"40 Tage im Kloster des Dalai Lama" von Stephan Kulle

  • Es ist eine Herausforderung, eine Rezension über dieses Buch zu schreiben. Denn bis zum Schluss war ich mir nicht klar, ob ich den Autor ernst nehmen sollte. Ein Journalist und eingefleischter Katholik will, so sagt das Vorwort, den Buddhismus "sehen, riechen und schmecken". Ein Vatikankenner beim Dalai Lama? Kann das gutgehen?


    Meine Zweifel begannen schon im Vorwort. Das Buch beginnt und endet nämlich mit einem Treffen bei einem katholischen Geistlichen - was an sich nicht schlimm ist. Doch dieser Herr fragt den Autor allen Ernstes und mit deutlich erhobenem Zeigefinger, "er wolle doch wohl bitte nicht als Buddhist zurückkommen". Und das verneint Herr Kulle lachend. Das hat mich doch ein wenig betroffen gemacht. Was ist denn das für eine Einstellung? Ich betrachte den Buddhismus wie ein wildes Tier im Zoo, zwar mit Interesse, doch mit deutlichem Abstand...?? Ich an der Stelle des Geistlichen hätte gesagt, mein Sohn, Hauptsache, Du kommst seelisch reicher zurück, egal was passiert.


    In den ersten Kapiteln verstärkte sich mein Unbehagen. Augenscheinlich hatte sich Herr Kulle vor Antritt der Reise nur ausgesprochen oberflächlich informiert. Ein hauptberuflicher Journalist, der den Buddhismus untersuchen will und nicht einmal weiß, was ein Stupa, eine Khata oder tibetischer Tee ist (Buttertee mit Salz nämlich), der hat bei mir schon fast verspielt. Zudem hielt er sich bei seinen Schilderungen zu einem großen Teil bei Äußerlichkeiten auf - die Tempel waren zu heruntergekommen, die Treppen zu steil, das Dorf zu dreckig, die Bürokratie zu ineffizient. Das erinnerte teilweise schon an Kafka. Und wirklich geärgert habe ich mich,als Herr Kulle manche Lamas aufgrund der ungewöhnlichen Hüte als "gelbe Schlümpfe" bezeichnete! Unglaublich, dass hier der Lektor nicht eingeschritten ist.


    Der Titel ist ebenfalls ein wenig unglücklich gewählt. "Das" Kloster des Dalai Lama gibt es nicht. Es gibt in und um Dharamsala zahlreiche Klöster, von denen der Autor im Laufe des Buches in zweien (!) residiert. Und die nächste Einschränkung folgt auf dem Fuße. Er nimmt nun keinesfalls am Tagesablauf der Mönche teil, nein, er verhält sich eher wie ein Tourist. Gut, ein Tourist mit Sonder-Privilegien. Gelegentlich bemüht er sich um Interviews oder Audienzen, aber dies macht nur einen minimalen Teil des Buches aus. Ansonsten streift er durch die Gegend, freundet sich sich auf seinen Spaziergängen mit diversen Mönchen und Einheimischen an, schildert Örtlichkeiten und am Rande Rituale, ergötzt sich an Essen und Trinken (soweit es eben geht). Nur im letzten Drittel des Buches bekommt er die Erlaubnis, für ganze drei (!) Tage tatsächlich einmal Mönch zu werden. Und selbst diese drei Tage schildert er nur lückenhaft.


    Eine Auseinandersetzung mit den Ideen des Buddhismus findet auf geschätzten 20 Seiten von fast 400 statt - das sagt meiner Meinung nach schon alles. Zudem wird andauernd mit dem Christentum verglichen, was für die realistische Einschätzung ebenfalls nicht gerade zuträglich ist. Der Rest des Buches ergeht sich mehr oder weniger in einer schlichten Reisebeschreibung, und darf keinesfalls als ein Sachbuch über religiöse Fragen gewertet werden. Schade, ich hätte hier mehr Tiefgang erwartet. Dass der Autor am Ende dennoch von sich sagt, er habe "viel gelernt", und die Reise habe ihn verändert, hat mich staunen lassen. Das war durch die vorherigen trockenen Beschreibungen nämlich nicht ersichtlich. Meiner Meinung nach hat er sich um kein Haar breit verändert.


    Dennoch verleihe ich letzten Endes drei mehr oder weniger ratlose Sterne. Das Buch liess sich passabel bis gut lesen, und wenn man erstmal Abstand von weitergehenden Ansprüchen genommen hatte, war der Reisebericht an sich zumindest in folkloristischer Hinsicht leidlich interessant. Wirklich gut fand ich nur die Schilderungen der verschiedenen Charaktere der Mönche, die er kennen lernt.