Dem neuen Sommer entgegen - Janet Frame

  • •Gebundene Ausgabe: 287 Seiten
    •Verlag: Beck; Auflage: 2 (28. Februar 2011)
    •Sprache: Deutsch
    •ISBN 978-3406605208
    •Preis € 19,95



    Kurzbeschreibung'
    Dem neuen Sommer entgegen', 1963 in London geschrieben, ist erst nach dem Tod Janet Frames veröffentlicht worden. Ihr erschien dieser Roman zu persönlich, um ihn zu Lebzeiten zu publizieren.
    Grace Cleave verbringt ein Wochenende außerhalb Londons. Die junge Schriftstellerin aus Neuseeland wird von einem Kritiker, der es gut mit ihr meint, zu sich in den Norden Englands eingeladen. Aber gerade die schlichte Herzlichkeit und das Verständnis ihrer Gastgeber stellen Grace auf eine schwere Probe. Sie fühlt sich wie ein Zugvogel, auch, weil das Heimweh nach Neuseeland an ihr zehrt und ihr ganzes Leben im Ausland als flüchtig und vorübergehend erscheinen lässt. Alles Menschliche ist ihr irgendwie fremd, sie sucht nach ihrem Platz in der Welt - und muss ihn erst in ihrer eigenen Haut finden, ob gefiedert oder nicht.
    Wunderschön geschrieben, mit einer fast überwachen Genauigkeit, anrührend und auch komisch, ist dieser Roman aus dem Nachlass von Janet Frame ein weiteres Zeugnis dafür, dass diese Autorin zu den bedeutendsten der Literatur des 20. Jahrhunderts gehört. Vielen Lesern und Cineasten ist Janet Frame im Gedächtnis geblieben durch ihre Autobiographie 'Ein Engel an meiner Tafel' und deren Verfilmung durch Jane Campion.



    Über die Autorin
    Janet Frame wurde 1924 als drittes von fünf Kindern eines Eisenbahnarbeiters in Dunedin, Neuseeland, geboren, wo sie 2004 auch starb. Die Familienverhältnisse waren zum Teil tragisch, sie selbst wurde zu Unrecht als Schizophrene über Jahre in Nervenheilanstalten behandelt, u. a. mit Elektroschocks.
    Frame ist Autorin von zwölf Romanen. Ihre Autobiographie gehört zu den bedeutendsten Beispielen für dieses Genre im 20. Jahrhundert. Janet Frame zählte zu den Anwärterinnen für den Literaturnobelpreis.



    Meine Meinung:
    Ihren autobiografischen Roman (1963) wollte Janet Frame nicht zu Lebzeiten veröffentlichen, zu persönlich seien die Details.


    Ich war gefesselt von der Geschichte und konnte Grace Cleaves Verzweiflung beinahe körperlich spüren.
    Zentrales Thema ihrer Geschichte ist ihre fehlende Fähigkeit mit Menschen zu kommunizieren und da wundert es einen nicht, dass eines ihrer Lieblingswörter "Ja" ist, denn "dies erspart einem so viele Erklärungen".
    Wie einsam muss sich ein Mensch fühlen der stolz ist einen Satz wie "Es schmeckt mir so gut bei Ihnen" gesagt zu haben.


    Von Neuseeland nach England übersiedelt, wird Grace von einem Kritiker eingeladen das Wochenende in Nordengland bei seiner Familie zu verbringen. Die Einfachheit, die anwesenden Kinder, die fürsorgliche Ehe/Hausfrau überfordern Grace und sie wollte so gerne mitteilsam sein. Aber es gelingt ihr nicht; sie würde es wahrscheinlich niemals lernen. Richtig wohl scheint sie sich nur an ihrer Schreibmaschine zu fühlen.
    Die Worte die so gerne gesagt werden wollen sind in ihrem Kopf, finden aber keinen Ausgang und so erfährt der Leser auf das Genaueste ihre Beobachtungen, ihre Empfindungen und letztendlich auch ihre Einsamkeit und ihren Schmerz.
    Immer wieder schweifen ihre Gedanken nach Neuseeland ab, schmerzhafte aber auch schöne Erinnerungen an ihre Eltern und Geschwister leben auf.


    Kein einfaches Buch, ein eigenwilliger Schreibstil - aber eine ganz große Autorin.


    Volle Punktzahl

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Zitat

    Original von buzzaldrin
    Im nächsten Jahr ist Neuseeland Gastland der Buchmesse - da hoffe ich darauf, dass einige ihrer Bücher vielleicht noch einmal neuaufgelegt werden ... :wave


    ich habe heute Nachmittag die Neuauflage von "Dem neuen Sommer entgegen" im Buchladen in der Hand gehabt, bei den Sachen zum Gastland Neuseeland. Ich hab auch ein bisschen reingelesen, wollte mich aber erst noch genauer über die Autorin informieren.


    Eine gebundene Ausgabe gibt es auch.


    Danke für die Rezension, es scheint auf jeden Fall ein besonderes Buch zu sein :wave

  • Zitat

    Frau Willi
    Zentrales Thema ihrer Geschichte ist ihre fehlende Fähigkeit mit Menschen zu kommunizieren und da wundert es einen nicht, dass eines ihrer Lieblingswörter "Ja" ist, denn "dies erspart einem so viele Erklärungen".


    Meiner Meinung nach thematisiert Janet Frame - auf der horriblen Basis von acht schrecklichen Jahren in der Psychiatrie aufgrund einer fälschlicherweise diagnostizierten Schizophrenie - ihr eigenes Freigeistertum. Besonders deutlich wird das für mich, dass die unerwartete Konfrontation mit den beiden Kleinkindern Sara und Noel bei Grace eigentlich nie die verbitterte Kinderlose in ihren Refelexionen hochspült, sondern Erinnerungen an ihre eigene Kindheit in Neuseeland.


    Mein Lieblingszitat:


    Zitat

    "Ich will nicht wieder an die Schule zurück, (...) die tägliche Anwesenheitsprüfung, die vielen kleinen Kreuze in Band um Band um Band, die irgendwie als Beweis dafür gedacht sind, dass ein Schüler anwesend war oder gefehlt hat; was für eine naive Art, menschliche Bewegungen aufzuzeichnen, wo wir doch wissen, dass Kinder immerfort mit ihren Gedanken unterwegs sind, Touristen, die durch jede noch so ausgeklügelte Grenzschranke schlüpfen." (S. 166)