Inhalt:
Als „weißer Latino“ hat Rico es nicht leicht: die Latinos erkennen ihn nicht als einen der ihren an und für alle anderen ist er ein Kubaner, mit dem sie nichts zu tun haben wollen. Auch zu Hause läuft es alles andere als gut, und als Rico aus finanziellen Gründen auf eine Schule wechseln muss, in der Gewalt an der Tagesordnung ist, beginnt er in einen Drogen- und Gang- Sumpf abzurutschen. Um ihn davor zu bewahren, wollen die Eltern den Jungen auf die Militärakademie schicken, doch darauf hat Rico überhaupt keine Lust und verschwindet zu seinem Kumpel Gilberto aufs Land. Doch auch dort ist das Leben nicht so einfach, wie Rico es sich vorgestellt hat.
Meine Meinung:
„Runaway“ ist der erste Jugendroman des Pulitzer- Preisträgers Oscar Hijuelos und brachte ihm direkt eine Nominierung für den deutschen Jugendliteraturpreis 2011 ein. Die Geschichte ist keine Neue, ein Jugendlicher mit Migrationshintergrund, hin und hergerissen zwischen zwei Kulturen und mit den typischen Problemen des Erwachsenwerdens vollkommen überfordert. In den 19060ern wie auch heute ein durchaus aktuelles Thema, dass auch wohl nie an Aktualität verlieren wird und durch das „Runaway“ zu einem Klassiker der Jugendliteratur werden könnte.
Mit Rico hat der Autor einen Protagonisten geschaffen, wie er, trotz einer Vielzahl an Problemen, authentischer nicht sein könnte. Man kann sich problemlos in ihn hineinversetzen, sich mit ihm identifizieren, auch wenn man sein Verhalten und seine Taten nicht immer 100%ig nachvollziehen kann. Sowohl junge als auch alte Leser dürften Teile von sich selber in diesem Jungen, der verzweifelt auf der Suche nach seinen Wurzeln und seine Identität ist, wiederfinden. Dabei ist es völlig egal, ob der Leser selbst einen Migrationshintergrund, familiäre Probleme, eine Drogengeschichte etc. hat oder nicht – ein kleines Stück Rico steckt in jedem von uns, und genau darin liegt die Genialität dieses Buches.
Der Schreibstil des Autors (oder liegt es an der Übersetzung) ist allerdings ein wenig gewöhnungsbedürftig. Sehr umgangssprachlich (im Original wahrscheinlich Slang), sehr jugendlich, manchmal auch etwas übertrieben. Aber man gewöhnt sich schnell daran, so dass die verwendete Sprache nach wenigen Seiten nicht mehr stört.
Oscar Hijuelos geht sehr schonungslos mit seinem Helden um und lässt ihn allerlei Dinge erleben, die nicht unbedingt bei jedem Jugendlichen an der Tageordnung sind. Einiges ist sehr grausam und man fragt sich, wie viele Steine das Leben diesem Jungen denn noch in den Weg legen will. Doch Rico wächst an diesen Vorkommnissen, was sehr transparent und für den Leser klar ersichtlich dargestellt wird, und der Autor schafft es gerade in solchen Situationen immer wieder mit einer angenehmen Art von Humor, dem Leser ein Schmunzeln auf das Gesicht zu zaubern.
„Runaway“ ist kein Buch wie jedes andere. Es hinterlässt Spuren und ich gebe zu, dass ich es erst ein wenig „sacken lassen“ musste, um mir eine vernünftige Meinung bilden zu können. Mit ein wenig Abstand kann ich nun sagen, dass ich es für ein großartiges Jugendbuch halte, welches die Nominierung für den Jugendliteraturpreis mehr als verdient hat. Wer tiefgründige Jugendliteratur sucht, ist hier an der richtigen Adresse. Absolut empfehlenswert!