Theresa Bäuerlein: Roman ohne Eifersucht
Krüger Verlag 2011. 272 Seiten
14,95€
ISBN 978-3-8105-0269-8
Über die Autorin:
Theresa Bäuerlein, freie Journalistin und Autorin, geboren 1980 in Bonn, lebt seit einiger Zeit in Tel Aviv, wo auch ihr Debütroman ›Das war der gute Teil des Tages‹ spielt. Sie hat u.a. für NEON und jetzt.de sowie ein Buch über Vegetarismus geschrieben. Theresa Bäuerlein träumt, unter anderem, von einer Welt ohne dumme Sonnenbrillen und Angst, hält sich für einen Menschen, der vielleicht manches kann, aber große Probleme hat, sich zwischen zwei Sorten Joghurt zu entscheiden.
Verlagstext:
Experimente mit Gefühl: eine schnörkellose Liebesgeschichte mitten aus der Gegenwart!
Wie viele Menschen braucht man, um glücklich zu sein? Seit drei Jahren ist Karen mit Jonathan zusammen. Zum ersten Mal kann sie sich vorstellen, auf Dauer glücklich zu sein. Wäre da nicht ein Problem: Jonathan ist nicht eifersüchtig. Er versteht dieses Gefühl nicht und träumt davon, mit Karen beides zu haben: die Sicherheit einer festen Beziehung und den Kitzel des Fremdgehens. Als er zu einer Reise aufbricht, allein, schlägt Karen ihm ein Experiment vor: freie Liebe, auf Zeit. Gemeinsam wollen sie versuchen, auf dem schmalen Grat zwischen Abenteuer und Verrat zu balancieren. Während Jonathan im Kanu durch Polen rudert und den Schattenseiten seines Traums begegnet, flirtet Karen ausgerechnet mit ihrem Nachbarn Ben, einem Neurowissenschaftler, der eigentlich für seine Laborratten mehr empfindet als für Frauen und der Sex fürchtet wie eine schwere Krankheit. Am Ende müssen alle drei sich die Frage stellen, wie viel Freiheit die Liebe verträgt – und umgekehrt.
»Ich will nicht jemand anders finden. Ich will nicht immer wieder jemand anders finden. Ich will, dass er total unersetzbar ist.«
Zum Inhalt:
Karen und Jonathan leben in einer "offenen Beziehung". Karen arbeitet als Köchin, Jonathan ist ein bisher mäßig erfolgreicher Fotograf, der sich zwischen seinen Aufträgen mit Bildbearbeitung und -retusche durchschlägt. Jonathan behauptet von sich, nicht eifersüchtig zu sein, falls Karen Beziehungen mit anderen Männern hätte. Karen dagegen empfindet starke Eifersucht auf Frauen, mit denen Jonathan Affären hat. Sex mit Fremden ist für Karen Fastfood, das schwer im Magen liegt. Sie friert ihre Gefühle ein und zwingt sich zu Jonathans Form der "Offenheit". Dass Karen die Regeln, die Jonathan ihrer Beziehung aufstülpt, so passiv hinnimmt, passt kaum zu der couragierten Art, in der sie an ihrem Arbeitsplatz als Köchin mit ihren männlichen Kollegen umgeht. Jonathans grob gleichgültiges Verhalten Karen gegenüber wirft schon zu Beginn der Handlung die Frage auf, ob er Karen überhaupt liebt und welche Gefühle er in die Beziehung einbringt. Jonathan wirkt beziehungstechnisch wie ein scheinliberaler kontrollbesessener Schlaffi. Als Karen aus beruflichen Gründen ihren Urlaub stornieren muss, reist Jonathan allein zu einer Paddel- und Wandertour nach Polen. Während der kurzfristigen Trennung muss Jonathan nicht nur auf Karens Organisationstalent verzichten, auch sein ausgeklügeltes, emotionsloses Regelsystem für Fälle von Zweitbeziehungen kommt auf den Prüfstand.
Eine unerwartete Versuchung für Karen tritt in der Person ihres Nachbarn Ben auf, mit dem Jonathan und sie Wand an Wand leben. Ben, von Beruf Neurowissenschaftler, betrachtet Frauen wie seine Laborratten. Vereinsamt und nicht nur beruflich gestresst, fremdelt Ben außerhalb seines Labors. Ein Typ, mit dem ich lieber nicht gemeinsam im Aufzug fahren würde; er könnte sich aus nichtigem Anlass zum durchgeknallten Serienkiller entwickeln. Ben zeigt Merkmale eines psychisch belasteten Sonderlings, dem sein Leben entglitten ist und der jederzeit zum Straftäter werden kann. Jonathan kontrolliert von der Paddeltour aus bei jeder Gelegenheit seinen Mail-Eingang und überzieht Karen mit Problem-Nachrichten. Seinen Sermon über die so genannte offene Beziehung kontert die Reiseleiterin schlagfertig damit, dass Männer zu wenig mit dem Herzen denken. Gabriel, der Partner von Karens Chefin Doris, sagt Karen derweil auf den Kopf zu, dass sie nicht glücklich ist und zeigt ihr den Unterschied zwischen Glück und Spaß auf. Eine unerwartete Seite an Karens Chefin Doris, die bisher die exzentrisch gewandete Graugesträhnte gemimt hatte, bringt der Handlung eine unerwartete Wendung.
Fazit:
Theresa Bäuerlein setzt die an sich banale Geschichte eines Partners, der selbst von der "offenen Beziehung" fantasiert, solange nur er und nicht der andere Partner fremdgeht, in eine Rahmenhandlung mit Bezug zu aktuellen Ereignissen. Pfiff erhält die problematische Dreierbeziehung durch interessante Nebenfiguren. Stark z. B. der besserwisserische Hobbykoch, der ausgerechnet eine erfahrene Köchin wie Karen nervt. "Offenbar sah der Mann keine Kochsendungen", lästert Karen. In einer weiteren Nebenrolle die Laborratte Borat, die Ben zu Hause hält. Karen und Jonathan agieren in ihrem Beziehungesexperiment ähnlich wie Laborratten.
Ein gelungener Roman weckt beim Lesen Emotionen, öffnet seinen Lesern andere Welten und hält inhaltlich wie sprachlich Überraschungen bereit. "Roman ohne Eifersucht" hat mich durch die Verknüpfung der Beziehungsgeschichte mit Berufsalltag und aktuellen Ereignissen sehr gut unterhalten. Ben und Jonathan haben in mir heftige Antipathien ausgelöst und ich wünschte mir, Karen würde im Buch eine stärkere Rolle spielen. Theresa Bäuerlein hat mich mit ihrem unverwechselbaren, sehr präzisen Erzählerton überrascht. Ihre Sprache warf mit leicht ironischem Unterton Köder aus und zog dann die Angelschnur an.