Na, das ist mal ein wüster Verriss, DraperDoyle! Aus jeder Zeile quillt die trotzige Betroffenheit der Rezensentin. Wie kann sich auch ein Wessi, zudem einer, dem nichts heilig ist, erkühnen, Details aus dem Leben in der DDR zu beschreiben!
(Übrigens ein interessantes Phänomen, das man, je länger der klägliche Untergang des Arbeiter- und Bauernparadieses zurückliegt, immer öfter erlebt: Anscheinend darf nur der ehemalige Paradiesbewohner sich über die Zustände in demselben äußern. Was natürlich grober Unfug ist.
ZitatAlles anzeigenOriginal von DraperDoyle
(...) Geärgert hat mich an diesem Buch zunächst diese völlig klischeehafte Darstellung der DDR. Das Hauptproblem scheinen doofe Jeans, eklige Cola und die schauderhaft klingenden Monorekorder gewesen zu sein. Selbst die Campingstühle sind so klapprig, dass der souveräne Westler Sorge hat, dass sie zusammenbrechen könnten.
Die Beobachtungen ärgern dich, DraperDoyle, aber was ist daran Klischee? Ich erinnere mich noch gut an die hellblauen oder orangefarbigen Plaste-Klobrillen, die unter einem schweren Hintern und bei längerer Sitzung weich wurden und begannen, sich den harten Kanten der Steingutschüssel darunter anzugleichen ...
(...) Neben den grauen Häusern und stinkenden Autos erfahren wir wenig über die DDR, eigentlich nur, dass einem dort so ziemlich jede Ungerechtigkeit passieren konnte(...)
Was stimmt denn daran nicht? Übrigens: "Sommerhit" ist kein Buch über die DDR, was dir möglicherweise entgangen ist, sondern - unter anderem - ein Buch über die gesellschaftlichen Verwerfungen im Deutschland der Wendezeit.
(...) Genaugenommen ist „Sommerhit“ einfach nur eine Schmonzette, die durch den pseudopolitischen Erzählstrang „DDR“ eine historische Dimension zu erhalten hofft. Es ist eine Aschenputtel-Geschichte, die einer Groschenheft-Dramaturgie folgt (...)
Starker Tobak - und blanker Unsinn, der auch von Egon Krenz hätte verzapft werden können. Wenn du die Geschichte nicht magst - okay. Aber von einem "pseudopolitischen Erzählstrang" zu sprechen, zeigt, dass noch heute Verdrängung, ja, Verklärung der Lebenswirklichkeit im Paradies der Werktätigen an der Tagesordnung sind.
Und vor lauter Wut über den bösen Wessi-Autor ist dir eines gänzlich entgangen, DraperDoyle: Mit "Sommerhit" haben wir einen der wichtigsten Romane über Schein und Sein des sog. Zusammenwachsens von dem, "was zusammengehört", in der Hand. Um mich nicht zu wiederholen, empfehle ich hierzu einfach einmal meine Kurzrezi in diesem Fred zu lesen. Doch selbst wenn du dies tätest, bin ich mir sicher, dass du weiter im "Sommerhit" nur das finden wirst, was du darin sehen willst: Eine Provokation für dich.
Was nicht unbedingt gegen das Buch spricht.