Flussfahrt - James Dickey

Alle Männer sind irgendwann mal Jungs gewesen und suchten nach Wegen das Abenteuer in der freien Natur zu erleben und die Spannung sowie das sich im Körper ausbreitende Adrenalin zu fühlen. Unvorsichtig und den Gefahren nicht wirklich bewusst wurde dem Drang nach Freiheit und Nervenkitzel freien Lauf gelassen und nicht selten endete so manches Wagnis oder Mutprobe mit aufgeschürften Knien oder sonstigen Schrammen. Mit fortschreitendem Alter und den dazugehörigen Verpflichtungen verfällt man in einen Alltagstrott von Beruf und Familie und auch die Freizeit bietet keine risikoreichen Erlebnisse mehr. Der erarbeitete Wohlstand und der Alltag vereinnahmen komplett, die vergehende Zeit stumpft den Geist ab und so langsam verblassen die Erinnerungen an die aufregende Jugend.

So ergeht es auch drei unserer vier Hauptpersonen in diesem Roman. Bloss Lewis der Fitness- und Körperfanatiker lässt sich nicht treiben sondern versucht mit allen Mitteln von Gewichtheben, Diäten, Leibesübungen und der Lektüre von Büchern über Tierpräparation bis Kunst seinen Körper und Geist fit zu halten und über die Zeit zu erheben. Er ist auch die treibende Kraft hinter dem Vorhaben den wilden Cahulawassee Fluss mit dem Kanu zu befahren. Und so geschieht es das vier Grossstädter sich voller Vorfreude in die unberechenbare Wildnis begeben und sich ein Stück Erinnerung an die Jugend zurückholen wollen. Doch was unbedarft beginnt wird zu einem psychischen Albtraum und ein Kampf ums überleben...

Dieser Roman erschien im Jahre 1970 und wurde nun komplett neu auf deutsch übersetzt. Obwohl der Roman vor mehr als 40 Jahren erschienen ist wirkt er alles andere als altbacken und hat von seiner Aktualität nichts eingebüsst. Im Gegenteil, die zunehmende Verstädterung der Gesellschaft macht ihn aktueller denn je. Das einzige was Heute anders wäre ist die Information über die Gefahren die eine solche Flussfahrt mit sich bringt, im Internet wäre wahrscheinlich jede noch so kleine Stromschnelle verzeichnet und dokumentiert. In den siebziger Jahren musste man sich halt mit einer simple Landkarte begnügen.

Die Geschichte ist aus der Warte des Ich-Erzählers Ed geschrieben und erzählt. Die Gedanken und die Gefühle von Ed werden akribisch geschildert und so entsteht die präzise Beschreibung eines sich heranschleichenden Grauens mit seinen gravierenden Folgen. Die Sprache wirkt zeitgemäss und hat etwas von diesen unvergänglichen amerikanischen Klassikern, mir gefiel sie ausserordentlich gut. Der Roman wird übrigens nur in fünf Kapitel unterteilt und das Erzähltempo ist eher bedächtig aber es entsteht eine unheimlich spannungsgeladene Atmosphäre die sich bald in den fürchterlichen Ereignissen entlädt.

Einen Teil seiner Faszination nimmt der Roman auch daraus das sich die Handlung fernab der Zivilisation in der Wildnis abspielt. Es ist das Eintauchen in eine andere Welt, die Personen sind isoliert und auf sich selbst gestellt. Da gilt es längst verloren geglaubte Sinne zu schärfen uns sich auf seine angeborenen Instinkte zu verlassen. Mit geschlossenen Augen sieht man das aufregende Naturschauspiel mit den intensiv leuchtenden Farben der Wälder vor sich und hört den tosenden Fluss in den hohen Schluchten grimmig rauschen. Der Leser wird so förmlich in die Geschichte hineingezogen und wird praktisch zum passiven fünften Teilnehmer des Ausflugs.

"James Dickey hat einen modernen Klassiker geschaffen, in dem Spannung und Tiefgang Hand in Hand gehen" Time Magazine

Dem Zitat des Time Magazine gibt es nichts mehr hinzuzufügen ausser das ich dieses Buch mit der vollen Punktzahl bewerte und den Büchereulen zum Lesen ans Herz legen möchte.

Das Buch wurde übrigens verfilmt mit Burt Reynolds und Jon Voight in den Hauptrollen. Die Kurzbeschreibung zum Film klingt meines Erachtens etwas reisserisch:

Kurzbeschreibungen von Amazon:

"Lewis Medlock, Ed Gentry, Bobby Trippe und Drew Ballinger, vier zivilisationsmüde Großstädter, starten das Abenteuer ihres Lebens. Sie fordern etwas heraus, das an ihre Männlichkeit, Tatkraft und Urinstinkte appelliert: den Chattooga, dessen Stromschnellen noch keiner vor ihnen überwunden hat. Ihre einzige Sicherheit sind zwei unsinkbare Aluminium-Kanus. Dennoch paddeln sie geradewegs in die Katastrophe. Aus ihrem Wochenend-Ausflug wird ein Höllentrip."