Kyoichi Katayama, Das Gewicht des Glücks

  • Was für ein traurig-schönes, aber doch luftig-leichtes Buch! Das kenne ich wirklich nur aus Japan: kleine, aber feine Geschichten, erzählt in einem gänzlich unprätentiösen Stil, der aber dennoch unter die Haut geht.


    Dieses Buch, das sich aufgrund seiner relativen Kürze bequem an einem Nachmittag lesen lässt, ist gleichermaßen Liebesgeschichte, Drama und Schilderung eines Reifungsprozesses. Gewissermaßen eine "Love Story" auf Japanisch! Thematisch gesehen, zerfällt es in drei Teile, die sich in einem angenehmen Rhythmus auf das Buch verteilen.


    Trauer Das Buch beginnt mit der Rahmenhandlung in der Gegenwart, welche sich später mit Rückblicken abwechseln wird. Sakutaro befindet sich mit den Eltern seiner an Leukämie verstorbenen Freundin Aki auf einer Reise nach Australien, um dort Akis Asche zu verstreuen. Der Trauerprozess eines Jugendlichen ist dermaßen authentisch geschildert, dass es nahezu unmöglich ist, nicht selber ergriffen zu sein! Zudem korrespondiert Saku-chans Stimmung auf auffällige Weise mit der weiten und leeren Landschaft des Outbacks.


    Erinnerung Was den Wert eines verstorbenen Menschen ausmacht, ist die Erinnerung, die wir an ihn haben. Auch diesen Teil gestaltet der Autor in ergreifender Einfachheit. Saku-chan und Aki kennen sich schon seit Jahren aus der Mittelschule. Fast ist es so etwas wie eine Sandkastenliebe zwischen ihnen. Nie haben sie aneinander gezweifelt, nie gab es wirklich eine andere Wahl. Wunderschön, wie sich zwei wirklich "reine Seelen" einander annähern! Gleichzeitig wächst zwischen ihnen das Bewusstsein, dass sie etwas Wertvolles mit ihrer Liebe besitzen. Ihre Gespräche schwanken zwischen Frotzeleien und hoch philosophischen Betrachtungen über das Leben. Ja, sie sind sich sogar so wertvoll, dass sie auf einem (heimlichen) Zeltausflug sogar darauf verzichten, miteinander zu schlafen. Erst ganz am Ende bricht langsam das Drama über beide herein: aufgrund einer ominösen Krankheit kann Aki nicht mit auf Klassenfaht gehen.


    Loslassen Unterschwellig zieht es sich durch das ganze Buch. Immer wieder werden in Rahmenhandlung und in die Erinnerungen Episoden eingebaut, in denen Menschen sterben, und andere weiterleben müssen. Einmal ist es eine Lehrerin an Akis Schule, einmal die ehemalige "große Liebe" von Saku-chans Großvater. Diese Episode gehört für mich zum Unvergesslichsten, ws ich jemals gelesen habe: der Großvater bricht sogar mit Saku-chans Hilfe auf dem Friedhof ein, um einen Teil der Asche seiner Geliebten zu entwenden! Denn wenigstens im Tod sollen sie vereint sein. Doch schließlich zeigt sich das Thema des "Loslassens" auch in einem Epilog, der zwar nur kurz ausfällt, aber dafür umso beeindruckender ist. Sakutaro ist offenbar älter geworden, und sucht in Begleitung einen Ort auf, an dem er mit Aki oft war. Endlich sieht er ein, dass Aki immer da sein wird, und trennt sich von seinem allerletzten Erinnerungsstück an sie...


    Die einzige Gefahr, die ich bei diesem Buch sehe, ist die, dass man es aufgrund seiner Handlichkeit und Kürze zu oberflächlich verschlingt. Ansonsten kann ich nur sagen, dass bei diesem Stück Buch gewordener Poesie absoluter Taschentuch-Alarm besteht! Wunderschön wie die Kirschblüte, leicht wie fallende Blütenblätter, und dennoch anspruchsvoll wie ein Haiku.

  • Hallo rumble-bee,


    gut ein Drittel der Geschichte habe ich bereits hinter mir und kann mich im Großen und Ganzen Deiner Meinung anschließen bis auf den ungleichmäßigen Rhythmus der Sätze, der beim Leser das Gefühl hinterlässt, dass der Text nicht einhundertprozentig funktioniert.
    Ob das an der Übersetzung oder bereits am Originaltext liegt, vermag ich nicht zu sagen.

  • Ich kann rumble-bees Begeisterung für dieses Büchlein leider nicht teilen. Die Geschichte hätte ergreifend sein können. Sie hätte vom Erwachsenwerden erzählen können und vom Glück, das manchmal in ganz in kleinen Dingen liegt. Doch der Ich-Erzähler bleibt mir zu fern. Die Geschichte hätte berichten können, was von einem geliebten Menschen bleibt - Dinge, die er gesagt und getan hat, Erinnerungen an Düfte und Melodien und an das was ihn wertvoll für uns gemacht hat. Und sie hätte mich traurig aber mit einem guten Gefühl zurücklassen können. All das hat sie nicht. Die Sätze wirken auf mich bis auf einige wenige bessere Passagen wie lieblos aneinandergereiht, stellen Behauptungen auf anstatt zu erzählen. Bilder von Meer und Kirschblüten erzeugen nicht automatisch Gefühle. Die Episode von der großen Liebe des Großvaters … ja. Auch sie hätte besonders sein können, aber der hölzerne Dialog zwischen Großvater und Enkel über die ungewöhnliche Bitte des alten Mannes macht sie zunichte.



    Ich bin mit japanischer Literatur nicht vertraut; vielleicht gibt es Besonderheiten, Stilmittel, Tabus. Oder die Übersetzung ist nicht gut gelungen. Das kann ich nicht beurteilen. Schade um all das, was die Geschichte hätte sein können, wirklich schade!

  • Ich habe das Buch nur angelesen. Sprachlich gefiel es mir überhaupt nicht. Und die Dialoge waren unglaublich banal, wie aus einer Teenager-Soap. Verbrämt mit dem vorangestellten Tod der weiblichen Protagonistin, ergab sich für mich ein pseudotragisches Konglomerat, bei dem ich mir irgendwie veräppelt vorkam. Nach dem Motto, "dir muss das Folgende jetzt gefallen, weil es ja schließlich so tragisch endet".


    Ich kann mich Ida anschließen: Es werden Behauptungen aufgestellt, anstatt dass dem Leser etwas gezeigt wird.