Leben ein Stück weit Fassade ist. Aber ist das nicht überall so? Ist es Fassade, wenn man eine Ehe aufrechterhält, auch wenn es ab und zu Krach gibt? Wenn man einen Job macht, den man eigentlich doof findet? Nein, Naille sieht das nur bedingt so, er tanzt einfach einen Eiertanz zwischen persönlichem Glück und Anpassung an seine Umgebung. Dass dabei sein psychisches Gleichgewicht auf der Strecke bleibt, lastet er konsequenterweise deshalb nicht seiner Umwelt an, den Verrenkungen, die er täglich vollziehen muss, sondern einzig sich selbst, weshalb es in der Folge auch ganz alleine seine Angelegenheit ist, wie er damit zurecht kommt.


    Erst mit Hammer taucht ein ernsthafter Störfaktor in Nailles Welt auf. Der ist nämlich die Antithese zum Vorortidyll. Schon seine uneheliche Geburt ist ein unerhörter Makel, er führte ein Nomadenleben und ist durch ererbtes Geld nicht auf eine Erwerbsarbeit angewiesen, er lebt in einer schon auf den ersten als schwierig zu erkennenden Ehe und er hat nicht einmal Kinder. Er ist ein Mann, der so ein Leben, wie Nailles es führt, herbeisehnt aber gleichzeitig verachtet. Weshalb dieses Zusammentreffen in einem Drama biblischen Ausmaßes kulminiert.


    In diesem Buch wird jedoch meines Erachtens nicht seziert, sondern lediglich geschildert, wie diese so grundverschiedenen Lebenswege sich in Bullett Park treffen. Eigentlich ist Naille, der Spießer, sogar die deutlich sympathischere Figur von beiden. Vielleicht könnte man in dieses Buch noch hineininterpretieren, dass ein anderer als der „American way of Life“ in Suburbia nicht möglich und er somit eine Art totalitären Regimes ist.
    Ich habe allerdings nicht herausgelesen, dass in Bullet Park „nichts ist wie es scheint“ und schon gar nicht keine Verlogenheit vorherrscht, eher kleine Lügen. Denn der von buzzaldrin zitierte Satz stammt von einer frustrierten Außenseiterin mit ernsthaften psychischen Problemen und ist keinesfalls typisch für dieses Buch.


    Aber wer weiß, vielleicht ist mir der Subtext auch mal wieder entwischt ;-)


    Ach ja, wie ich das Buch so fand? Ein klares "so mittel".

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)