Der Titel dieses Buches ist ein wenig flapsig, das gebe ich zu; und sicher war auch die Absicht damit verbunden, Leser anzulocken, die sich sonst eher weniger an spirituelle Inhalte wagen. Doch letztendlich ist dieses Buch wirklich "handfest", es vermittelt zu Dutzenden wichtige Einsichten und Erkenntnisse, und lässt uns an ganz alltäglichen Schwierigkeiten großer Meister teilhaben - ohne jedoch schwer lesbar zu sein!
Jack Kornfield ist ein wirklich bekannter buddhistischer Lehrer, und ich habe ein wenig den Eindruck, als habe er sich mit dem Verfassen dieses Buches selber etwas "gegönnt". Ein Schreibprojekt also, das ihm, ganz abgesehen von seinen sonstigen Erfolgsbüchern, einmal erlaubte, viele problematische Randbezirke spirituellen Lebens zu behandeln, die sonst immer vernachlässigt werden. Sehr wichtig auch: er nimmt sich selber zurück, erwähnt sich selber nur am Rande. Vielmehr trägt er zahllose Beispiele religiöser Praktizierender aus aller Welt zusammen - eben nicht nur von Buddhisten, sondern auch von Swamis, Rabbis, islamischen Gelehrten, und katholischen Ordensangehörigen. Die Anonymität bleibt dabei stets gewahrt, nur wer zustimmte, wird namentlich erwähnt.
Schon allein den Aufbau des Buches finde ich sehr durchdacht. Es besteht aus insgesamt vier Abschnitten, die alle aufeinander aufbauen (es ist also kein Buch zum Querlesen). Er beginnt sehr persönlich, mit Anekdoten aus seinem eigenen spirituellen Leben, und mit einer herzlichen Erklärung, wie er überhaupt an dieses Buch heranging. Sofort ist man vom durch und durch persönlichen Tonfall dieses Autors gefangen genommen, und sicher wird man auch schon hier so manches Mal lachen!
In Abschnitt Eins, "Die Vorbereitung der Ekstase", geht es darum, wie man überhaupt zu großen spirituellen Einsichten kommt. Egal, wie man es nennt, Erleuchtung, Herzensöffnung, das Paradies - es gibt kein Patentrezept dafür, wie man dorthin gelangt. Und erst recht keinen Fahrplan! Sehr humorvoll wird dem Leser vor Augen geführt, dass auch die größten Meister klein angefangen haben - und dass es mitunter Jahrzehnte dauert, bis sich spirituelle Praxis bemerkbar macht.
Abschnitt Zwei, "Die Tore des Erwachens", ist dann schon ein wenig buddhistischer. Anhand der vier bekannten buddhistischen Begriffe Mitgefühl, Leerheit, Einssein und Buddha-Natur zeigt uns Kornfield, welch unterschiedliche Wege es gab und gibt, sich auf Erkenntnis hin zu bewegen. Für manch einen eröffnet sich die Einsicht, während er Schwerkranke pflegt. Für einen anderen wiederum ist es soweit, wenn er alle Erwartungen loslässt. Und ein Dritter erlangt Erleuchtung, wenn er sich auf einem Spaziergang mit allem verbunden fühlt. Ich muss sagen, dieser Abschnitt war zwar hochinteressant, aber für einen Nicht-Buddhisten vielleicht doch ein wenig anspruchsvoll.
Abschnitt Drei, "Kein Abschied nach der Erleuchtung", ja, der geht so richtig "ans Eingemachte". Hier kommt genau das vor, was der Titel des Buches vermuten ließ: alle möglichen und unmöglichen Schwierigkeiten des Alltags, denen sich jemand gegenüber sieht, der seine Erleuchtungserfahrung in den Alltag hinüberretten will - und oft genug dabei fast versagt. Rebellische Teenager, Machtmissbrauch, Skandale, Wohlstandsgesellschaften, verständnislose Familienangehörige - vieles kommt hier vor, wird aber immer mit Herzenswärme und Verständnis verfolgt. Hier werden keine Urteile gefällt, sondern nur mögliche Stolpersteine auf dem spirituellen Weg aufgezeigt. Mein Kritikpunkt an diesem Abschnitt ist nur, dass er zu kurz ist!
In Abschnitt Vier, "Die gründliche Wäsche", wird es noch ein wenig persönlicher. Hier geht es um den Einzelnen, und um Hinweise, wie er sich nach seiner Einsichtserfahrung persönlich weiter entwickeln kann. Denn das muss er - es gibt eben keinen Ruhe- oder Stillstand nach der Erleuchtung! Man kann nie sagen, "nun hätte man es aber geschafft". Und das ist für einen jeden ernsthaft Praktizierenden ungemein wichtig zu verstehen! Man sollte ständig weiter an sich arbeiten, und nach und nach die gesamte Persönlichkeit in die Erleuchtung einbeziehen - eben auch die ungeliebten oder verdrängten Seiten unserer Psyche, unsere Macken und Marotten, unsere Emotionen, unseren Körper, unsere Familien, und - unseren Humor! sprich: auch ein Weiser sollte sich selbst nicht furchtbar ernst nehmen!
Das hört sich alles furchtbar nüchtern an, doch ich kann wirklich nur unterstreichen, welch großes Vergnügen mir dieses Buch bereitet hat! Ich hatte überhaupt nicht das Gefühl, in irgendeiner Weise "belehrt" zu werden. Nein, ich konnte vielmehr Schätze heben, und Anteil nehmen an den ganz alltäglichen Freuden und Leiden großer Meister aus aller Welt. Das hat meine Verbundenheit mit meinen Idealen ungemein gestärkt. Mir wurde klar, dass Selbstverwirklichung im spirituellen Sinne eben mehr ist, als ein Gelübde abzulegen, oder einer Gemeinschaft beizutreten. Es bedeutet, sich auf eine Erkundungsreise durch sich selbst zu begeben, und dabei alles vorurteilslos zu betrachten - nicht "hinzunehmen"! Gleichzeitig wurde ich auch noch wunderbar unterhalten, und genau das macht dieses Buch für mich zu etwas Besonderem. Ich würde es wohl nicht jedem empfehlen, aber zumindest jedem, der ein klein wenig Vorbildung auf spirituellem Sektor mitbringt - und der allzu faktenlastige oder trockene Ratgeber leid ist.