erschienen 2005
Zu Beginn der 1990er Jahre erreicht die Rezession endgültig die Automobilindustrie Detroits. Die letzten klassischen Arbeitsplätze, die seit fast drei Generationen die wirtschaftliche und soziale Basis der Menschen in und um Detroit bildeten, verschwinden. Nach einigen wenigen Monaten verschwinden auch die betroffenen Männer. Niemand weiß, wohin sie gehen, sie brechen von einem Moment zum anderen auf. Ihre Familien stehen dem Verschwinden hilflos gegenüber, man spricht nicht darüber. Dafür entsteht eine seltsame Legende, die Männer seien auf den Mond gegangen, flüstert man.
Alle Zurückgebliebenen leiden unter dem Verlust, aber während die Ehefrauen und Mütter ihr Leid angesichts der Notwendigkeit, die Familien versorgen zu müssen, hintanstellen, sind die halberwachsenen Söhne, sechzehn, siebzehnjährige Teenager, dem Kummer völlig ausgeliefert. Bakopoulos erzählt von ihrem Aufwachsen mit diesem Vaterverlust, das zugleich ein Aufwachsen in einer sozial und ökonomisch schlagartig neu geordneten Gesellschaft ist.
Michael Smolij, der Ich-Erzähler, stammt aus einer ukrainischen Familie, bereits sein Großvater arbeitete in der Automobilindustrie. Plötzlich aber ist die Vergangenheit verschwunden, was seinem Großvater und vor allem seinem Vater Identität verliehen hat, als ukrainischstämmige US-Amerikaner, als Katholiken, als Industriearbeiter, als Männer, ist für ihn nicht mehr verfügbar. Das gilt ebenso für seine gleichaltrigen Freunde. Ihre Versuche, die Väter wiederzufinden, scheitern. Sie probieren Männerrollen aus, in kürzester Zeit sind sie als Trinker, Schläger, Rowdys bekannt. Ihre Beziehungen zu Mädchen sind gleichzeitig oberflächlich und hochromantisch. Die jungen Männer sind emotional und orientierungslos
Es dauert viele Jahre, bis sie Fuß fassen können. Die den neuen Zeiten entsprechenden Arbeitsplätze im neu entstandenen Einkaufszentrum, als Aufsichten, Fast-Food-Verkäufer in albernen Verkleidungen oder als Auspacker von Waren sind mies entlohnt und alles andere als befriedigend.
Sie bahnen sich ihren Weg langsam, versuchen sich in politischen Aktivitäten und in höheren Ausbildungen, gründen schließlich selbst Familien. Ihre Unsicherheit aber überwinden sie nie. Gut zehn Jahre nach dem Verschwinden ihrer Väter hören auch sie den Ruf des Monds.
Dieser Roman erzählt auf nur 270 Seiten die Geschichte eines Vaterverlusts in mehrfacher Hinsicht. Die Protagonisten verlieren nicht nur einen Menschen, sondern zugleich auch ihre gewohnte Lebenswelt. Es ist die Geschichte der Verlassenen, sozial, ökonomisch, ideologisch. Bakopoulos entwirft ein immer wieder erschreckendes Bild vom Ausgesetztsein einer Generation, die nichts mehr hat, auf das sie zur Selbstfindung zurückgreifen kann und deren Zukunft gleichfalls nur aus Unsicherheit besteht.
Erzählt wird ausschließlich aus der Perspektive der Männer, ihre Trauer, ihr Zorn, ihre Ängste sind das Thema. Der Autor hat einen scharfen Blick für die Probleme überkommener Männerollen und den Mut, seinen Figuren Raum auch für negative Entwicklungen zu lassen.
Die poetisch-magische Vorstellung des Monds als ferner Verführer ist höchst geschickt eingewoben und in ihrer märchenhaft-lyrischen wie märchenhaft-grausamen Wirkung gezeigt.
Wunderbar beschrieben und dargesteltl, mit sehr lebensechten Figuren, durchaus humorvoll, hin und wieder satirisch-spitz, aber mit einem melancholischen Grundton, ist Bakopoulos’ Geschichte ein ganz überraschender Einblick in die Probleme junger Männer, die die Rezession der frühen 1990er geprägt hat.
Leider wurde das Buch nicht ins Deutsche übersetzt.