Inside Job - Charles Ferguson

  • Kurzbeschreibung
    In seinem Film "Inside Job" beleuchtet Oscar-Gewinner Charles Ferguson (No End In Sight) die Hintergründe der globalen Finanzkrise, deren Folgen immer noch nicht ausgestanden sind. 20 Billionen US-Dollar wurden vernichtet und Millionen von Menschen verloren ihre Arbeitsplätze und auch ihr Heim, doch niemand scheint wirklich verantwortlich zu sein. In seinem Film verfolgt Ferguson den Aufstieg verantwortungsloser Finanzjongleure und untersucht das korrupte Geflecht aus Banken, Politik, Behörden und Wissenschaft. Sprecher der Original-Fassung ist Matt Damon. Die DVD wird mit deutschen Untertiteln angeboten und erhielt 2011 in der Kategorie "Beste Dokumentation" einen Oscar.


    Biographie von Charles Ferguson auf Wiki, seine Dokumentation No End in Sight (2007) über die Invasion in den Irak kann ich auch sehr empfehlen.



    Zitate
    "To think you can create something out of nothing is hard to resist."


    "You helped to blow the world up."
    "Yes, you can say that."


    "Why should a financial engineer earn a 100 times as much as a real engineer, a real engineer builds bridges, a financial engineer builds dreams und if those dreams turn into nightmares, other people have to pay."


    Rezension
    In fünf Kapiteln zeigt Charles Ferguson in seinem Film "Inside Job" die Ursachen der Finanzkrise von 2008, die ihren Beginn an der Wall Street in den USA nahm und die eine globale Weltwirtschaftskrise auslöste. Maßgeblich dafür verantwortlich ist die Deregulierung des US Finanzmarktes.


    In einem "Vorwort" erfahren wir über die Entwicklung von Island von einem Land mit stabiler Wirtschaft und sozialer Absicherung und Gesundheitsversorgung für alle Bürger, zum Crash von dem jeder Isländer betroffen ist und der eine Vervielfachung der Staatsverschuldung zur Folge hatte, weil isländische Regierung und Banken auch mal auf dem Finanzmarkt mit den Großen mitspielen wollten.


    I. How We Got Here / Die Entwicklung vom regulierten zum deregulierten Markt


    II. The Bubble / Die Blase


    III. The Crisis / Die Krise


    IV. Accountability / Verantwortlichkeit


    V. Where We Are Now / Die Situation heute oder Nach dem Crash ist vor dem Crash


    Nach der Weltwirtschaftkrise von 1929 wurden Gesetze zur Regulierung des Finanzmarktes erlassen und der Markt war etwa 40 Jahre lang stabil, seit Beginn der Deregulierung durch die Reagan-Regierung Anfang der 1980er Jahre gab es bereits mehrere Finanzkrisen in inzwischen immer kürzeren Abständen und der Crash von 2008 war schon Jahre vorher abzusehen. Wer die Nachrichten regelmäßig verfolgt, wird die Systematik der Immobilienspekulationsblase, die zur Finanzkrise 2008 und der daraus resultierenden Weltwirtschaftskrise geführt hat inzwischen kennen. Für diejenigen, die sich nicht damit auskennen, werden die Ursachen und der Verlauf im Film verständlich erklärt.


    Staatliche Deregulierung in den USA erlaubte in einem ersten Schritt zum Beispiel schon in den 1980ern, dass Investmentbanken mit dem Kapital von "Savings-and Loan-Companies" (Spar- und Darlehenskassen) spekulative Anlagen tätigen konnten, worauf Hunderte in die Pleite rutschten und das Ersparte der Anleger weg war. Die Entwicklung von "Finanzprodukten" wie Derivaten und Swaps (die amerikanischen Begriffe CDO / Collatarized Dept Obligation und CDS / Credit Default Swap werden im Film häufig verwendet) sind für die zunehmende Instabilität des Finanzmarkts maßgeblich.


    Charles Ferguson hat Dutzende von Interviews geführt, woraus der Großteil des Films besteht, Interviews mit Ökonomen, Politikern, Bankern, Lobbyisten, akademischen Wirtschaftswissenschaftlern, Psychologen und Finanzjournalisten und zeigt ein Bild von Gier auf einem inzwischen nicht mehr zu kontrollierenden Markt. Beim Anschauen von "Inside Job" ist zwar gelegentlich ein gewisses Amüsement daraus zu entnehmen, wie einige der verantwortlichen CEOs der großen Investmentbanken vor Untersuchungsausschüssen rumeiern und stottern, aber sie haben ihre dreistelligen Millionenbeträge sicher auf dem Konto, sitzen in ihren 20-Millionen-Villen und wahrscheinlich kratzt sie daher ein bisschen öffentliche Blamage nicht weiter. Bis heute ist niemand der Verantwortlichen des Crashs von 2008 wegen Betrugs oder krimineller Vereinigung zur Verantwortung gezogen worden, niemand musste seine "Erfolgs"-Boni zurückgeben, nachdem er seine Firma in die Pleite gewirtschaftet hatte und die Praxis der Boni-Vergabe zusätzlich zu üppigen Gehältern geht in den USA ohne Einschränkung weiter.


    In der Analyse für der Zukunft bezieht Charles Ferguson klar Position, dass nach dem Crash vor dem Crash ist, es ist nur eine Frage der Zeit. Barack Obama wird in Redeausschnitten gezeigt, in denen er eine Regulierung des Finanzmarktes fordert, vielleicht bin ich naiv, wenn ich ihm tatsächlich glaube, dass er das gerne umsetzen würde, allein ihm fehlt die politische Kraft dazu. Inzwischen sind ehemalige Banker in vielen einflussreichen politischen Positionen, sowohl bei Republikanern als auch Demokraten, ich könnte mir vorstellen, dass im Geschacher um die Durchsetzung von Obamas Gesundheitsreform mögliche Maßnahmen zur Regulierung des Finanzmarktes im Gegenzug gestrichen wurde.


    Eines der "netten Details am Rande", die man aus dem Film erfährt, ist, dass Hank Paulson, bis 2006 CEO von Goldman Sachs, und danach Finanzminister unter George W. Bush, seine Firmenanteile bei Goldman Sachs in Höhe von 485.000.000 US $ (Millionen, nicht Tausend!) verkaufen musste, damit kein Interessenskonflikt besteht. Er hat also vor der Finanzkrise gut verkauft und durch die Steuergesetzgebung von Bush senior musste er vom Verkaufserlös nicht einen Dollar Steuern bezahlen, hat daher nach Angabe aus dem Film mal locker etwa 50 Millionen US $ gespart.
    In Anbetracht des aktuellen Tauziehens zwischen Obama und den Republikanern um die Erhöhung der Schuldengrenze der Staatsverschuldung der USA (wovon ein nicht geringer Teil aus der Finanzkrise und den anschließenden Maßnahmen herrührt) damit die USA Anfang August nicht zahlungsunfähig werden, sollen nach neuesten Zugeständnissen der Demokraten an die Republikaner Steuererhöhungen ausgeschlossen werden, stattdessen soll gespart werden - nach Vorstellung der Republikaner am besten an der Sozialpolitik und den Rentnern. Im Film wird auch thematisiert, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinandergeht, in den USA ist Bildung teuer, und die nächste Generation wird die erste Generation sein, deren Zukunftsaussichten schlechter sind, als die der vorherigen Generation.


    "Inside Job" hat 2011 den Oscar für die beste Dokumentation erhalten, hat es in Deutschland aber trotzdem nicht zu einer Kinoaufführung geschafft, sondern wurde direkt als DVD veröffentlicht. Nach bisheriger Erfahrung mit Wirtschaftsdokumentationen im Fernsehen wird "Inside Job" bei einer künftigen Fernsehausstrahlung wahrscheinlich nach 23.00 Uhr gezeigt, aufgrund des "unmoralischen" Inhalts könnte man das ja gegebenenfalls auch als passend betrachten. "Inside Job" könnte man aber auch in die Kategorie "Horrorfilm" einordnen, auch eine Begründung für einen späten Sendetermin.


    Die Öffentlich-Rechtlichen sollten mal ihren Informations- und Bildungsauftrag wahrnehmen und "Inside Job" zur "besten" Sendezeit ausstrahlen, bis dahin kann ich jedem die DVD empfehlen.



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