15h 46m
ungekürzte Lesung
Sprecherin: Janet Song
Hörprobe beim Verlag *klick*
Zum Inhalt
Die Fortsetzung von "Töchter aus Shanghai" beginnt 1957 in Los Angeles, als die gerade 18-jährige Joy herausgefunden hat, dass Sam nicht ihr wirklicher Vater ist. Die idealistische junge Frau will in das maoistische China reisen, um ihren echten Vater Z.G. Li und das echte China kennezulernen. Pearl folgt ihrer Tochter und findet sich in einem Land wieder, das mit ihren Erinnerungen kaum etwas zu tun hat. Kurz nach dem Eintreffen der beiden Frauen in Shanghai ruft Mao zum "Großen Sprung Vorwärts" auf....
Zur Autorin:
Lisa See, geboren in Paris, aufgewachsen in Los Angeles in Chinatown, entstammt einer chinesisch-amerikanischen Familie. Sie arbeitete dreizehn Jahre lang als Journalistin. Ihr erstes Buch »On Gold Mountain« (dt. »Auf dem Goldenen Berge«, 1997) war ein internationaler Bestseller und erhielt 1995 die »Notable Book«-Auszeichnung der New York Times. Als Kuratorin betreut sie mehrere große Ausstellungen, die sich mit interkulturellen Beziehungen zwischen Amerika und China beschäftigen. Im Jahr 2001 wurde sie von der Organisation Chinesisch-Amerikanischer Frauen als »National Woman of the Year« ausgezeichnet; im Herbst 2003 erhielt sie den »Chinese American Museum´s History Makers Award«. Vor vier Jahren hat sie mit ihrem Roman »Der Seidenfächer« einen Weltbestseller geschrieben. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Los Angeles.
Zur Sprecherin
Janet Song habe ich leider keine Infos gefunden.
Meine Meinung
Als ich durch Zufall entdeckte, dass es eine Fortsetzung zu "Töchter aus Shanghai" gibt, die nahtlos an den ersten Teil anschließt, wurde sofort die ungekürzte Hörversion geladen.
Der erste Abschnitt dieses Bands wird aus der Perspektive von Joy erzählt, die völlig fassungslos über die Enthüllungen in ihrer Familie ist, sowie noch schockiert vom Selbstmords ihres Vaters bzw. eigentlich Onkels. Schon nach wenigen Minuten versetzte mich die Vorleserin Janet Song wieder in die Welt von Pearl, May und Joy, die beklemmende Atmosphäre jener Zeit in den USA wird spürbar. Danach wechselt die Erzählperspektive zwischen Joy und Pearl, der Schauplatz wird nach China verlegt.
Durch die Augen der beiden Frauen ergeben sich zwei ungewöhnliche Erzählperspektiven für einen Roman, der überwiegend während des "Großen Sprungs nach vorne" in China spielt, eines katastrophalen erzwungenen Umbruchs der chinesischen Gesellschaft. Pearl wuchs in China auf, musste vor zwanzig Jahren in die USA auswandern und ihr fallen vor allem die Veränderungen in Maos China auf. Ihre Tochter Joy hingegen ist in den USA aufgewachsen und kannte China nur aus Erzählungen sowie rotchinesischen Zeitungen. Sie glaubt daran, dass Mao nur Gutes für das chinesische Volk im Sinn hat und will dabei helfen. Für sie ist es ein drastischer Wechsel, denn obwohl sie Chinesisch gelernt hat, versteht sie doch vieles sprachlich nicht und die Sitten und Gebräuche sind ihr oft fremd. Insbesondere die heikle politische Situation bringt sie immer wieder in Lebensgefahr, während andere versuchen, sie so gut wie möglich vor sich selbst und anderen Gefahren zu schützen.
Lisa See bietet ihren Lesern einen faszinierenden Einblick in eine fremde Welt und zum großen Glück längst vergangene Zeit. Die Haupt- und Nebenfiguren sind so lebendig gezeichnet, dass mich ihr Schicksal noch eine Weile begleiten wird und ich mir tatsächlich einen weiteren Teil wünschen würde.
Ganz nebenbei wird anschaulich viel über die Hintergründe der damaligen politischen und gesellschaftlichen Situation vermittelt, um Längen einprägsamer als in jedem Lehrbuch. Ohne erhobenen Finger beschreibt Lisa See die Ungleichheit zwischen dem Leben der Parteioberen und ihren Günstlingen sowie dem der einfachen Bevölkerung, wobei mir gelegentlich Orwells "Farm der Tiere" in den Sinn kam.
Schon das erste Buch um die beiden Schwestern Pearl und May hatte düstere Abschnitte, insbesondere im letzten Drittel. Doch "Dreams of Joy" ist nochmals deutlich düsterer. Die Schilderungen der Auswirkungen des "Großen Sprungs nach vorne" sind realistisch geschildert und ließen mich das Hörbuch heute mehrmals unterbrechen. Die Sprecherin Janet Song gibt Pearl und Joy eigene Stimmen, mal brüchig mal freudig, perfekt passend zur Atmosphäre.
Der Titel "Dreams of Joy" ist ja ohnehin schon doppeldeutig, aber dieses letzte Drittel lässt ihn in einem ganz anderen, bitteren, Licht erscheinen. (Träume von Joy/Träume der Freude)
Fazit
Lisa See scheint von Buch zu Buch besser zu werden. Die Figuren und ihre Schicksale, ihre Entscheidungen wirken so authentisch, dass man schnell mit ihnen fühlt. "Dreams of Joy" ist ein intensives Hörerlebnis, in dem sie zeigt, wie dicht menschliches Leid und Glück beeinander liegen und ließ mich durch die Augen von Pearl und Joy einen dramatischen Abschnitt der chinesischen Geschichte miterleben.
P.S. Bisher konnte ich leider keine Infos zu einer deutschen Hörbuch-Version finden.