Inhaltsangabe
Wer sich im Zeichen der Muschel auf den Weg machen möchte, muss schon lange nicht mehr nach Spanien: Auch Deutschland ist durchzogen von alten Jakobspilgerpfaden. O.K. - aber wirken die auch?
Der Journalist Stefan Albus macht die Probe auf's Exempel und kurzerhand die älteste deutsche Stadt Trier zu seinem Santiago. Mit dem Pilgerstab in derHand durchquert er Städte, Dörfer, Wälder und die menschenleere Eifel, begegnet Heino, einem ausgestiegenen Manager, Nervensägen und stillen Heiligen, jeder Menge Pilgerkollegen – und am Ende sogar sich selbst.
Fazit nach über 400 km zu Fuß: Pilgern ist eine ernste Sache – die einen Heidenspaß macht! Haustür zu und einfach lospilgern – auch als Atheist oder Langschläfer.
Der Autor
Der 1966 geborene Dr. Stefan Albus ist Chemiker und arbeitete seit 1996 als Wissenschafts- und Fachjournalist, Ghostwriter und Redenschreiber. Dass er mehrere Stipendien erhielt und seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet wurde, erwähnt der Klappentext des Buches. Der Autor lebt in Herne.
Meine Meinung
Tja...
Vielleicht zunächst einmal zu dem, worin ich mir sicher bin: Das Buch hat zahlreiche in dem Text integrierten Fotos, es hat vier Seiten Landkarte „Das deutsche Pilgerwege-Netz“ und es hat ausführlichen Adress- und Literatur-Anhang. Es hat ein Vorwort, einen Bonustrack anstatt eines Nachworts und es hat insgesamt 231 Seiten Text, mit Anhang 239.
Ein Pilgerbuch also. Noch eines? Ja, schon. Etwas ist anders: Das Pilgern findet in Deutschland statt. Man muss nicht mit Wörterbuch rumlaufen, man versteht sich auch so, manchmal, wie immer auf Reisen, aber auch nicht. Wie in jedem anderen Pilgerbericht, den ich kenne, erzählt auch Albus von den Menschen, die er getroffen hat, von den Wegen, den Beschwerlichkeiten, von der großen Krise, vom Essen und von seinen Gedanken. Es gibt sie überall, die stillen Heiligen, die schlecht Gelaunten, die Hilfsbereiten und die Gleichgültigen. Und wenn man zu Fuß unterwegs ist, ist Wetter von enormer Wichtigkeit, so auch hier.
Albus erzählt durchaus herzerfrischend und mit einer guten Portion Selbstironie. Dass er Journalist ist und demzufolge schreiben könnten sollte, muss man nicht erwähnten; irritiert hat mich allerdings der Wechsel von manchmal recht flapsig zu manchmal schon poetisch Daherkommendem.
Der Autor begibt sich auf die Pilgerreise, um etwas zu suchen, was er selber noch nicht benennen kann. Was er findet, kann sich durchaus sehen lassen: „Man muss gar nichts besonderes können, um von den Leuten geliebt zu werden“ (Seite 220). Ja! Stimmt, möchte man ihm zurufen, und vergiss die Leute, die nur auf deine Leistung schauen. Und, so frage ich mich, warum ist dieses Wissen heute eigentlich nicht mehr selbstverständlich?
„Ich muss versuchen, alles mit meinem Herzen zu tun. Dann kommt die Liebe ganz von selbst. Und die ist es, die bleibt.“ (Seite 221)
Was tun wir uns eigentlich selber an, wenn wir solche ganz einfachen Weis- und Wahrheiten nicht mehr wissen, sondern uns mühsam aneignen, buchstäblich erarbeiten müssen? Ich muss gestehen, ich habe am Ende des Buches mit ziemlich offenem Mund dagesessen und mich gefragt, was ich jetzt eigentlich verpasst habe. Gehöre ich schon jener beinahe aussterbenden Minderheit an, für die dies selbstverständlich war und ist? Selbstverständlich auch, weil der heute ach so verpönte christliche Glaube Teil des Alltags war und ist und man dort „so etwas“ ganz einfach quasi nebenher lernt? Stefan Albus gehört mein Respekt und meine Hochachtung angesichts der Schlüsse, die er für sich gezogen hat. Mich hat er sehr zum Nachdenken gebracht, über Werte, über Generationskonflikte, über Ethik und über das Miteinander. Dass es dazu eines Pilgerbuches bedurfte, mag das schlechteste Zeichen nicht sein.
Fazit:
Ein lesenswertes Buch über Pilgern in Deutschland mit wunderbaren poetischen Momenten und mit einem noch wunderbareren Fazit.