Nick Hornby, 31 Songs

  • Ich weiß es noch genau. Als dieses Buch damals erschien, habe ich es in der Buchhandlung durchgeblättert - und erstmal enttäuscht weggelegt, weil ich nach dem Durchlesen des Inhaltsverzeichnisses keinen einzigen der Songs kannte. Ein wenig später wurde mir dann mal die Hörversion ausgeliehen, und auch die hat keinen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen. Scheinbar eigent sich das Buch einfach nicht gut zum Hören - paradoxerweise. Und heute? Jetzt habe ich die gedruckte Version von einem lieben Menschen geschenkt bekommen - und ich liebe sie! So kann's gehen. Und woran liegt das nur?


    Ich glaube, man darf an dieses Buch nicht mit falschen Erwartungen herangehen. Es geht hier überhaupt nicht darum (genau wie in "Mein Leben als Leser"), dem Leser Empfehlungen zu geben, oder einen repräsentativen Querschnitt großer Hits zusammenzustellen. Nein, hier geht es schlicht und ergreifend um eine sehr persönliche Liebeserklärung. Und das, was jemand liebt, hat man als Zeuge nun mal nicht zu bewerten. Man kann sich höchstens fragen, ob diese L:iebe überzeugend geschildert wurde - und das wird sie hier, und zwar zu hundert Prozent!


    Es geht auch gar nicht so sehr um den jeweiligen Song. Dieses Büchlein ist sicher ebenso sehr Autobiographie und zeitgeschichtliches Dokument. Hornby ist ein Virtuose der Kurzform, des griffigen Statements, und der sozialkritischen Analyse. Alles das verbindet er in diesen 31 Porträts auf äußerst lesbare Weise.


    Die ersten fünf Songs lang hatte ich noch Komplexe, und fragte mich, ob ich dem Autor wohl würde folgen können - da ich doch seinen Musikgeschmack nicht unbedingt teile. Doch diese Sorge war unbegründet, und verlor sich sehr rasch. Denn da wir zumindest die Liebe zur Musik gemeinsam haben, hat er doch ein paar ganz entscheidende Nerven bei mir getroffen. Er hat mich erheitert, beruhigt, und teilweise sogar berührt und informiert.


    Erheitert, weil er so manche Anekdoten eingeflochten hat, die er mit dem Hören der Stücke verbindet. (So weiß ich nun zum Beispiel, woher etliche Anregungen für "High Fidelity" kommen!) Beruhigt hat er mich, weil er es wie kein Zweiter versteht, den nahezu zwanghaften Konsum einer Ware (in diesem Falle Popmusik) plausibel zu machen und zu erklären. Und das lässt sich wunderbar auf alle möglichen Bereiche der Populärkultur übertragen - auch auf das Lesen! Konsum stiftet Identität, und entspringt aus einer "gemeinsamen Vibration" zwischen Künstler und Käufer. Berührt hat mich Hornby an den Stellen, an denen die Musik sich mit Szenen aus seinem Privatleben vermischt. Er hat ja einen behinderten Sohn, und Musik scheint eines der wenigen Mittel zu sein, mit denen man Danny erreichen kann. Ja, und informiert wurde ich auch an einigen Stellen. Jetzt weiß ich endlich, was man unter einem "Bootleg" zu verstehen hat, und was der Unterschied zu einem Sample ist. Und viele Details aus dem Leben der Musiker waren mir auch neu.


    Hornby schwingt sich in diesen Texten sozusagen zu einem "Anwalt des Pop" auf. Aus jeder einzelnen Zeile spricht seine Überzeugung, dass etwas, das man oft und gerne einfach nur "konsumiert", nicht unbedingt schlecht sein muss. Im Gegenteil! Er belegt durch seine Erfahrungen, dass Pop wirklich eine Kunstform ist, die ihre eigene Berechtigung hat. Er reißt kulturelle Schranken nieder, und plädiert gegen jegliche Art von Snobismus. Er macht einfach Lust darauf, hemmungslos Musik zu hören! Und zwar mit ganz neuen, geschärften Ohren für das, was die Musik in uns zum Schwingen bringt. Ich hatte das Buch kaum ausgelesen, da habe ich mir meinen iPod geschnappt und stundenlang in Songs geschwelgt, die ich gerne höre. Und ich habe den Erinnerungen gelauscht, die dabei auftraten. Das ist doch eine ganz achtbare Leistung für so ein schmales Buch - dass es Auswirkungen auf unser "Leben danach" hat. Oder?