Kurzbeschreibung
Ein opulenter, farbenprächtiger Roman im Berlin des 19. Jahrhunderts
Schwarze Schatten, schemenhafte Züge, abgewandte Gestalten. Eine eindringliche Szenerie und kein einziges Gesicht. Als Rika das namenlose Bild geschenkt bekommt, ist sie so fasziniert, dass sie beschließt, den Maler ausfindig zu machen. Ihre Suche führt sie in die Spandauer Vorstadt zu Anthonis, einem Außenseiter, talentiert und rätselhaft, der sich von der Welt zurückgezogen hat und meist nur noch eine Sache auf die Leinwand bringt: Menschen ohne Gesichter. Instinktiv weiß Rika, dass mehr dahinter steckt, als Anthonis sie glauben lassen will — und sie ist entschlossen, sein Geheimnis zu enthüllen …
Über die Autorin
SUSANNE GOGA, 1967 geboren, ist eine renommierte Literaturübersetzerin. Sie schrieb zwei historische Kriminalromane, bevor sie sich mit „Das Leonardo-Papier” (2009 im Diana Verlag erschienen) dem klassischen historischen Roman zuwandte. Susanne Goga lebt mit ihrer Familie in Mönchengladbach.
Meine Meinung
Berlin 1876. Rika, die junge Witwe eines Textilfabrikanten erhält von ihrem Stiefsohn, der nur wenig jünger ist als sie, ein Gemälde als Geschenk, das sie durch sein ungewöhnliche Motiv sofort in seinen Bann schlägt. Die leidenschaftliche Kunstsammlerin ist fasziniert und möchte alles über die Herkunft des Bildes und seines Erschaffers wissen, doch ihr Stiefsohn hält sich seltsam bedeckt. Rika lässt sich davon nicht abhalten und macht sich auf die Suche nach dem Maler. Sie findet ihn, doch er ist nicht das, was sie erwartet hat. Athonis, wie er sich nennt hat ein Geheimnis, das Rika ergründen möchte, koste es was es wolle.
"Gesichter waren Landschaften für mich, die Geschichten erzählten; ich las ihn ihnen wie in einem Buch"
Ich wünschte, die Autorin hätte in mein Gesicht sehen können, während ich dieses Buch gelesen habe, denn die Landschaft meines Gesicht hat eine ganz eigene Geschichte erzählt, während die Seiten nur so dahin flogen. Sie hätte in meinem Gesicht die Freude sehen können, die ich empfunden habe, die Spannung, die während der ganzen Geschichte aufrecht erhalten wird, weil man als Leser genau den gleichen Stand hat wie Rika, das Geheimnis um den Maler vielleicht ahnt, aber nie ganz greifen kann. Die Trauer, wenn schreckliche Dinge passieren, mit denen man nicht gerechnet hat, die Wut, wenn der Stiefsohn Alexander seine perfiden Spielchen spielt, die immer auf Kosten des Glücks anderer Menschen gehen. Das Glück, wenn sich die Dinge zum Positiven verändern.
Die Landkarte meines Gesichtes war wirklich vielfältig während der schönen Lesestunden, die mir dieses Buch beschert hat.
Man ist mitten drin im Berlin des 19. Jahrhunderts, in der blühenden Stadt, der Metropole der Mode, der Stoffe und der Farben, schöpft beim Lesen aus den Vollen, wenn Susanne Goga vor dem inneren Auge diese prächtige Zeit wieder auferstehen lässt, die so sinnlich war, dass sie mit Händen greifbar scheint. Und dennoch fühlt der Leser hinter dieser sinnlichen Welt den aufkommenden Unfriede, die bevorstehenden Wirtschaftskrisen und den aufkommenden Fremdenhass. Auch diese Seite dieses ausgehenden 19. Jahrhunderts verschweigt die Autorin dem Leser nicht. Sehr gut gefallen hat mir auch der Ausflug Rikas in die Heimatstadt der Autorin, nach Mönchengladbach, eine Stadt, die im 19. Jahrhundert für ihre Stoffe und Tuche über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt war. In Susanne Gogas Büchern gibt es immer viel zu lernen, viel zu sehen, viel neues und auch viel Bekanntes. Diese Mischung gefällt mir ausgesprochen gut, vor allem, weil durch diese Vielfalt der Schwerpunkt nicht unbedingt auf der - durchaus vorhandenen - Liebesgeschichte liegt, die dennoch da ist, immer präsent und genau den Raum einnimmt, den sie braucht, um sich zu entfalten. Susanne Gogas Protagonisten machen alle eine Entwicklung durch. Die einen zu ihrem Vorteil, die anderen zu ihrem Nachteil. Alle haben ihre ganz eigene Stimme, ihre eigene Farbe, ihr eigenes Gefühl. Mein Herz gehörte in diesem Buch ganz klar dem Maler Anthonis mit all seiner Verletzlichkeit, seiner Zerrissenheit und letzendlich seiner großen Stärke.
Besonders beeindruckt hat mich die plastische Erzählweise Susanne Gogas, die nicht nur vergangene Zeiten im Kopfkino entstehen lässt. Es gelingt ihr sogar, die fiktiven Bilder des Malers Anthonis so anschaulich zu beschreiben, dass man als Leser diese Bilder vor Augen hat und sie unbedingt selbst sehen möchte. Umso trauriger, dass sie wirklich nur in der Fantasie der Autorin existieren.
Mich hat dieser zweite klassische historische Roman Susanne Gogas absolut begeistert. Die Autorin hat mit dem Leonardo-Papier ein gutes Fundament für dieses Genre gelegt. Mit der "Die Sprache der Schatten" hat sie auf dieses Fundament nun einen Palast aus Perlen gesetzt.