Legende vom Glück des Menschen - Peggy Mädler

  • Gebundene Ausgabe: 210 Seiten
    Verlag: Galiani, Berlin; Auflage: 1., Auflage (7. Februar 2011)
    Sprache: Deutsch


    Kurzbeschreibung
    Woraus aber besteht das Glück? Ein Debütroman der Extraklasse. Ziemlich viel, scheint es, hat sich Peggy Mädler mit ihrem Debütroman vorgenommen - denn in ihrem von Geschichten prallen Buch geht es darum, wie Glück entsteht, wie Gesellschaft funktioniert und wie private Erinnerung und die große Geschichte zueinander stehen. Die bescheidene, gewitzte und elegante Art, mit der sie die Anmaßung der Fragestellungen erzählerisch unterläuft, macht ihren Erstling zu einem Kabinettstück der deutschen Literatur. Knapp fünfzehn Jahre nach der Wende findet die junge Erzählerin im Nachlass der Großeltern ein Buch, das ihr Großvater zu einem Betriebsjubiläum geschenkt bekommen hat. Ein Fotoband von 1968, der Vom Glück des Menschen heißt, komponiert und betextet von Rita Maahs und Karl Eduard von Schnitzler. Die Anmaßung eines politisch verordneten Glücks empört die Enkelin. Wie kann ein Staat auf die Idee kommen, seinen Bürgern vorzuschreiben, wie sie glücklich werden? Anhand weiterer Fundstücke aus dem Nachlass beginnt sie zu rekonstruieren, wie sich ihre Großeltern kurz vor dem Zweiten Weltkrieg kennenlernten, heirateten und sich nach dessen Ende fast wie Fremde wieder gegenüberstanden, wie ihr Vater und ihre Mutter sich in der DDR kennenlernten und durchschlugen und wie sie, die Erzählerin selbst, und ihr älterer Bruder die Wende und die Zeit danach erlebten. Dabei überschreibt Peggy Mädler je ein Kapitel aus dem Propagandaband mit "Legenden" aus der Familiengeschichte ihrer Erzählerin. So entstehen die "Legende vom Glück der Arbeit", die "Legende vom Glück des Miteinanders" usw., und plötzlich wird klar: Ob und wie Menschen das Glück finden, hat oft weniger mit den großen Rahmenbedingungen zu tun, als mit privaten Begegnungen, kleinen Gesten und unspektakulären Zufällen. Und: Die besten Geschichten schreibt nicht die Geschichte, sondern das Leben selbst. Peggy Mädler ist dabei ein enorm warmherziger, reicher und sprachlich immens variabler Romanerstling gelungen. Ein Buch, das irgendwie glücklich macht.


    Über den Autor
    Peggy Mädler wurde 1976 in Dresden geboren, lebt und arbeitet als freie Dramaturgin und Regisseurin in Berlin. Sie ist Mitbegründerin des Künstlerkollektivs "Labor für kontrafaktisches Denken". Promotionsstipendium der Heinrich-Böll-Stiftung, Autorenstipendium des Künstlerdorfs Schöppingen, Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste.


    Meine Meinung


    "Das Zufriedensein ist etwas, das man nicht unterschätzen sollte."


    "Legende vom Glück des Menschen" ist Peggy Mädlers Debütroman und vorab möchte ich schon einmal festhalten, dass dieser Roman zu den mit Abstand besten Debütromanen gehört, die ich von einem deutschsprachigen Autor seit langem gelesen habe. Für mich gehört dieser Roman eindeutig zu den Highlights dieses Jahres.


    Peggy Mädler verbindet die eigenen Erinnerungen ihrer Ich-Erzählerin mit der historischen Vergangenheit und erzählt - an vielen Stellen sicherlich auch stark biographisch gefärbt - die Geschichte einer/ihrer Familie in der DDR.


    Zitat

    "Auf wie viele unterschiedliche Weisen man zurückblicken kann. Wie viele unterschiedliche Erinnerungen und Geschichten ich inzwischen kenne, von diesem nicht mal ein halbes Jahrhundert alt gewordenen Land, die mir von Freunden erzählt wurden, die ich las, immer auch mit einer Furcht im Herzen, das Zurückschauen könnte so etwas wie Nostalgie beinhalten."


    Die Ich-Erzählerin Ina findet fünfzehn Jahre nach dem Mauerfall im Nachlass ihres Großvaters einen Fotoband mit dem Titel "Vom Glück des Menschen". Ausgehend von diesem Buch erzählt Peggy Mädler die Lebensgeschichte Inas Familie. In kurzen Abschnitten, den sogenannten "Legenden", berichtet Ina von ihrer Familie. Von ihren Großeltern Erich und Elsa und wie sich sich im Krieg kennengelernt haben. Von ihrer Mutter Hanna, die mit ihrer alkoholkranken Mutter zusammenlebt. Von ihrem Vater Wolfgang, der als kränkliches Kind aufwächst, schon mit fünf Jahren an Tuberkulose leidet. Und Ina berichtet viel von ihrem Bruder Thomas, der den Kriegsdienst verweigert, stattdessen in einem Pflegeheim arbeitet. Später studiert er Politik und geht für eine Weile nach Madrid. So entstehen die "Legende des Lernens, die "Legende vom Glück der Arbeit", die "Legende vom Glück des Miteinanders". Ina versucht genau hinzuschauen, sie scheut sich nicht, Fragen zu stellen, Fragen an ihre eigene Familie, Fragen, die nicht leicht zu beantworten sind. Wie haben sich ihre eigenen Großeltern kennengelernt und wie konnte es Elsa so lange mit Erich aushalten, der als gebrochener Mann aus dem Krieg zurückgekehrt ist.


    Zitat

    "Ich als Teil einer kollektiven Erinnerung, zugehörig zu einer bestimmten Abfolge von Ereignissen. Ich bin dreiundreißig Jahre alt und habe keine Antwort auf viele Fragen. Meine Eltern haben of keine Antwort auf meine Fragen."


    Peggy Mädler erzählt diese Legenden mit einer ungeheuren Leichtigkeit. Verwebt häufig nebenbei die persönliche Geschichts Inas mit den größteren Zusammenhängen - vor allem mit politischen Ereignissen in der DDR. Die kurzen Geschichten sind an vielen Stellen unterhaltsam, aber auch immer wieder durchdrungen von einer umfassenden Traurigkeit, von Wut. Häufig sitzt schon beinahe eine gewisse Melancholie zwischen den Zeilen.


    Ein faszinierendes Erstlingswerk von einer Autorin, die hoffentlich noch einige weitere Bücher schreiben wird.
    10 Punkte.