Gebundene Ausgabe: 141 Seiten
Verlag: Fischer (S.), Frankfurt; Auflage: 1 (19. April 2011)
Sprache: Deutsch
Kurzbeschreibung
»Mit der Veränderung der Persönlichkeit ändert sich auch die Qualität der Erinnerung.« Diesen Satz zitiert Hans Keilson gleich zu Beginn seiner rückblickenden Erzählung. Es sind Spiegelungen und Splitter, leise und zweifelnde Betrachtungen, die in diesen ebenso bewegenden wie heiteren Erinnerungen aufscheinen.
Die Jugend in Brandenburg, das Studium und das rauschende Leben in Berlin, das Exil in Holland - das sind die äußeren Stationen dieses Lebens. Wirtschaftskrise, Antisemitismus, Krieg, aber auch Freundschaft, Musik und Hoffnung bilden den Rahmen dazu.
Entstanden in den neunziger Jahren, findet Hans Keilson in diesem Buch einen literarischen Ton, der seinem grandiosen und weltweit übersetzten Werk eine weitere Facette hinzufügt.
An Stelle eines Nachworts findet sich am Schluss des Bandes ein ausführliches Gespräch über »hundert Jahre« Lebens- und Schaffenszeit.
Über den Autor
Hans Keilson wurde 1909 in Bad Freienwalde geboren. Sein Roman "Das Leben geht weiter" erschien 1933. Er war der letzte jüdische Autor, der noch im "alten" S. Fischer Verlag debütieren konnte. Hans Keilson verließ 1936 Deutschland und emigrierte in die Niederlande, wo er noch heute lebt und praktiziert. Er hat unter den deutschen Schriftstellern der Gegenwart eine einzigartige Stellung in seinem Hauptberuf als Psychotherapeut und Forscher wie als Lyriker, Romancier und Essayist. Wie kaum ein anderer Autor hat Hans Keilson die seelischen, politischen und kulturellen Folgen der NS-Zeit analysiert und sprachlich vergegenwärtigt; ein literarisches Engagement, das bis heute anhält. In großem Kontrast zu den lauten Wirren des Jahrhunderts stehen die geradezu leisen, manchmal komischen, immer aber zutiefst menschlichen Darstellungen seiner Figuren und ihrer existentiellen und geschichtlichen Erfahrung. Ein großer Dichter in seiner Prosa, ein hellsichtiger Analytiker in seiner Dichtung. Zuletzt wurde er ausgezeichnet mit dem Johann-Heinrich-Merck-Preis, der Moses-Mendelssohn-Medaille, der Humboldt-Medaille und dem WELT-Literaturpreis.
Meine Meinung
"Mit der Veränderung der Persönlichkeit ändert sich auch die Qualität der Erinnerung."
Hans Keilson wurde 1909 in Bad Freienwalde geboren. Als Sohn jüdischer Eltern. In immer zunehmender Geschwindigkeit erlebt er das Ausbreiten des Nationalsozialismus in seiner Heimatstadt. Bis er zur Flucht nach Holland gezwungen ist.
Zitat"Mein Leben und meine Erinnerungen sind verätzt von den Schwaden der Zerstörung. [...] durchtränkt von bitteren Erfahrungen, unersetzlichen Verlusten und Abschieden, freiwilligen und ungewollten, zwei Weltkriegen."
Auf nur 109 Seiten nimmt Keilson den Leser mit in diese beängstigende Zeit. Er liefert beeindruckende Bilder seiner Kindheit. Seines Aufwachsens. Schreibt über sein Interesse an Literatur. Schon mit siebzehn veröffentlicht er einen Aufsatz über Hesses Demian, mit dem er einen Preis gewinnt. Mit den 30 Mark kauft er sich weitere Bücher.
Auch seine Eltern proträtiert er sehr liebevoll. An manchen Stellen fast schon humoristisch, wenn er darüber schreibt, dass seine Mutter die jüdischen Rituale ernsthafter praktizierte, während sein Vater häufig die Gebetsstellen vergessen hat.
All diese Erinnerungen bleiben an vielen Stellen skizzenhaft, kurz angerissen. Doch mit den wenigen Worten und Bildern gelingt es Keilson vieles darüber hinaus noch auszudrücken.
Zitat"Es werden eher Andeutungen, Anspielungen sein; Versuche, neben der äußeren auch die innere Lage des Ortes zu bestimmen, an dem ich mich gerade befand."
Seine Eltern sterben im Konzentrationslager. An einer Stelle findet man den Satz "Ihr Leben wurde gemeinsam in Birkenau beendet". Mehr nicht.
Später - anders als seine Eltern überlebt er den Krieg - arbeitet Keilson als psychoanalytischer Therapeut, der Opfer (vor allem Kinder) des Holocausts betreut. Er arbeitet in seiner therapeutischen Praxis bis er über neunzig Jahre alt ist. Dieses Buch hat er mit 101 veröffentlicht.
Im Anhang gibt es noch ein Gespräch zwischen dem Verleger Heinrich Detering und Hans Keilson, das noch einmal tiefe Einblicke gewährt - vor allem in Keilson eigene Aufarbeitung des Krieges.
Rundum ein sehr gelungenes, faszinierendes Büchlein, von einem weisen und klugen Mann.
Ich hoffe, dass dieses Buch von Hans Keilson noch viele weitere Leser finden wird.
10 Punkte.