Nobody works any longer. To be sure, they did. The farmers worked. The midsummer days were the best working time of the year for the farmers, but the farmers are gone. They worked, they built, but they’re gone. Who’s next? * (Seite 1)
Meine gelesene Originalausgabe
164 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Verlag: Steerforth Press, Hannover / New Hampshire, 2008
ISBN-10: 1-58642-139-5
ISBN-13: 978-1-58642-139-7
Deutsche Ausgabe
176 Seiten, gebunden
Originaltitel: Go With Me
Aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren
Verlag: Nagel & Kimche AG Verlag, 02/2016
ISBN-10: 3-312-00687-2
ISBN-13: 978-3-312-00687-8
Zum Inhalt (Quelle: eigene Angabe)
Blackway, der örtliche „oberste“ Kriminelle, hat Lillians Freund aus der Stadt vertrieben und verfolgt nun auch sie. Der Sheriff hilft ihr nicht, sondern rät ihr, ebenfalls zu verschwinden. Lilian sieht jedoch nicht ein, vor dem Verbrecher zu weichen und wendet sich an Whizzer. Der beauftragt Lester und Nate, sich um Blackway zu „kümmern“. Und so macht sich das ungleiche Trio auf den Weg: Lillian, die junge Frau, die nicht der Gewalt weichen will; Lester, der listenreiche, schon etwas gebrechliche Oldtimer und Nate the Great, jung, stark wie ein Bär und furchtlos.
Über den Autor ...
... habe ich nicht viel gefunden, nicht mal bei Randomhouse bzw. bei Steerforth, dem Originalverlag, steht etwas zu seiner Person. Er lebt in Newfane (Vermont) und schreibt vor allem Kurzgeschichten und Essays.
- < Klick > - ein Interview mit dem Autor zum Buch (Achtung Spoiler: im Interview Hinweise auf den Ausgang des Buches!), in englischer Sprache
- < Klick > - die Seite zum Buch bei Steerforth Press, in englischer Sprache
Vorbemerkung
Das Problem mit dieser Rezi beginnt schon damit, daß ich sehr unsicher bin, in welche Rubrik ich das Buch einordnen soll: Belletristik oder Zeitgenössisches. Letztlich habe ich mich für Belletristik entschieden, ohne das näher rational begründen zu können. Vielleicht, weil es sich so gut liest und, auf den ersten Blick, einfach eine gut erzählte Geschichte ist.
„Gun’s only good when it’s the only gun,“ Lester said. **(Seite 82) (:grin)
Meine Meinung
In gewisser Weise ist der Roman darüber zu lernen, daß man ein Schicksal hat, zu lernen, welches das ist, und wie man es mag. (Das Beste daraus macht.) So äußert sich der Autor sinngemäß in dem oben verlinkten Interview zu diesem Buch. Auch nimmt er ausdrücklich Bezug auf Sir Thomas Malorys „King Arthur“. Die Protagonisten hier in „Go With Me“ haben auch einiges vor sich, müssen ihre eigene Queste erfüllen.
Das Buch ist klug angelegt. Zu Beginn weiß man wenig, alles scheint zufällig, niemand scheint irgendeinen Plan zu haben. Außer Lillian. Deren Plan besteht darin, nicht der Gewalt zu weichen. Während die Handlung Fahrt aufnimmt, hat man als Leser keine Ahung, weshalb Blackway hinter Lillian her ist, und kann über den Sheriff nur den Kopf schütteln. Er kann erst etwas tun, wenn etwas geschehen ist. Solange nur jemand vorhat, irgendjemandem etwas anzutun, und solange nicht bewiesen ist, daß er Lillians Auto ramponiert und ihre Katze getötet hat, sowieso nicht. Er empfiehlt Lillian, die Stadt zu verlassen. Die sieht das nicht ein, denn sie hat ja nichts getan. Als einzigen Hinweis erhält sie den Rat, sich an Whizzer zu wenden.
Der sitzt nach einem Unfall seit Jahren im Rollstuhl und verbringt den Tag damit, mit anderen Kumpels in seinem Büro Bier zu trinken und so wichtige Fragen wie die unmögliche Frauenmode dieser Tage zu diskutieren. Und ausgerechnet aus diesem Kreis von alten „Dorfphilosophen“ soll Lillian Hilfe bekommen? Whizzer schickt Les und Nate los, sich um Blackway zu „kümmern“, wobei zu diesem Zeitpunkt und über weite Teile des Buches weder Lillian noch der Leser sich unter dem „Kümmern“ etwas konkretes vorstellen kann, vielleicht auch nicht will.
Es fällt mir schwer, etwas über das Buch zu schreiben, ohne zu viel vom Inhalt preiszugeben. Aber gerade das Nichtkennen des Inhalts macht einen großen Teil des Reizes und des Leseerlebnisses aus. Denn nur nach und nach enthüllen sich die Zusammenhänge, werden Verbindungen sichtbar, wo vorher keine waren, erfahren wir den Grund, weshalb Blackway sauer auf Lillian ist, lernen wir die Protagonisten besser kennen, verstehen und einschätzen, und könnten zu dem Schluß gelangen, daß manches anscheinend Ungeplante gar nicht so ungeplant war.
Der Autor erzählt die Geschichte in zwei Handlungssträngen. Da ist zum einen die Suche des Trios nach Blackway, und zum anderen die verbliebenen „Dorfphilosophen“ in der alten Fabrik. Während sich die drei immer näher an ihr Ziel heranarbeiten, lauschen wir den Gesprächen beim Bier. Und da geht es dann nicht nur um das unsägliche Piercing, sondern so ganz nebenbei erfahren wie etliches der Hintergründe der allgemeinen Situation, lernen die Protagonisten besser kennen und einzuschätzen [sp]und könnten zu der Vermutung kommen, daß der Sheriff doch nicht so unbedarft ist, wie er zunächst den Anschein gab.[/sp] Der Wechsel zwischen dem Trio und den Diskutanten erfolgt natürlich immer dann, wenn es gerade spannend wird. Es kam mir vor, wie ein gut geschnittener Film - und ein Film lief in der Tat in meinem Kopf ab.
Sprachlich fällt es mir nicht leicht, das Buch einzuordnen. In einem Schulaufsatz würde die teilweise lakonische Sprache möglicherweise angestrichen werden, und obwohl die Personen immer wieder etwas „sagten“ und wieder „sagten“, empfand ich die sprachliche Schlichtheit(?) nicht störend oder gar unpassend. Form und Inhalt entsprechen einander so perfekt, so daß ich über weite Strecken das Gefühl hatte, selbst mitten im Geschehen als stiller Beobachter dabei zu sein.
Das Buch spielt in der Jetztzeit (geschrieben 2008), was auch aus einer Anspielung auf 9/11 deutlich wird. Und dennoch hatte ich über weite Strecken das Gefühl, einen - man verstehe mich jetzt nicht falsch - Western zu lesen. Die ganze Konstellation, der staubtrockene Humor, ob dem ich ziemlich oft laut auflachen mußte, wenngleich mir das Lachen ein, zwei Mal auch im Halse stecken blieb, diese anscheinend für die Aufgabe ungeeigneten Typen, die sich zusammentun (müssen), um ihre Queste zu erfüllen, das Gesetz, das erst hilft, wenn physische Gewalt gegen Lillian angewandt wurde, nicht jedoch, um das zu verhindern, und schließlich die Suche nach der Lösung nach dem „Faustrecht“ (denn um was anderes kann es gehen, ein freundliches Gespräch etwa?) - das schreit geradezu nach einem modernen Western.
„Go With Me“ ist ein Buch, das man mehrfach lesen sollte, denn - ohne daß ich das derzeit nach dem ersten Lesedurchgang näher erläutern könnte - hier sind mehrere Ebenen übereinander geschichtet, die sich nicht sofort erschließen. Es gibt die obere Ebene der reinen Handlung, und dann gibt es die tieferen, etwa das Nachsinnen über Recht und Gesetz oder über den Wandel der Zeiten. Mag die Handlung typisch amerikanisch sein, die letztgenannten Dinge sind mE allgemeingültig und bieten genügend Anregung zum Nachdenken.
Kurzfassung:
Ein ungleiches Trio macht sich auf den Weg, einen den Lokalen „Gangsterboß“ zur Strecke zu bringen, derweil die Zurückgebliebenen über die Zeitläufte philosophieren. „Ein Juwel“ wurde der Roman in Kritiken oft genannt, dieser Einschätzung kann ich mich nur aus vollem Herzen anschließen.
Sinngemäße Übersetzungen:
* = Niemand arbeitet mehr. Ganz sicher, sie arbeiteten. Die Farmer arbeiteten. Die Mittsommerzeit war die beste Arbeitszeit im Jahr für die Farmer, doch die Farmer sind verschwunden. Sie arbeiteten, sie bauten, doch sie sind verschwunden. Wer ist der nächste?
** = "Ein Gewehr ist nur gut, wenn es das einzige Gewehr ist,“ sagte Lester.
Edit hat die Angaben der deutschen Ausgabe eingesetzt. Gelesen habe ich jedoch die amerikanische Originalausgabe (siehe Post weiter unten).
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