Ich mache eine Vorbemerkung. Die Bücher aus dem Gmeiner -Verlag sind in der Tat sehr (!) stramm gebunden bzw. geleimt. Man muss wirklich Kraft aufwenden, um die Seiten in lesbarem Abstand auseinander zu halten. Ob das nun gut oder schlecht ist...? Jedenfalls wird dieses Taschenbuch länger halten, da bin ich sicher.
Doch nun zum Buch.
Ich kann noch nicht einmal genau sagen, ob es gut oder schlecht war. Denn vieles ist mir einfach fremd geblieben - was ich erst einmal nicht als negative Wertung verstanden wissen möchte. Es ist zum einen sehr, sehr österreichisch. Das fängt an bei vielen Begriffen, die ich nicht kannte, und die bei mir nur lauter Fragezeichen hervorriefen. Was, bitte, ist z. B. ein Kieberer, ein Trafikant, oder eine Greißlerin?? Und auch, wie die Menschen sich unterhalten - immer diese Sätze mit "Geh, weißt schon" und so weiter, das wirkte auf mich in einem Krimi einfach befremdlich. Der ganze Umgangston in diesem Buch ist sehr "regional"
Fremd blieb mir auch die ganze Grundeinstellung, auf der die Handlung beruht. Es geht im Wesentlichen um "Gewalt gegen Frauen", um Frauen, die sich gegen ihre gesellschaftlich oder familiär bedingten Rollen auflehnen. Doch das ist teilweise einfach sehr überzeichnet. Eines der Todesopfer in diesem Buch ist z.B. eine frei liebende Emanze, ein anderes wiederum ist lesbisch und leitet ein Frauenhaus. Berenike wiederum, die Protagonistin, mag sich so gar nicht entscheiden - eigentlich hat sie was mit dem ermittelnden Polizisten, wehrt sich aber das ganze Buch über gegen seine erotische Anziehungskraft. Gleichzeitig ist sie offen für die teils heftigen erotischen Reize, die von allen möglichen Menschen ausgehen - auch von Selma, der Frauenhausleiterin, oder von Horst, ihrem Bekannten in Wien. Sehr merkwürdig, das Ganze.
Prinzipiell finde ich es gut, mal eine ganz andere Art von Heldin zu erfinden. Berenike (was für ein Name!) besitzt einen kleinen Tee-Salon im Ausseer Land, also im Salzkammergut, und zwar einen recht esoterisch geprägten Salon, mit angeschlossener Literatur-Ecke. Ich glaube, ich würde sie als "Hexe" im weitesten Sinne bezeichnen, zumindest aber als kräuterkundige und weise Frau, die sehr für Umwelteinflüsse und "Zeichen" und Stimmungen offen ist. Das zieht sich so durch das ganze Buch, und hat dem Ganzen einen nicht unerheblichen Reiz verliehen.
Toll fand ich auch die "Tee-Bezogenheit" dieses Buches. Fast alle Kapitel werden einer bestimmten Tee-Sorte zugeordnet, die dann auch noch in der Handlung vorkommt! Das war schon ein kleines Kunststück. Ich selber bin absoluter Tee-Fanatiker, und dies war auch der entscheidende Faktor, der mich zu diesem Buch hat greifen lassen. Toll beschrieben, mit sehr viel Lust an Genuss, Duft und Sinnlichkeit. Am Ende des Buches befindet sich außerdem ein kleines Verzeichnis aller hier behandelten Tee-Sorten - köstlich, und sehr ansprechend gemacht.
Ich merke, dass ich mich vor der Beschreibung der Handlung ein wenig drücke - und in der Tat ist das recht durchschnittliche Krimi-Kost. Vom Spannungsbogen her okay, aber auch nicht überragend. Berenike wird nämlich unfreiwillig in die Ermittlungen gezogen, weil sie es ist, die das erste Opfer findet - es ist ihre Tanzlehrerin. Und genau ab hier beginnt ihre völlig überspannte Reaktion auf die angebliche Unfähigkeit der Polizei. Überall sieht sie nur noch Gewalt gegen Frauen, und greift daher selbst in die Ermittlungen ein. Frauen sind gut, Männer sind böse. Ich gebe zu, ab und an hatte ich gehässige Gedanken. "Die braucht nicht nur einen Stecher, sondern auch einen Therapeuten". Nun ja. Letztlich ist es nicht einmal Berenike, sondern "Kommissar Zufall", der den Täter überführt. Eine große Überraschung ist das nicht - eher ein überzeichnet-stereotyper Täter. Nämlich....? Richtig, ein Frauenhasser! Ein wenig geärgert habe ich mich schon. Das Buch steuerte so verkrampft auf diese These zu, da hätte ein "etwas anderer Schluss" gut getan.
Ein wenig entsetzt war ich, dass das Buch auch noch mit der Ausländer-Problematik überladen wird. Berenike macht einen mehrtägigen Ausflug nach Wien, um den (türkischen) Ehemann einer Freundin zu finden. Und was sie dort beobachtet und erzählt, die Gepflogenheiten von türkischen Mitbürgern betreffend... das grenzte für mich an Rassismus. Oder zumindest an heftige kulturelle ignoranz, bzw. Intoleranz. Wie kommt sie überhaupt dazu, sich darüber zu äußern, wie es in einem türkischen Teehaus zuzugehen hat?? Das käme mir nie in den Sinn! Hier hätte ich Berenike gerne geschüttelt.
Ja, was bleibt von diesem Buch... es ist so ganz anders, als das, was ich erwartet hätte. Ungewöhnliche Heldin, auch sehr ungewöhnliche Sprache, mit vielen neuartigen Sprachbildern. Durchschnittliche Handlung, basierend auf teilweise sehr heftigen Stereotypen. Ein sperriger Regional-Krimi, gewürzt mit etlichen Elementen aus Esoterik und weiblicher Erotik. Ein gutes Rezept? Zumindest eines, das auffällt.