Martina Wilder: Murus
Berlin Verlag 2010. 416 Seiten
ISBN 978-3833350405. 8,95€
Im Jahre 2371 ist die Welt durch eine Mauer in eine entwickelte und eine unterentwickelte Hälfte geteilt. Der 14-jährige Jojo zweifelt an der Erklärung seiner Pflegemutter Agathe, dass hinter der Mauer das Nichts beginne und dass man ohne die Mauer dort hinunter stürzen würde. Jojo erlebt in seiner Welt den täglichen Kampf ums Essen und eine warme Hütte, Angst vor Wölfen und herumziehenden Jugendbanden. Jojo ist fasziniert vom Gedanken an eine mögliche Welt hinter der Mauer. Agathes Lebensgefährte Otto sieht sich derweil mit einer drohenden Wirtschaftskrise konfrontiert. Das einfache Tauschsystem auf der Basis von Nägeln ist aus den Fugen geraten. Dass Agathe ein unbekanntes Mädchen aufsammelt und zu Hause pflegt, hat Otto gerade noch gefehlt. In Jojos Welt gibt es eine privilegierte Volksgruppe unter dem Anführer Omar Musalla, die ihre eigene Sprache spricht. Jojo, Agathe und Otto sprechen Deutsch. Omar Musalla hat von dem nachdenklichen Jojo gehört und würde ihn gern selbst erziehen. Doch Jojo entscheidet sich dafür, nach einer möglichen Verbindung zwischen den beiden Welten zu suchen und das Rätsel des unbekannten Mädchens zu lösen. Jojos Suche drängt; denn die Mauer hat begonnen, sich unkontrolliert weiter auszubreiten.
In der Hälfte der Welt, die sich für die Überlegene hält, herrscht zur gleichen Zeit, ohne dass Jojo und seine Mitbürger davon wissen, ein hoch entwickeltes System der Kontrolle, der Bespitzelung und des Leistungsdrucks. Wer den Anforderungen nicht genügt, wird aus dem System entfernt. Die Vordenker des Systems nennen sich Muralisten. Ihre Muralistik beruht auf der Theorie der Trennung der Welt, die sie bis in banale Dinge wie die Anordnung eines Softdrinks im Glas anwenden. Durch einen Zufall kommt Jojo der Verbindung zwischen den Welten auf die Spur.
Murus ist eine utopische Geschichte, die nach dem Untergang unserer Kultur spielt. Der muralistische Staat weckt Erinnerungen an das geteilte Deutschland, an Mauern, mit denen Staaten Einwanderer abwehren wollen, er weist auf den Graben zwischen Arm und Reich hin. Gemeinsam mit dem schlauen Jojo entdecken und begreifen die Leser die Zusammenhänge. Martina Wildners Handlung fasziniert, indem sie Denkmuster enthüllt und Erinnerungslücken füllt. Murus löst auf verblüffende Weise die Grenze zwischen Jugend- und Erwachsenenliteratur auf. Murus ist ein außergewöhnliches, anspruchsvolles Jugendbuch - nichts für Leser, die Action erwarten.