OT: Death and Nightingales 1992
Ihr fünfundzwanzigster Geburtstag soll für Elizabeth Winters der Tag ihrer Befreiung werden, so hat sie es geplant. In dieser Nacht wird sie mit dem Geld ihres Vaters fortgehen, um mit ihrem Geliebten Liam anderswo ein neues Leben zu beginnen. Beths Geschichte spielt an einem einzigen Tag, im Mai 1883. Sie lebt in Fermanagh, Nordirland. Ihr Leben ist geprägt von Gegensätzen. Ihr verstorbene Mutter war Irin, ihr Mann, Billy Winters, stammt von Engländern ab, die seit dem 17. Jahrhundert die Kolonialherren sind. Beth ist katholisch, Billy eine Art protestantischer Agnostiker. Die Menschen vor Ort leben ärmlich von Landwirtschaft oder arbeiten im Steinbruch, der Billy gehört.
Die Ehe ihrer Eltern war eine Liebesheirat, von Billy aus gesehen. Für ihre Mutter allerdings war sie eine Muß-Heirat, sie war von einem anderen schwanger. Beth ist nicht Billys Tochter. Er hat das erst nach der Eheschließung erfahren und hat seine Frau und vor allem Beth das immer spüren lassen. Zwischen Beth und Billy hat sich über die Jahre eine seltsame Symbiose entwickelt, sie hassen sich, können aber ohne einander kaum auskommen. Beth ist ökonomisch von Billy abhängig, er von ihren beträchtlichen Fähigkeiten in der Verwaltung seiner Farm und der Leitung des Haushalts. Abneigung, Respekt, Schuldgefühle und erotische Anziehungskraft vermischen sich zu einem klebrigen Beziehungsgeflecht, aus dem es für beide kein Entrinnen zu geben scheint.
Diese innere Situation spitzt sich zu durch die aktuellen politischen Entwicklungen, die schließlich in der Teilung Irlands gipfeln wird. Politische und religiöse Überzeugungen treffen immer härter aufeinander.
Liam, den Beth als Geliebten gewählt hat, scheint ihr einen Ausweg zu bieten. Aber ebensowenig, wie sich die sozialen, politischen und religiösen Probleme durch eine einzige Tat beseitigen lassen, ist die geplante Flucht eine einfache Lösung für Beths Probleme.
Dieser recht kurze Roman ist eine äußerst düstere, streckenweise grauenerregende Geschichte über ein gepeinigtes Land unter Kolonialherrschaft und die Pein der Menschen, die darunter leiden, und zwar Täter wie Opfer. Daß das Ganze ist einer geradezu märchenhaft schönen Frühlingslandschaft spielt, macht die Geschehnisse nur unheimlicher. McCabe gelingt es tatsächlich in einem sehr, sehr dichten Text, alle wichtigen Probleme darzustellen. Politik spielt ins Private, das Private wirkt nach außen und von dort weiter, nur um dann wieder ins Private zurückzukehren. Täter werden zu Opfern und umgekehrt, innerhalb weniger Stunden nur. Falschheit und Betrug sind lebensrettend und bedrohlich, töten sie nicht körperlich, so töten sie die Seele. Gewalt erzeugt unweigerlich Gegengewalt. Eine Ruhepause, einen Moment des Friedens gibt es nur auf einer Bühne, während eines Liederabends, der seinerseits bedroht ist durch Störer und auf dem schmalen Grat zwischen Folklore und Kitsch balanciert.
Inszeniert ist die Geschichte mit äußerster Spannung und Intensität. Das Ende, völlig unvorhersehbar, läßt eine schaudern, über das Leben der Figuren ebenso, wie über die Situation Nordirlands.
Der kurze Roman, der vor fast zwanzig Jahren zum erstenmal erschien, ist ein echtes Fundstück, die Geschichte allerdings bleibt einer nicht nur einmal quer im Hals stecken. Da die Zusammenhänge mit der englisch-irischen Politik fundamental zum Verständnis sind, hat die deutsche Ausgabe ein ausführliches Nachwort, im Romantext selbst wird nichts erklärt.
edit: ISBN/amazon-Link. Vielleicht klappt sie ja später.