„What do you think?“ Dewey asked after a while.
„She’s plenty change’. Lotsa thing all change.“
„For worse or for the better?“
„Both,“ Walks Far said. * (Seite 314)
342 Seiten, 1 Landkarte auf dem Vorsatz, gebunden
Verlag: The Dial Press, New York, 1976
ISBN-10: 0-8037-9365-0
ISBN-13: 978-0-8037-9365-1
ASIN/ISBN: 0803793650 |
Zum Inhalt (Quelle: eigene Angabe)
Eingebettet in eine Rahmenhandlung im Jahre 1946 beginnt Walks Far ihrem Enkel und dessen zukünftiger Frau zu erzählen. Von einer Zeit vor zweiundsiebzig Sommern, als sie selbst ein junges Mädchen von achtzehn Jahren war. Von ihrem langen Marsch zu den Sioux. Vom Leben in den Tipis. Vom Sonnentanz. Von der Schlacht am Little Big Horn, die sie als einzige Blackfoot erlebt hat. Und vom Untergang des freien Lebens der Sioux in der Prärie.
Basierend auf den realen Erinnerungen zweier alter Indianerinnen entwirft der Autor das lebendige Bild einer für immer verlorenen Welt, ausschließlich aus Sicht der Native Americans.
Über den Autor (Quelle: Verlagsangabe im Buch)
Viel konnte ich nicht finden. Colin Stuart wuchs in Montana auf, ist ein emeritierter Geschichtsprofessor und lebt in Oregon. Er hat anscheinend nur zwei Bücher geschrieben, dieses hier und „Shoot an Arrow to Stop the Wind“. Da diese Angaben von 1976 sind, könnte es sein, er zwischenzeitlich verstorben ist.
Meine Meinung
Der Koyote spielt in den Mythen vieler Indianderstämme eine, teils, bedeutende Rolle. Und so ist es nicht verwunderlich, daß wir ihm auch hier relativ zu Beginn schon begegnen. Dem Kojoten, der Walks Far, als sie kurz vor dem Verhungern und Verdursten ist, weissagt, daß sie überleben wird und ihr sagt, wohin sie sich wenden muß. Der Kojote, der ihr immer wieder beratend, helfend, warnend erscheint, wenn es die Situation erfordert.
Es ist ein eher ruhiges Buch; trotz der teilweise lauten, bisweilen schlimmen Dinge, die passieren, empfand ich es dennoch eher als „leise", vor allem auch wegen des unaufgeregten Schreibstils. Walks Far erzählt, doch es ist nicht in Ich-Form geschrieben. Ein Erzähler berichtet praktisch in ihrem Namen. Wir erfahren viel über indianisches Leben bei den Sioux, teilweise auch die Unterschiede zu den Blackfoot. Beispiel Verwandtschaftsverhältnisse: Schwiegermütter und Schwiegersöhne durften nicht direkt miteinander reden. Oder die Büffeljagd, wann es am besten war, je nach dem, ob man beispielsweise Fleisch oder Felle brauchte.
Ich entsinne mich, vor Jahren „Der Mann, den sie Pferd nannten“ gesehen zu haben. Wer den Film kennt, erinnert sich vielleicht an die „Mutprobe“, die Richard Harris zu bestehen hatte. Das ist gar nichts im Vergleich zur Beschreibung des Sonnentanzes der Sioux, wie wir sie hier in diesem Buch finden. Da sollte man sich wirklich ein starkes Nervenkostüm anziehen, bevor man diese Schilderungen liest, und auch eher einen leeren Magen haben. Es ist wirklich heftig.
Die Schlacht am Little Bighorn wird hier aus Sicht einer Indianerin beschrieben, deren Mann daran teilnahm. Da liest sich manches ganz anders, als man es gewohnt ist. Eher alltäglich denn heroisierend, und darum vermutlich näher an der Wahrheit als so mancher „genaue“ Western.
Überhaupt hebt sich das Buch von vielen Western ab, indem es das Leben der Indianer teilweise ungewohnt und völlig aus Sicht derselben schildert. Gerade dadurch gewinnt es für mich an Glaubwürdigkeit, entsteht so eine in sich geschlossene und sinnvolle Welt, die sich von der unseren (der der Weißen) teilweise grundlegend unterscheidet und, indem ausschließlich aus Sicht der Indianer mit deren Weltverständnis beschrieben wird, lernt man, die Welt aus deren Sicht, mit deren Augen zu sehen. Je mehr sich die Lebensweise der Indianer entfaltet, um so deutlicher wird der Blick auf das Verbrechen, das es war (und ist), ihnen unsere (weiße) Lebensweise mit Gewalt aufzuzwingen. Und wo das nicht klappte, mit Völkermord zu reagieren.
Die eigentliche Geschichte ist in eine Rahmenhandlung eingebettet. Walks Far ist alt geworden, sie zählt über neunzig Winter. Ihrem Enkel Dewey und seiner Freundin Janet, deren Vorfahren mit Walks Far schicksalhaft verbunden sind, berichtet sie aus ihrer Jugendzeit, beginnend mit ihrem achtzehnten Lebensjahr. Und obwohl viel passiert, ist es eher kein reißerischer, sondern eher ein beschreibender Erzählstil. Immer wieder kommt in einem Einschub eine Erklärung, etwa daß sich die Soldaten nicht wegen einer verlorenen Schlacht zurückzogen, sondern weil in Folge der Rezession von 1873 die Finanziers der Eisenbahn kein Geld mehr hatten und eine Pause im Bau eingelegt werden mußte. Wer also einen Abenteuerthriller oder gar einen „Hollywoodschinken in Buchform“ erwartet, der wird nicht auf seine Kosten kommen. Wer aber vom freien Leben in der Prärie und vom Untergang der traditionellen Lebensweise der Sioux aus deren eigener Sicht lesen möchte - der wird hier fündig. Man hat über weite Strecken das Gefühl, in einem Tipi zu sitzen und den Erzählungen einer alten Indianerin aus ihrer Jugend zu lauschen. Der Autor hat Form und Inhalt hervorragend in Einklang gebracht.
Vom Buch gibt es keine deutsche Ausgabe, selten empfand ich die Mühe auf Englisch zu lesen jedoch so lohnend wie hier, denn Colin Stuart läßt mich erstmals die Welt rein aus Sichtweise und durch die Augen der Blackfoot und Sioux sehen. Unweigerlich wird dadurch die eigene Lebensweise infrage gestellt, ist man gezwungen, sich mit dem Absolutheitsanspruch des „Weges der Weißen“ auseinanderzusetzen.
Wie erwähnt, die Beschreibung des Sonnentanzes (oder auch der Schlacht am Little Bighorn) waren nicht ohne. Aber richtig schlimm wurde das Buch für mich auf den letzten dreißig, vierzig Seiten. Als die traditionelle Welt der Indianer, begleitet immer wieder vom Vertragsbruch der Weißen, in nüchternen Worten erzählt, unterging und es nur noch totale Aufgabe oder Hunger und Elend, und oft genug beides, gab. Bewegend, wenn man auf den letzten Seiten nochmals den, soweit noch am Leben, alt gewordenen Figuren begegnet, die man in ihrer Jugend erlebt hat. Da habe ich doch ein paar mal schwer schlucken müssen und heimlich die eine oder andere Träne abgewischt. Das einzig sichere war, daß Walks Far überleben würde, sonst hätte sie ihre Geschichte nicht erzählen können.
Eine Geschichte, die eine lange Zeit, über sieben Jahrzehnte, umfaßt. Beginnend in der letzte Blüte des freien Lebens in der Prärie, endend mit der Erinnerung an eine für immer untergegangene Welt und vernichtete Lebensart. Nur einer ist ihr über all die Jahre durch die Zeiten hindurch bis zum Ende treu geblieben. On her last morning she went outdoors saying something about a coyote. **(Seite 342)
Kurzfassung:
Eine beeindruckende Darstellung der letzten Jahre des freien Lebens der Plains Indianer vor und nach der Schlacht am Little Bighorn. Eines der besten Bücher, das ich über das Leben der Native Americans gelesen habe.
Sinngemäße Übersetzungen (aus dem Kontext heraus):
* = „Was denkst du?“ fragte Dewey nach einer Weile.
„Es hat sich viel geändert. Viele Dinge ändern sich.“
„Zum Besseren oder zum Schlechteren?“
„Zu beidem,“ sagte Walks Far.
** = An ihrem letzten Morgen ging sie nach draußen und sagte etwas über einen Koyoten. - Anm.: Der letzte Satz des Buches, eigentlich nur verständlich, wenn man dem Koyoten wieder und wieder an wesentlichen Stellen im Leben von Walks Far begegnet ist. Aber gerade deshalb so zentral.
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