OT: Od Magic 2005
Patricia McKillip behauptet sich inzwischen seit fast vierzig Jahren im Bereich Fantasy und ihre Geschichte von Brenden Vetch, dem ‚Zaubergärtner’, wie der deutsche Titel so falsch und zugleich so richtig sagt, beweist, daß ihr Einfallsreichtum bei weitem noch nicht erschöpft ist.
Diese Geschichte ist die märchenhaft-magische Geschichte Brendens, aber auch die der Zauberin Od, der Zauberer Valoren und Yar, der Historikerin Ceta, von Prinzessin Sulys und Arneth Pyt, dem Wächter über das Zwielicht-Viertel, von Tyramin, Magier und Illusionist, und seiner schönen Tochter Mistral.
Brenden Vetch wächst weit im Norden von Numis auf, früh entdeckt er seine besondere Verbundenheit zu Pflanzen aller Art. Er ist mit seinem Leben eigentlich zufrieden, glaubt er, obwohl er schon einige Schicksalsschläge hat hinnehmen müssen. Als eines Tages die wandernde Zauberin Od unvermutet bei ihm auftaucht und ihn bittet, in ihrer Zauberschule die vakante Stelle des dritten Gärtners anzunehmen, zögert er. Doch Ods Bitte hat die innere Unruhe, die er seit langem unterdrückt, geweckt, und eines Tages bricht er tatsächlich auf nach Kelior, die Königsstadt, in der auch Ods Zauberschule steht.
Magie ist etwas Normales in Numis, wie in Kelior, aber die Menschen sind sich durchaus der Gefahren von Magie bewußt. Daher gibt es seit langem schon Auflagen, Regeln und Gesetze für den Einsatz von Magie. Der König und seine Ratgeber, die wichtigsten von ihnen Absolventen der Zauberakademie, wachen streng über die Einhaltung. Mit Brenden kommt eine seltsame Unruhe nach Kelior und in die Zauberschule. Unbekannte magische Kräfte scheinen in Kelior zu fließen. Vieles deutet darauf hin, daß sich im Zwielicht-Viertel, Twilight Quarter, dem unruhigsten Viertel Keliors, Verbotenes abspielt. Ein Magier namens Tyramin begeistert dort allnächtlich die Volksmenge. Ein großartiger Illusionskünstler sagen die einen, ein echter, aber den Zauberern um den König unbekannter Magier, die anderen. Arneth Pyt, Sohn des Obersten Ordnungswächters der Stadt und selbst überzeugter Polizist, wird ausgeschickt, Tyramin zu beobachten. Tyramin erweist sich schnell als rätselhaft und ungreifbar.
Inzwischen hat der König seine Tochter Sulys mit Valoren, seinem treuesten und begabtesten Ratgeber verlobt. Valoren klebt an den Buchstaben der Gesetze über die Ausübung von Magie, Sulys dagegen hat ein Geheimnis und weiß nicht, wem sie es anvertrauen soll.
Der Zauberer Yar schließlich wird von der inneren Unruhe Brendens angesteckt und beginnt sich zu fragen, ob es richtig ist, mit den Grenzen zu leben, die die königlichen Gesetze der Magie in Numis auferlegen. Ceta, die Frau, die er liebt, arbeitet derweil an einer Biographie der Zauberin Ods. Ceta ist die Kusine von Valoren, Yars Unruhe erschreckt sie. Zugleich ist sie fasziniert von dem, was sie nach und nach über Od herausfindet.
Od selbst aber hat auch ihre Pläne und überdies ein Geheimnis, das größer ist als alles, was man sich in Kelior je auch nur hatte träumen lassen.
McKillips Roman ist eine in gewohnt wunderbarer und zugleich ganz neuartig faszinierender Weise erzählte Geschichte von Liebe, Vertrauen und der Angst vor allem, was man nicht versteht. Ihre Figuren bewegen sich wie im Traum und Albtraume zugleich durch eine Welt, die selbst in den alltäglichsten Verrichtungen vor Magie zu vibrieren scheint. Die Schauplätze sind spannend ausgedacht, sei es das Lern-Labyrinth im Keller der Schule, die labyrinthischen Gassen und Gäßchen des Zwielicht Viertels, die alten Warenlager am Fluß, die scheinbar endlosen Gänge in Schule und Palast. Ein Gutteil der Geschichte spielt bei Dunkelheit, im Dämmerlicht, in Dunst und Nebel, was immer auch ein Spiegel der Gefühlswelt der handelnden Figuren ist. Es dauert bis zum Schluß, bis es endlich hell wird, auch in den Köpfen.
Wie immer sind die Personen auf den ersten Blick eher Skizzen, erst durch ihr Handeln gewinnen sie Dimension um Dimension, und besonders durch ihr Zusammenwirken, sei es gewollt oder gegen ihren Willen. Hier müssen Personen zusammenarbeiten, deren Ansichten eigentlich grundverschieden oder die sich sogar feindlich sind. Die Geschichte hat weniger tragische Elemente als die früheren Romane, die Gefahr der Katastrophe ist aber immer präsent. Liebesszenen sind karg und dünn gesät, die wahren Gefühle der Personen zueinander äußern sich in einem Blick hier, einer Geste dort. Trotzdem gibt es nie Zweifel, wer wohin finden muß, der Weg dorthin ist allerdings mehr als schmal und die Personen können durchaus so weit ins Straucheln geraten, daß das Ende keineswegs sicher ist. Die Stimmung ist märchenhaft und realistisch gleichermaßen - ein Markenzeichen McKillips - , Die Beschreibungen vor allem von Tyramins Kunst(stücken) sind atemberaubend, Od, die Riesin mit ihrem Tiergefolge gehört zu den beeindruckendsten Schöpfungen aus McKillips Welt.
Schade nur, daß sich im Deutschen das Wortspiel mit ihrem Namen Od = odd - seltsam, eigenartig, nicht wiedergeben läßt, denn eben das ist der Kern der Geschichte, ‚seltsame, ungewöhnliche Magie’.