Hier kann zu den Seiten 001 – 075 = Prolog bis einschließlich Kapitel "Republikflucht" (1980) geschrieben werden.
'Sommerhit' - Seiten 001 - 075
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So, mit dem ersten Teil bin ich jetzt durch (ich gebe zu, dass ich schon ein bisschen vor 12 angefangen habe). Gut, dass ich das jetzt erst mal eine Nacht sacken lassen kann. Da ich erst 1983 geboren bin, habe ich die DDR-Erinnerungen eigentlich fast nur aus dem Geschichtsunterricht, Büchern, Erzählungen und Dokus bzw. Filmen. Mir fehlen leider die eigenen Erfahrungen mit DDR-Bürgern zu DDR-Zeiten.
Es gibt ein paar Sachen, über die ich nie nachgedacht habe, die aber sicherlich stimmen. Zuerst mal die Tatsache, dass Ost bzw. West als Synonyme für Gut und Böse verwendet wurden/werden. Das ist ja heute tatsächlich auch noch häufig so. Vielleicht nicht mehr so krass, aber dennoch vorhanden. Es gab auch noch ein paar andere Sachen, die damit einhergehen, die ich selten wirklich bedacht habe.
Als ich den Prolog gelesen habe, musste ich erst mal gucken, ob die Sätze so lang bleiben… Die haben mich teilweise fast ein bisschen überfordert ;-). Außerdem kann ich als absoluter iPhone-Junkie nicht verstehen, wie sich jemand für derlei Technik nicht begeistern kann. Ich glaube, ich könnte ohne gar nicht mehr leben (zumindest hätte ich das Gefühl von Lebensqualitätsverlust). Auf S. 8 sagt Falk, dass er auch ohne Handy noch nie etwas Wichtiges verpasst hat. Das mag vielleicht stimmen, aber vielleicht hat er das dann auch einfach nur nicht mitbekommen. Den meisten Menschen geht es doch auch wohl eher um das Gefühl, dass sie etwas (völlig hypothetisch) verpassen könnten. Oder darum, dass jemand (ganz Wichtiges) versuchen könnte, sie zu erreichen und sie waren grade da nicht erreichbar oder so. Wenn ich es mir recht überlege, dann ist das wahrscheinlich auch schon so eine Art Zwang, den ich mir mit Sicherheit auch eingefangen habe… Auch darüber werde ich noch mal nachdenken müssen ;-).
Eine andere Sache, die ich äußerst krass finde: Die haben echt die Tochter alleine zurückgelassen? Ich mein, ich weiß ja nicht, was jetzt noch kommt, aber momentan stellt sich das ja so dar, dass die Familie die Tochter tatsächlich an der Grenze zurückgelassen hat. Das arme Mädel. Ich weiß gar nicht, was ich dazu genau sagen soll. War der Drang aus der DDR zu fliehen so groß, dass sie das ohne Rücksicht auf Verluste – in dem Fall eben die Tochter – durchgezogen haben? Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Ich würde doch nie wieder ein Wort mit meiner Familie sprechen. Warum haben sie das Unternehmen da nicht sofort abgebrochen? Gab es einen Plan B, zu dem wir noch kommen werden? Selbst wenn jetzt nur Mutter und Sohn fliehen – ich gehe davon aus, dass der Vater auch in der DDR geblieben ist -, ist doch klar, dass Vater und Tochter dann nicht einfach irgendwann nachkommen können. War es das wirklich wert, die Familie auseinanderzureißen. Ich kann das natürlich nicht nachvollziehen, da ich im Westen aufgewachsen bin, aber ich glaube nicht, dass ich meiner Familie so was je verzeihen könnte. Na, ja. Erst mal abwarten, was dazu noch geschrieben wird.
An der einen oder anderen Stelle habe ich mich übrigens gefühlt wie Falk im Urlaub. Zwischendurch musste ich doch tatsächlich erst mal ein paar Wörter nachschlagen: hinausexpediert (gut, das konnte ich noch fast ableiten), olfaktorisch und defilieren z. B. waren wir alles andere als geläufig. Oder war das Absicht? Oder kannten das alle anderen? Na, man lernt ja immer dazu, richtig?!
Super fand ich die Entdeckung der Walkmen ;-). Die Zeit war so toll. Ich habe meine diversen (also nacheinander) Modelle so geliebt. Die Kassetten wurden so lange gehört, bis es nur noch Bandsalat gab. Heute möchte ich zwar auch nicht mehr auf meinen iPod verzichten, aber der Walkman war schon was Schönes. Ich habe sogar noch einen voll funktionsfähigen im Schrank. Ich kann mich einfach nicht davon trennen. Auch die Erwähnungen anderer Sachen wie Lux, Tosca oder Bravo rufen ja doch Kindheitserinnerungen hervor. Ich mag das.
Zur Hauptperson an sich kann ich noch gar nicht so wahnsinnig viel sagen. Ich bin irgendwie noch völlig unentschieden, ob ich ihn nun mag oder eher ein bisschen seltsam finde. Wie gesagt, seine Einstellungen decken sich in vielerlei Hinsicht so gar nicht mit meinen. Aber als kleiner Junge tut er einem schon irgendwie ein bisschen leid. Man empfindet so was wie Mitleid, weil er so vieles noch nicht kennt. Er wirkt so oft ein bisschen unbeholfen, dass man ihn schon gezwungenermaßen mögen muss. Ich lass mir mit der endgültigen Beurteilung einfach noch ein bisschen Zeit.
Traubisoda hört sich übrigens mega lecker an. Das muss ich auch dringend mal probieren.
Jetzt werde ich mal den zweiten Teil anfangen…
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Zitat
Original von Groupie
Außerdem kann ich als absoluter iPhone-Junkie nicht verstehen, wie sich jemand für derlei Technik nicht begeistern kann. Ich glaube, ich könnte ohne gar nicht mehr leben (zumindest hätte ich das Gefühl von Lebensqualitätsverlust). Auf S. 8 sagt Falk, dass er auch ohne Handy noch nie etwas Wichtiges verpasst hat. Das mag vielleicht stimmen, aber vielleicht hat er das dann auch einfach nur nicht mitbekommen.Wir hatten früher auch keine Handys oder i-Phone's. Trotzdem hatte ich nie das Gefühl etwas verpasst zu haben. Man konnte sich auch ohne diese Dinger wunderbar verabreden - vor allen Dingen hielt man getroffene Verabredungen ein und sagte nicht zwei Minuten vorher mit einer SMS ab.
Ich gehe sogar soweit zusagen, dass diese technischen Dinge die Lebensqualität einschränken, wobei natürlich jede/jeder für sich definieren muss, was denn Lebensqualität jeweils bedeutet.
Ein Handy habe ich auch - habe es aber eigentlich nie eingeschaltet. Trotzdem behaupte ich, nie etwas wirklich Wichtiges verpasst zu haben. Denn wenn etwas wirklich wichtig ist, dann hätte man mich auch auf andere Art und Weise kontaktieren können.
Entscheidend ist doch, dass man sich den Blick für das Wesentlich bewahrt - ob nun mit oder ohne Handy/iPhone.
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Zitat
Original von Voltaire
Wir hatten früher auch keine Handys oder i-Phone's. Trotzdem hatte ich nie das Gefühl etwas verpasst zu haben. Man konnte sich auch ohne diese Dinger wunderbar verabreden - vor allen Dingen hielt man getroffene Verabredungen ein und sagte nicht zwei Minuten vorher mit einer SMS ab.
Du darfst dabei vielleicht nicht vergessen, dass ich das Leben ohne ja so gut wie nicht kannte. Für mich ist das völlig normal. Mein Vater erzählt auch immer wieder, dass er mit dem Plumpsko in seiner Kindheit gut leben konnte und ich viel zu pingelig bin. Ich denke, dass ist eine Sache der Gewöhnung. Wenn man so aufwächst/etwas erst mal nicht anders kennt, vermisst man auch nichts.Aber dass Menschen Verabredungen nicht einhalten, das liegt dann doch wohl eher an den Menschen als an den Handys.
ZitatIch gehe sogar soweit zusagen, dass diese technischen Dinge die Lebensqualität einschränken, wobei natürlich jede/jeder für sich definieren muss, was denn Lebensqualität jeweils bedeutet.
Natürlich kann ich auch hier absolut nur für mich sprechen. Für mich ist das Leben aber viel, viel einfacher geworden. Ich habe überhaupt keinen Orientierungssinn, nie gehabt. Ich komme aber mittlerweile ohne Stress und Hektik an meine Ziele. Gleiches gilt fürs Bahnfahren. Ich kann meine Route ohne Probleme auf dem Weg abrufen, kann sie spontan ändern oder bei Bedarf nachsehen, ob mich nachts noch ein Zug nach Hause bringt. Ich kann morgens im Zug die Nachrichten lesen, ohne dass es Ärger gibt, weil ich meinen Eltern die Zeitung geklaut habe. Ich muss meinem CD-Dealer Lieder nicht mehr vorsummen, wenn ich zwar eine Melodie, aber weder Titel noch Interpreten kenne. Selbst Überweisungen kann ich mittlerweile direkt an Ort und Stelle erledigen. Beim Shoppen kann ich kurz nachgucken, ob mein Geld schon da ist. Wenn ich tatsächlich mal einen BuLi-Spieltag nicht sehen kann, dann hält mich doch zumindest (und das wirklich fast überall) mein Live-Ticker immer auf dem Laufenden. Und ganz viele Kleinigkeiten mehr. Das ist alles subjektiv, ja. Aber für mich definitiv besser.
ZitatEin Handy habe ich auch - habe es aber eigentlich nie eingeschaltet. Trotzdem behaupte ich, nie etwas wirklich Wichtiges verpasst zu haben. Denn wenn etwas wirklich wichtig ist, dann hätte man mich auch auf andere Art und Weise kontaktieren können.
Entscheidend ist doch, dass man sich den Blick für das Wesentlich bewahrt - ob nun mit oder ohne Handy/iPhone.
Ich kenne ganz viele Leute, die ein Handy haben, es aber nie anschalten. Ich rege mich auch oft genug darüber auf, weil einer dieser Menschen mein Vater ist. Wie oft habe ich ihn dafür schon verflucht? Und noch eine ganz andere Sache: Es ist auch einfach ein Stückchen Sicherheit. Ich fahre oft nachts kilometerweit durch den Wald. Ich fühle mich einfach viel, viel sicherer, seit ich dabei mein Handy griffbereit irgendwo liegen sehe.
Das Einzige, was ich überhaupt nicht leiden kann: Es gibt Menschen, die ihr Mobiltelefon überhaupt nicht weglegen können. Selbst wenn man sich abends trifft, ist das Handy dauernd in der Hand. Das finde ich ein Stück weit einfach unhöflich.
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Hallo, Groupie.
ZitatAußerdem kann ich als absoluter iPhone-Junkie nicht verstehen, wie sich jemand für derlei Technik nicht begeistern kann.
Die Technik selbst mag begeisternd sein oder wirken, aber es geht darum, was sie aus den Menschen macht. Ein iPhone ist fraglos beinahe ein (nicht eben billiges) Wunderwerk, aber das ist ein Leopard II letztlich auch. Die Veränderung der Kommunikation hat unser aller Leben beschleunigt und gleichzeitig die Grenze zwischen wichtigen und belanglosen Informationen fast völlig verwischt - ein Prozess, den man nicht nur gutheißen muss, und Falk tut das eben nicht. Aber darum geht es in diesem Abschnitt nicht so sehr. Es geht um ein/das Motiv des Romans, das hier angedeutet wird, nämlich darum, - häufig sogar völlig gedankenlos - vereinnahmt zu werden. Etwas mitzumachen, nur, weil es alle tun.
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Ja, das ist mir schon klar. Natürlich kenne ich auch die negativen Seiten eines Mobiltelefons. Aber - wie schon gesagt - ich kann mich an die Zeit davor nahezu kaum noch erinnern. Ich weiß nicht mehr so richtig, wie das alles vorher war. Für mich ist das ein Stück weit einfach Normalität und da ich das (langsamere) Leben vorher kaum kannte, vermisse ich es auch nicht. Ich hatte bisher noch nie das Verlangen danach, mein Handy einfach auszuschalten. Vielleicht kommt das ja irgendwann noch.
Mir ist auch klar, dass es dir eher darum ging, die Vereinnahmung bewusst nicht zuzulassen. Ich habe mich nur gefragt, ob das heutzutage so noch möglich ist. Hat ein Künstler in der heutigen Zeit noch die Freiheit zu sagen, dass er nicht erreichbar sein möchte. Ich kann mir das fast nicht vorstellen. Zumindest nicht ohne viel Theater.
Meinst du wirklich, dass es so ist, dass die Menschen beim Handy nur mitmachen, weil es alle machen? Ich bin mir da nicht ganz so sicher.
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Hallo zusammen
Ich muss gestehen: Es brauchte Henndie und Tatsch-Bildschirm und ich fand Falk äußerst sympathisch. Endlich mal jemand mit derselben Handy-Einstellung wie ich: "Nicht nötig". (Wenn ich etwas verpassen sollte: Wunderbar. Weniger, das mich nervt.)
Ich bin zwar auch erst Baujahr 80, aber da wir Familie in der DDR sowie in Westberlin hatten, habe ich einiges wiedererkannt, was ich beinah vergessen hatte. Z.B. den Geruch der Badeanzüge. Die hatten tatsächlich einen ganz eigenen Geruch. So, als würden sie immer zu lange nass in der Tasche liegen bleiben, obwohl das nicht der Fall war. (Ich muss zugeben, dass ich den Geruch irgendwie mochte).
Überhaupt finde ich in dem Buch sehr viele Momente, die mir bekannt vorkommen: Der Campingplatz am Balaton mit den schiefen, halb kaputten Karussels ... Vielleicht sieht ja jeder Campingplatz da gleich aus, aber es hätte glatt der sein können, auf dem wir mal waren.Was gut rüberkam war dieses ungute Gefühl an der Grenze. Ich habe heute noch an jeder Grenze ein komisches Gefühl, dabei bin ich als Kind bestimmt zwanzig Mal hin und her gefahren und wir hatten nie Probleme. DDR-Grenzen verströmten einfach immer etwas enorm Bedrohliches.
Ich konnte gut nachvollziehen, dass die Eltern den Kindern nichts von den Plänen gesagt haben, wobei Falk für mich da auch selten naiv war. Er weiß ja von Republikflüchtlingen, spätestens als die Freunde weinend zurückblieben, hätte ihm durchaus mal eine Idee in die Richtung kommen können. Auch, dass er nicht weiß, was ein Wohnmobil ist oder dass es in Westberlin andere Nummernschilder hat, hab ich Tom nicht abgekauft. Völlig abgeschottet war die DDR ja nun nicht.Es dauerte eine Weile, bis ich Falk als 14jährigen gesehen habe. Bis nach Ungarn war er für mich 8 oder 9. Dagegen schien die Sprache mir manchmal (nur punktuell) zu gehoben. Ich habe mir leider kein Beispiel notiert, aber hin und wieder hatte ich Probleme, einen jugendlichen Falk zu sehen. Da war Tom etwas überpräsent (Die Art der Betonung ist gleich wiederzuerkennen.)
Dass Sonja an der Grenze zurückgelassen wurde, konnte ich gar nicht nachvollziehen. Eltern lassen keine 16-jährigen Mädchen allein in einer solchen Situation. Im Leben nicht. (Außer vielleicht, sie wollten sie eh gerade loswerden, aber den Anschein hatte es nicht.) Warum blieb keiner bei ihr, warum fuhren sie nicht alle gemeinsam zurück, warum begleiteten sie sie wenigstens zum Zug, etc? Zumindest eine Erklärung hätte es gebraucht. Falk fragt auch nicht?
Hier war ich wirklich komplett raus aus dem Buch und dachte: Wenn das so weitergeht ...
Tat es zum Glück nicht. (Wobei ich die Flucht von Falk und seiner Mutter vor dem Hintergrund von Sonjas Verschwinden auch nicht mehr wirklich glaubhaft fand. Welches Motiv hatten sie noch, zu fliehen?)Schön geschildert dann die Zeit am Plattensee. Dieses Flattern zwischen der sich anbahnenden Katastrophe, der Sorge um die Schwester und einer Zeit voller Spaß hat mir gefallen. Man spürt richtig, dass es für längere Zeit Falks letzten schönen Tage sein werden.
Und schon hier findet sich der Bezug zum Cover, das ich zuvor etwas "na ja nett" fand. Jetzt macht es SinnAnsonsten: Ich musste mich bremsen, nicht das ganze Buch vor der Leserunde wegzulesen. Sprachlich gefällt es mir sehr gut, aber das hatte ich erwartet.
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Nur mal so als Gedanke:
Vielleicht liest man dieses Buch ja ein wenig anders, wenn man die DDR bewusst erlebt hat, als zwei deutsche Staaten eben Normalität waren und das Wort Wiedervereinigung eh als Wunschtraum einiger weniger Spinner galt.Es mag auf den ersten Blick vielleicht ein wenig unwahrscheinlich erscheinen, dass die Tochter allein zurückgelassen wurde. Aber das was Tom dort schildert ist eben der Alltag im sozialistischen Ausland gewesen. Ich denke, da hat er nicht übertrieben oder die Phantasie zu sehr von der Leine gelassen. In der Zeit der DDR da lebte man auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs eben auch mit diesen heute so unwahrscheinlich klingenden Sachen - und empfand es nicht als ungewöhnlich. Die Unberechenbarkeit der DDR gehört zum Alltag.
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Zitat
Original von Voltaire
Nur mal so als Gedanke:
Vielleicht liest man dieses Buch ja ein wenig anders, wenn man die DDR bewusst erlebt hat, als zwei deutsche Staaten eben Normalität waren und das Wort Wiedervereinigung eh als Wunschtraum einiger weniger Spinner galt.Ich verstehe, was du meinst, Voltaire, hab auch versucht, mir beim Lesen bewusst zu machen, dass die Situation mit meiner nicht zu vergleichen wäre. Ich hab mir sogar Mühe gegeben, denn mir gefiel das Buch im Ganzen schon viel zu sehr, um "unglaubwürdig" zu nörgeln.
Ist mir aber nicht gelungen.Ich beschäftige mich viel mit unterschiedlichen Kulturen und besonders interessieren mich Gepflogenheiten, die uns hier vollkommen unvorstellbar erscheinen.
Aber als Eltern ein junges Mädchen schutzlos im Kreise "der Feinde" (sie wollten zu der Zeit ja schon fliehen) zurückzulassen, erscheint mir unvorstellbar (und zwar an alle Kulturen gedacht, die ich kenne).
Eine Erklärung oder bessere Motivation hätte mich das vermutlich akzeptieren lassen, aber so, wie es dargestellt wird (Motive verschwiegen), wirkt das auf mich unglaubwürdig und hat - leider - meinen Lesefluss empfindlich gestört.
Vielleicht auch, weil ich ein paar Menschen kenne, die damals geflüchtet sind. Ausnahmslos alle haben in erster Linie für ihre Kinder gekämpft. -
Zitat
Original von Voltaire: Nur mal so als Gedanke: Vielleicht liest man dieses Buch ja ein wenig anders, wenn man die DDR bewusst erlebt hat, als zwei deutsche Staaten eben Normalität waren und das Wort Wiedervereinigung eh als Wunschtraum einiger weniger Spinner galt.
Das ist genau der Punkt, warum ich mich an diesen Roman nicht heranwage.
Es könnten zu viele Erinnerungen wach werden.Ich verschwinde jetzt auch, da ich nicht mitlese und die Runde nicht sprengen möchte.
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Hallo, Mulle.
Ich habe einige Gespräche mit ehemaligen DDR-Bürgern (und übrigens auch mit Historikern) geführt, einer meiner Testleser und meine Frau kommen auch aus dem "Osten". Gerade die Schilderung des Lebens in der DDR musste natürlich glaubhaft sein, wenn ein Westler über Ostler schreibt. Und bisher hat mir niemand erklärt, dass das unglaubwürdig sei - ganz im Gegenteil. Es gab tatsächlich Gegenden, in denen man nur selten bis fast überhaupt nicht mit Westlern (und West-Kennzeichen und etwa Wohnmobilen) konfrontiert war, und Falk stammt auch noch aus dem "Tal der Ahnungslosen", wo es kein Westfernsehen gab.
Zu der Frage, ob die Familie "einfach so" die Tochter zurücklassen würde, gibt es später im Buch noch einiges, so dass ich mir jetzt Anmerkungen hierzu erspare.
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Zitat
Original von Mulle
Hallo zusammenIch muss gestehen: Es brauchte Henndie und Tatsch-Bildschirm und ich fand Falk äußerst sympathisch. Endlich mal jemand mit derselben Handy-Einstellung wie ich: "Nicht nötig". (Wenn ich etwas verpassen sollte: Wunderbar. Weniger, das mich nervt.)
Ich habe es aus Zeitgründen noch nicht über den Prolog hinaus geschafft, ABER genauso ging es mir auch und genauso handhabe ich es auch mit Henndies und Tatsch-Bildschirm: ich hab sowas nicht und will es auch nicht haben! Ich hab mich köstlich über Falks Gedankenwelt im Prolog - nicht nur aber vor allem rund ums Henndie - amüsiert und ich mag ihn jetzt schon.
Obwohl man im Prolog schon herauslesen konnte, daß es nicht nur beim Amüsieren bleiben wird. Ich bin sehr gespannt wie es weitergeht.Ich habe auch eure Beträge nur soweit gelesen, insofern sie mit dem Prolog zu tun haben, denn ich möchte noch ein bißchen überrascht werden. Alles weitere später.
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Ich bin 1981 geboren und in einem Teil Deutschlands aufgewachsen, der geograhisch ziemlich weit von der DDR weglag und ich hatte auch keine ostdeutsche Verwandtschaft. Ich glaube, dass erste Mal habe ich die Existenz der DDR bewusst wahrgenommen, als die Mauer gefallen ist.
Letzte Woche lief im Fernsehen (ich glaube Galileo?) ein Bericht in dem Ost-und West-Campingausrüstung verglichen wurden. Das passt ganz gut, da ich mir jetzt ein gutes Bild machen kann.
Falk ist mir ziemlich sympathisch. Leider habe ich das Gefühl, dass er im Westen noch ziemlich leiden wird.
Ich kann mir vorstellen, dass es in der DDR recht gängig war, einzelne Familienmitglieder von einer Auslandsreise auszuschliessen. Da dies sicherlich viele von einer Flucht abgehalten hat. Ich bin auch schockiert darüber, dass sich die Familie getrennt hat. Damals war das ja wirklich ein Abschied für immer. -
Was mir zu Beginn, aber auch im weiteren Verlauf der Geschichte, sehr gut gefallen hat war, dass da zwar sehr viel in die Handlung hineingelegt wurde, aber man niemals das Gefühl hatte, die Handlung würde überlastet. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht immer einfach ist, hier das richtige Maß und die richtige Gewichtung zu finden.
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Hallo,
ich bin sehr schnell in den Roman reingekommen. Vermutlich liegt das z.T. daran, dass ich selber aus dem Osten bin, 1980 war ich 17 und mein erstes Gehalt (1984 - 669 Ostmark) hat allein nicht gereicht für den Sony-Walkman, der dann auch in der DDR verkauft wurde und, wenn ich mich recht erinnere, 850 Ostmark gekostet hat. Es war eine Hörrevolution...
Wie gut mir die Schilderung aus Sicht des "Ostlers" gefallen hat, kann man auch danach beurteilen, dass ich der festen Überzeugung war, das Tom Liehr auch aus dem Osten kommt, was ich ja nun gerade nach dem Lesen seines Posts revidieren musste.
Bezüglich des Zurücklassens von Sonja kann ich die zwiespältigen Kommentare von Euch sehr gut verstehen. Allerdings kenne ich in meinem allernächsten Umfeld auch den Fall, dass die Eltern über Jugoslawien geflohen sind und ihre Kinder (eins davon minderjährig) in der DDR ließen, um sie später nachzuholen, was zum Glück auch gelang. Ich persönlich kann mir allerdings auch nicht vorstellen, dass ich mich in so einem Fall von meiner Tochter getrennt hätte. Zumal - und das vielleicht ein bisschen als Kritikpunkt - man nicht wirklich erkennen konnte, was Falks Eltern, besonders der Vater, nun tatsächlich bewogen hat, diese folgenschwere Entscheidung zu treffen und das dann auch durchzuziehen.
So viel als ersten Eindruck von mir.
LG,
Babs -
Unglaublich, ich bin mit dem Buch schon durch! Also hoffe ich, dass ich hier nichts verrate...
Da erzählen die Eltern den Kids extra nichts von ihren Fluchtplänen, damit diese sich nicht in der Schule/bei Freunden/sonstwo verquatschen können, und dann machen sie ihre ganzen Vorbereitungen so auffällig, dass Herr Leder alles mitbekommen muss. Insofern war es ganz verständlich, dass die Tochter nicht über die Grenze gelassen wurde, denn so kann man ja vermutlich die ganze Familie im Land behalten. Ich weiß nicht, ob ich weitergefahren wäre...
Ich bin Jahrgang 1986, in Ostberlin aufgewachsen. Ich gestehe, ich erinnere mich an gar nichts! Ich weiß nur das, was meine Familie mir erzählt hat, ich in Geschichtsbüchern gelesen oder in Museen gesehen habe. Der Kulturschock für Falk (und alle anderen später) muss enorm gewesen sein!
Ich freue mich, dass ich weiß, dass 1989 die Mauer fiel. Familie Lutter allerdings weiß das nicht, sonst hätten sie bestimmt noch die Geduld aufgebracht, 10 Jahre zu warten.Ist solch eine gute Nase eigentlich sehr häufig? Oder sehr selten? Für die Geschichte ist sie zumindest sehr interessant.
Babsbara
Ein paar Mal wird im Buch (später?) angesprochen, warum vor allem der Vater fliehen möchte. Allerdings nicht sehr ausführlich, das hat Tom bestimmt mit Absicht so vage gehalten.? -
Wir wissen nicht, warum sich die Eltern von Falk und Sonja entschlossen haben zu fliehen. Aber es mussten ernste Gründe gewesen sein, sonst nimmt man ein solches Risiko doch nicht auf sich. Wenn ich dann an der Grenze stehe und plötzlich halten die Grenzer ein Familienmitglied zurück (Es hätte ja zum Beispiel auch die Mutter sein können, wäre das weniger schlimm für die anderen gewesen?) und daraufhin bleibt die restliche Familie auch in der DDR, dann hätten sie sich ja gleich auf die Stirn tätowieren lassen können: "Wir wollten flüchten." Das hätte ihre Lebenssituation in der DDR bestimmt weiter verschlechert. Gehe ich Recht in der Annahme, dass nicht alle ostdeutschen Ungarnurlauber flüchten wollten? Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass sie von der Situation anscheinend überrascht und überfordert waren, verstehe ich schon, dass sie trotzdem weiter gefahren sind. In den darauffolgenden Urlaubstagen konnten sie sich dann darüber klarwerden, ob sie trotzdem flüchten, oder ob sie nach dem Urlaub zurückkehren. Und das haben sie dann ja auch getan. Klaus-Dieter hat sich dann sozusagen geopfert, um wenigstens seine Frau und seinen Sohn aus dem Einflussbereich der DDR zu bringen und seiner Tochter beistehen zu können. Sehr mutig und sehr traurig.
Tatschbildschirm, Henndie... deutsche Schreibweise für englische Begriffe, als kleiner Protest gegen den um sich greifenden Anglizismus? Warum lese in dem Buch dann Walkmen (Wohkmen), Tom? Die waren der Anfang vom Ende Ich für meinen Teil bin froh, dass diese Monsterdinger vom handlicheren Teilen abgelöst wurden. Was ich gar nicht brauche sind Eifons. Mit diesen Dingern kommt ja gar keine Langweile mehr auf und die Gedanken schweifen überhaupt nicht mehr, sondern werden durch Dauerberieselung lahmgelegt. Adieu Kreativität.
Das Falki ein sehr naiver weltfremder junger Mann war, macht auch die Begegnung mit Manfred und Susanne aus Ingolstadt am ungarischen Campingplatz deutlich, als die beiden ihre Hilfe anbieten: "Können wir euch helfen?, fragte der Mann. Euch? Ich starrte ihn an. Westler und DDR-Bürger duzten sich? War das erlaubt? Konnte man das einfach tun?"
Damit, das Falki so ein olfaktorisches Wunderkind ist, habe ich so meine Probleme. Gibt es das wirklich? Die vielen Bemerkungen wie dies und jenes riecht, haben mich manchmal stutzig werden lassen, wenn es gar so gewollt daherkam.
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Zitat
Original von Suzann
Damit, das Falki so ein olfaktorisches Wunderkind ist, habe ich so meine Probleme. Gibt es das wirklich? Die vielen Bemerkungen wie dies und jenes riecht, haben mich manchmal stutzig werden lassen, wenn es gar so gewollt daherkam.
Diese Beschreibungen haben das Buch für mich zu einem 2D-Erlebnis gemacht
Mir haben sie sehr gefallen, weil die Reise durch die Zeit so zu einem sehr sinnlichen Erlebnis wurde.
Ich denke schon, dass es den absoluten Geruchssinn gibt. Vermutlich sehr selten, aber durchaus möglich.
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Zitat
Original von Voltaire
Nur mal so als Gedanke:
Vielleicht liest man dieses Buch ja ein wenig anders, wenn man die DDR bewusst erlebt hat, als zwei deutsche Staaten eben Normalität waren und das Wort Wiedervereinigung eh als Wunschtraum einiger weniger Spinner galt.Es mag auf den ersten Blick vielleicht ein wenig unwahrscheinlich erscheinen, dass die Tochter allein zurückgelassen wurde. Aber das was Tom dort schildert ist eben der Alltag im sozialistischen Ausland gewesen. Ich denke, da hat er nicht übertrieben oder die Phantasie zu sehr von der Leine gelassen.
Ich war im Teeniealter, als die Mauer fiehl, aber ich kann nicht sagen, daß ich die DDR bewußt erlebt hätte. Natürlich wußte man um den ,,2. deutschen Staat'', und daß dort für Bananen angestanden werden mußte. Aber wie sehr anders das Leben dort war, habe ich mir erst im Nachhinein erzählen lassen. Und nach diesen ersten Kapiteln habe ich es einmal mehr gemerkt.
Als die Familie Sonja zurückgelassen hat, dachte ich, sie wäre sowas wie eine Garantie, damit die Eltern nicht auf dumme Fluchtgedanken kommen. Mich hat nur irritiert, daß sie trotzdem ihren Urlaub genießen wollen. Natürlich scheinen sie beunruhigt und bemühen sich dabei, Falk in Sicherheit zu wiegen. Aber im Großen und Ganzen scheinen sie mir recht locker mit dem Wissen, daß sie ihre Tochter womöglich verloren haben könnten wenn sie flüchten.
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Ich bin ja nun schon ein paar Tage älter und kann mich gut an die Zeit erinnern, als es die DDR noch gab. Zur Wiedervereinigung war ich 24. Ich bin zwar in Bayern aufgewachsen, aber ganz knapp, es fehlten nur wenige Kilometer zur DDR, viele Verwandte leben in Sachsen und Thüringen und ich habe die DDR auch einige Male besucht.
Mir kamen ganz viele Dinge bekannt vor. Mehr als einmal bekam ich eine Gänsehaut, weil ich mich an Sachen erinnerte, die schon so lange zurück liegen. Z. B. dass gewisse Nachbarn hinauskomplimentiert wurden, wenn „die West-Nichte“ (also ich) zu Besuch war. Die Angst vor der Willkür der Behörden in der DDR – und auch der Grenzkontrollen, die auch für West-Bürger nicht ganz ohne waren. Wie unterschiedlich Ost- und Westdeutsche im Bulgarienurlaub in den 80ern behandelt wurden. Tom, da triffst Du genau die Atmosphäre, die damals geherrscht hat.
Zum Thema „ahnungsloser“ Falk, was Wohnmobile und Westkennzeichen angeht: Ich habe Anfang der 80er meine Verwandeten in Dresden besucht und hörte mit, wie meine kleine Cousine ihrer Mutter zuraunte, dass ich für eine Ausländerin aber gut deutsch sprechen würde. Die Cousine wusste mit ihren vielleicht 11 Jahren nicht, dass es „noch ein Deutschland“ gibt, in dem ihre Muttersprache auch gesprochen wird. Da empfinde ich jede Wissenslücke als möglich und realistisch.
Dass die Familie bei der Ausreise nach Ungarn getrennt wurde, halte ich auch für ein taktisches Manöver, um sicherzustellen, dass die Familie nach dem Urlaub wieder zurück kommt. Allerdings war es auch möglich, dass ein Familienmitglied flüchtete und dann den Rest der Familie nachholen konnte. Man hat die Leute dann irgendwann doch ausreisen lassen. Diese Hoffnung macht sich die Familie Lutter vielleicht.
Warum die Tochter aber bei den Verwandeten nicht aufgetaucht ist, wundert mich schon. Hält man sie fest? Vielleicht gar im Gefängnis?Der erwachsene Falk aus dem Prolog kommt mir ein bisschen zynisch vor, wie er sich z. B. über sein Publikum (saufende Geronten :lache) äussert. Dieser Abschnitt ist aber zu kurz für mich, um mir da wirklich ein Bild zu machen. Der Teenager Falk ist mir sympathisch, ein bisschen naiv vielleicht, aber aufgeschlossen.