Sommerhit- Tom Liehr

  • Na, das ist mal ein wüster Verriss, DraperDoyle! Aus jeder Zeile quillt die trotzige Betroffenheit der Rezensentin. Wie kann sich auch ein Wessi, zudem einer, dem nichts heilig ist, erkühnen, Details aus dem Leben in der DDR zu beschreiben!
    (Übrigens ein interessantes Phänomen, das man, je länger der klägliche Untergang des Arbeiter- und Bauernparadieses zurückliegt, immer öfter erlebt: Anscheinend darf nur der ehemalige Paradiesbewohner sich über die Zustände in demselben äußern. Was natürlich grober Unfug ist.



    Und vor lauter Wut über den bösen Wessi-Autor ist dir eines gänzlich entgangen, DraperDoyle: Mit "Sommerhit" haben wir einen der wichtigsten Romane über Schein und Sein des sog. Zusammenwachsens von dem, "was zusammengehört", in der Hand. Um mich nicht zu wiederholen, empfehle ich hierzu einfach einmal meine Kurzrezi in diesem Fred zu lesen. Doch selbst wenn du dies tätest, bin ich mir sicher, dass du weiter im "Sommerhit" nur das finden wirst, was du darin sehen willst: Eine Provokation für dich.


    Was nicht unbedingt gegen das Buch spricht.

  • Die Frage, warum ein Kind, dass aus einer Vergewaltigung stammt von seiner Mutter mehr Liebe empfängt, als die in der Liebesbeziehung gezeugten, warum Kinder, die nur Mißhandlungen erfahren haben ihre prügelnden Eltern bis aufs Messer verteidigen, wie die Willkür einer Diktatur funktioniert und wie die Entscheidungslinien in dieser Willkür abliefen, dass wurde den Sinn dieses Buches ernsthaft sprengen. Allerdings bist du, Draper, lange genug hier um eigentlich zu wissen, dass du erheblichen Unsinn schreibst. Die Flucht findet zu einer Zeit statt, da der Punk gerade den Westen erreicht hat, im Osten so gut wie gar nicht, schon gar nicht bei den 14 Jährigen angekommen ist, auch bis zu den Revoluzzern im Keller vergehen noch etwa fünf Jahre, selbst in den Großstädten. Dass viele ehemalige DDR Bürger nach West- Berlin gezogen sind ist eine historische Tatsache. Warum auch immer das so war, es ist schlicht wahr.


    Wenn dir das Buch nicht gefällt, ist ein Veriss immer eine Bereicherung im Forum und deine Meinung zu den Figuren und ihren Handlungen kommentiere ich deswegen auch nicht, da sie ihre
    Berechtigung aus sich selbst zieht. Aber einem Buch Fehler vorzuwerfen, die nicht historisch korrekt sind, das bedarf meines Erachtens einer Bemerkung.

  • Ich habe Drapers Rezi nicht als "trotzig betroffen" empfunden. Mir ging es mit dem Buch ähnlich. Und ich bin ein " Wessi", falls das von Bedeutung ist, mit "Ossi"- Freunden zuhauf. Ich finde es nicht fair, auf einer Meinung rumzuhacken.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Ich war entsetzt wie der Unrechtsstaat DDR in der Rückschau - gerade auch von sehr vielen "Ossis" - verklärt wird. Da wird verharmlost und irgendwelche DDR-Nostalgie-Parties (Dresscode FDJ-Hemd) gefeiert.


    Sicher hat jede/jeder ein Recht auf die eigene Meinung - aber im Umkehrschluss hat aber auch jede/jeder das Recht zum Widerspruch.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Huhu, DraperDoyle, hallo, Eulen.


    Ich find's großartig, wenn jemand ehrlich seine Meinung sagt, und ich find's umso großartiger, wenn - endlich mal - einem "Eulenautor" gesagt wird, dass eines seiner Bücher (subjektiv) kacke ist. Zumal auch noch so ausführlich und begründet. Das Buch hat Dich sogar geärgert, DD, und es gibt Schlimmeres, das man über Bücher sagen könnte. Ärger ist eine Emotion, und nicht unbedingt eine schlechte. Das ist mir lieber als beispielsweise Gleichgültigkeit. Und immerhin hast Du's zuende gelesen! ;-)


    Ich könnte dieser Besprechung eine Menge entgegensetzen, zum Beispiel die vielen, vielen, vielen positiven - und zum Teil äußerst rührenden - Reaktionen, die ich vor allem von ehemaligen DDR-Bürgern zu diesem Buch erhalten habe, darunter nicht wenige, in denen mir erklärt wurde, ich könne nicht wirklich ein Wessi sein (bei einer Lesung kürzlich in Sachsen hatte ich sehr interessante Gespräche zu diesem Thema, zu dem ich selbstverständlich umfassenden recherchiert habe, aber auch eigene Erfahrungen einbringen konnte). Oder den Hinweis, dass durchaus einige Motive verarbeitet wurden (darunter Dumas' "Der Graf von Monte Christo"), aber das Aschenputtel-Motiv nun wirklich nicht. Aber ich lasse es dabei, dass ich mich herzlich für eine ehrliche Rückmeldung bedanke, die mich, um ebenfalls ehrlich zu sein, durchaus schmerzt, denn ich hänge sehr an diesem Buch.

  • So, nach kurzer Weihnachtsauszeit meine Rückmeldung, ohne eine Ost-West-Debatte aufmachen zu wollen.


    Zum einen habe ich hier im Osten genug Geschichten gehört, um froh zu sein, nicht in der DDR groß geworden zu sein. Aber zum anderen waren es eben andere, subtilere Geschichten, als die von Falk Lutter
    Wenn mir zum Vorwurf gemacht wird, unverbesserlicher Ostalgiker zu sein und die DDR zu verkären, weil mir ein Buch, dass die DDR-Problematik zum Thema hat, nicht gefallen hat und meinem persönlichen Empfinden nach zu oberflächlich war, bitte, damit kann ich leben. (vor allem, wenn versucht wird, meine Argumente mit Ostklobrillen zu entkräften)


    Umso mehr freut mich, das Tom meine Meinungsäußerung als das aufgefasst hat, was sie ist: eine Meinungsäußerung. Rein subjektiv. Danke dafür :wave

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Ich bin irritiert - sehr irritiert sogar!
    Eigentlich hatte ich gehofft Blut fliessen zu sehen.....
    .....und was passiert? :gruebel


    Es wird gekuschelt! :yikes :yikes :yikes


    Was ist nur aus dieser Welt geworden........ :gruebel :grin

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Piep, piep, piep, wir ham uns alle lieb. :frieden


    Der Verrissene bedankt sich, weil "endlich mal einem Eulenautor gesagt wird, dass eines seiner Bücher (subjektiv) kacke ist" und die Rezensentin bedankt sich beim Verrissenen dafür, dass er ihr Elaborat als "Meinungsäußerung" aufgefasst habe (als was denn sonst?).


    Nicht nur Voltaire ist irritiert.
    Wenn es um ein Buch geht, seine Bedeutung, seinen literarischen Belang, vielleicht auch einmal nur seinen Unterhaltungswert (oder aber das Fehlen all dieser Eigenschaften), ist in einem Bücherforum von einer Rezension Sorgfalt zu erwarten, vor allem bei negativen Kritiken, die selbstverständlich hier einen wichtigen Platz haben. Irgendwetwas im Ärger hinzuschreiben, das man dann unter dem Begriff "subjektive Meinungsäußerung" relativiert, ist m. E. zu wenig.


    Aber wenn selbst der Autor dermaßen vor Großmut strotzt, will ich mich im Weiteren zurückhalten ... :rofl

  • Zitat

    Original von Dieter Neumann
    will ich mich im Weiteren zurückhalten ...


    Och, schade, Dieter. Weil man großartige Sprüche a la:


    Zitat

    Mit "Sommerhit" haben wir einen der wichtigsten Romane über Schein und Sein des sog. Zusammenwachsens von dem, "was zusammengehört", in der Hand.


    wirklich prima über


    Zitat

    Ostklobrillen


    hängen könnte. :chen



    Zitat

    Original von Draper Doyle
    Umso mehr freut mich, das Tom meine Meinungsäußerung als das aufgefasst hat, was sie ist: eine Meinungsäußerung. Rein subjektiv. Danke dafür


    Das finde ich auch! :write :wave

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von rienchen ()

  • Hallo, Didi.


    Zitat

    Aber wenn selbst der Autor dermaßen vor Großmut strotzt, will ich mich im Weiteren zurückhalten ...


    Gegenfrage: Was sollte er auch sonst tun?


    Da hat jemand ein Buch gelesen, sich aus verschiedenen Gründen geärgert und diesen Ärger als Rezension formuliert. Dafür ist dieses Forum da; ich mache das nicht selten selbst so, zuweilen sogar in deutlich härteren Worten.


    Ich habe darüber nachgedacht, auf diese Besprechung argumentativ zu reagieren, also zu versuchen, ihr inhaltlich entgegenzutreten, sie zu entkräften. Ich denke aber, dass das nicht meine Aufgabe ist. Außerdem habt Ihr (Du, Voltaire) das ja schon ansatzweise getan. Danke dafür übrigens.


    Natürlich ärgert es mich, wenn ein Text von mir genau verkehrtherum verstanden wird, wenn aus ihm eine (Teil)Botschaft extrahiert wird, die derjenigen, die er eigentlich enthalten sollte, exakt diametral gegenübersteht. Aber das Buch ist hier nun einmal so aufgefasst worden, und da es ohne meine Hilfe überleben muss, kann ich ihm nicht rückwirkend dadurch helfen, dass ich die Missverständnisse aufzuklären versuche. Der Leseeindruck wird in diesem Fall derselbe bleiben. Immerhin stellt er eine Ausnahme dar; die Rückmeldungen gerade von Betroffenen sind in überwältigender Mehrheit ganz anders. So what?


    Aber es war - ist - kein "Großmut". Sondern schlichte Selbstbeherrschung. ;-)

  • Es war einfach nur intelligent und angemessen; eine Reaktion, die man in der Autorenzunft leider viel zu selten findet. Natürlich wäre ein Hauen und Stechen publikumswirksamer gewesen - aber so ist es ein gutes Anschauungsmaterial für Autoren, die souverän werden wollen. 10 Punkte - nein, nicht für das Buch, da wird noch eine Hammer-Rezi folgen, die sich gewaschen hat. :gruebel

  • Und da ich ebenso wenig die Herren Neumann und Voltaire von meiner Meinung überzeugen kann und will, werde ich auch auf ihre Argumente, die eigentlich gar keine sind (das Buch als den Wenderoman schlechthin zu bezeichnen, ist bestenfalls eine Meinung und kein Argument, die Klobrille einfach nur albern), nicht näher eingehen.


    Allerdings bin ich doch ein wenig überrascht, wie angepisst sich manche fühlen, wenn man ein Buch, dass sie großartig finden, verreißt. Dabei macht Tom das regelmäßig mit meinen Jahreshighlights :cry

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Und da ich ebenso wenig die Herren Neumann und Voltaire von meiner Meinung überzeugen kann und will, werde ich auch auf ihre Argumente, die eigentlich gar keine sind (das Buch als den Wenderoman schlechthin zu bezeichnen, ist bestenfalls eine Meinung und kein Argument, die Klobrille einfach nur albern), nicht näher eingehen.


    Allerdings bin ich doch ein wenig überrascht, wie angepisst sich manche fühlen, wenn man ein Buch, dass sie großartig finden, verreißt. Dabei macht Tom das regelmäßig mit meinen Jahreshighlights :cry


    Toll, dass du wenigstens Argumente hast. :grin
    Wäre ich angepisst - dann hätte ich dir ganz anders geantwortet.


    Deine "Rezi" besticht durch Unsachlichkeit, ein Rundumschlag auf alles was sich bewegt, da wird nicht kritisiert sondern nur gepöbelt - wenn du das "argumentieren" nennst, dann gute Nacht Marie........ :wave :grin ;-)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von beowulf
    ..was dich aber nicht hindert, dich mit meinen sachlichen Argumenten nicht auseinanderzusetzen.


    In der Tat bist du der Einzige, auf den ich eingehen wollte, das ging aber im Jahresendtrubel hier unter.


    Mit dem Punk hast du recht, der kam zwar schon in den frühen 80ern in die DDR, ist aber wohl erst etwas später in den Kirchenkellern gelandet. Dafür gab es aber durchaus eine Heavy Metal Szene, und auch die kritische Kirchenbewegung (Schwerter zu Pflugscharen) hatte sich in gewissem Rahmen etabliert. Das ist aber in sofern egal, als Falk das sicherlich nicht mitbekommen hätte, ein kritischer Geist scheint er mit 14 (wenn nicht mit 14, wann dann?) ja nicht gewesen zu sein.


    Zum Thema empfehle ich verlinktes Buch.


    Was die "historische Wahrheit" zu in Westberlin lebenden DDR-Flüchtlingen angeht: hast du da Belege?
    Ich habe den Eindruck, dass durchaus Flüchtlinge, die innerhalb Berlins vor dem Bau der Mauer geflohen sind, auch in Berlin geblieben sind. Allerdings kann ich mir nur schwer vorstellen, dass Flüchtlinge, die nach Westdeutschland angkommen sind, diesen Aufwand mit der Fliegerei auf sich nehmen. Zumal ja auch die wirtschaftlichen Bedingungen in Berlin deutlich schwieriger waren.
    Zumindest war für die paar DDRler in Süddeutschland, die ich damals kannte, Berlin ein absolutes Nogo: von der DDR umzingelt, da wollte keiner freiwillig hin, nicht mal im Urlaub


    Ich habe versucht, Statistiken zu finden, die zeigen, wo in der Bundesrepublik sich die DDR-Flüchtlinge niedergelassen haben, aber nix gefunden.
    Mir persönlich hat es sich während des Lesens jedenfalls nicht erschlossen, warum Falks Mutter ausgerechnet nach Berlin gegangen ist. Vom großen Gefängnis ins kleine Gefängnis.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)