Die Villa am Rande der Zeit - Goran Petrovic

  • Die Villa am Rande der Zeit - Goran Petrovic
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    Kurzbeschreibung:
    Der Belgrader Student Adam erhält ein ungewöhnliches Angebot: Er soll ein Jahrzehnte zuvor erschienenes Buch umarbeiten. Ein scheinbar harmloser Auftrag. Doch bei der Lektüre macht Adam eine sonderbare Erfahrung: Unversehens findet er sich mitten in dem Roman wieder und begegnet anderen Lesern, die über dieselbe Gabe verfügen. Nicht alle haben ein unschuldiges Interesse an dem Buch. Als ein Mord geschieht, muss Adam sich entscheiden: Will er seinen Auftrag erfüllen oder verhindern, dass dieser imaginäre Zufluchtsort unwiederbringlich verloren geht?


    Meine Kurzbeschreibung
    Adam Lozanic bekommt den Auftrag ein Buch zu überarbeiten und weil er damit sehr viel Geld verdienen kann, nimmt er an. Adam hat ein Geheimnis, er bemerkt die Menschen die zur gleichen Zeit wie er ein Buch lesen. Das Buch, das er überarbeiten soll, ist ein sehr kostbar gebundenes Buch, das ganz ohne Handlung auskommt, es beschreibt lediglich eine Villa und deren Parkanlage.
    Die Geschichte pendelt zwischen Adam, der das Buch ändern soll, seinem Autor und verschiedenen Leser des Buches hin und her.


    Meine Meinung:
    Das Buch fängt ganz langsam an, es ist extrem ruhig und wunderschön geschrieben. Was mich am Anfang noch fasziniert hat, treffende Beschreibungen und Aufzählungen, wurde mit der Zeit immer langweiliger, weil wirklich gar nichts passiert. Die erste Hälfte des Buches könnte man ohne Verlust auf 50 Seiten zusammenfassen.


    Das Ende war enttäuschend, dem Autor scheinen die Ideen ausgegangen zu sein, auch sind ein paar Fäden ganz einfach vergessen worden.


    Wegen der wirklich schönen Sprache vergebe ich noch 4 von 10 Punkten.

  • Herzlichen Dank für diese Rezi und die damit verbundene "Warnung". Ich habe das Buch wieder von meiner Wunschliste gestrichen. Es zeigt sich doch immer wieder wie wichtig die Buchvorstellungen der Büchereulen sind. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von xania
    Ich wusste nicht, dass eine Rezi soviel Einfluss hat. Ich bin sehr gespannt auf weitere Meinungen.


    Ich weiß nicht, wieviel Einfluss eine Rezension auf mich hat - auf jeden Fall lässt mich eine negative Rezension vorsichtiger werden und verhindert damit meistens, dass ich ein Buch leichtfertig kaufe. Ich werde es mir aber - wenn es die Zeit zulässt - sicherlich mal aus der Bücherei holen und reinlesen ... :wave

  • Hm! Ich respektiere natürlich Deine Meinung, xania. Ich kann auch verstehen, dass Bücher auf verschiedene Menschen ganz verschieden wirken. Ich z. B. fand "Die Villa am Rande der Zeit" ganz toll! Hier ist meine Rezi.


    "Als Michael Ende verstarb, war ich am Boden zerstört und traurig. Denn niemals mehr, so dachte ich damals, würde es einen Autor geben, der auf dieselbe gekonnte und poetische Art und Weise eine "fantastische" Handlung in und um Bücher erfindet, der mit Wahrheit und Fiktion spielt, der doppelte Böden einzieht, der Menschen in komplette Welten entführt und sie sich dort auch gerne mal verlieren lässt. Die "Unendliche Geschichte" war für mich über viele Jahre das Buch der Bücher schlechthin. Doch mit Goran Petrovic scheint Michael Ende nun einen würdigen Nachfolger gefunden zu haben.


    Doch, je mehr ich darüber nachdenke, fallen mir mehr und mehr Parallelen auf. Und an einer Stelle im Buch von Goran Petrovic kommt sogar genau dieser Ausdruck vor: es handele sich um eine "Unendliche Geschichte"... Zufall?


    Etliche Elemente aus der "Unendlichen Geschichte" finden sich hier wieder. Auch hier haben wir eine Rahmen- und eine Binnenhandlung (die allerdings einen kleinen Seitenarm hat). Auch hier handelt es sich um einen eher einsamen jungen Mann, der per Zufall in ein Buch stolpert, und sich darin zu verlieren beginnt. Auch hier beginnen die verschiedenen Realitätsebenen, sich gegenseitig zu beeinflussen. Und auch hier gibt es etliche tragische Elemente - nämlich gleich drei mehr oder weniger unglückliche Liebesgeschichten, die auch noch gekonnt in die Geschichte Serbiens eingebettet werden.


    Ich möchte mich aber auch nicht zu sehr auf diesen Vergleich versteifen. Dieses Buch hat eine ganz eigene Atmosphäre - es ist sozusagen Balkan-Romantik pur! Sicherlich wird es in der Mitte ein wenig melancholisch, was dem auf Handlung bedachten Leser zäh vorkommen mag. Doch ich fand die mittleren Abschnitte, sobald ich mich darauf eingelassen hatte, einfach nur schön, tragisch, und romantisch. Das las sich fast wie ein "Buch im Buch" - der Leser erlebte hautnah mit, wie die Entstehungsgeschichte des geheimnisvollen Buches verlief, welches der Student Adam in der Rahmenhandlung lektorieren muss. Und wie könnte es anders sein - da wir uns auf dem Balkan befinden. ist die Ursache eine letztlich unerfüllte Liebe. Der Autor Anastas Branica kann sich nur auf Buchseiten mit seiner Geliebten treffen - im wahren Leben ist ihnen ein Zusammensein verwehrt. Und um seine Angebetete möglichst oft und lange für sich zu haben, beginnt er, ein Buch ohne Handlung zu schreiben, ein Buch, das nur aus Landschaft, Park und Villa besteht. Und genau dies ist die titelgebende "Villa am Rande der Zeit".


    Das Motiv der unerfüllten Liebe spiegelt sich noch zweimal im Buch, und diese Elemente sind ausgesprochen kunstvoll mit den verschiedenen Zeitebenen verschränkt. So wird dem Leser sehr subtil eine Botschaft überbracht, es wird ihm verdeutlicht, dass Literatur eben auch mit Leidenschaft zu tun hat, dass sich in Büchern Welten und Sehnsüchte ausdrücken können. Wundervoll, grandios und einmalig erdacht, geplottet und beschrieben!


    Doch das ultimative Kunststück des Autors Goran Petrovic besteht für mich darin, das Ganze auch noch vor der Kulisse der Geschichte Serbiens im 20. Jahrhundert ablaufen zu lassen. Und zwar so, dass es nicht überladen, und auch nicht trocken wirkt. Mir wurde eine Region mit ihrer Mentalität und bewegten Vergangenheit nahegebracht, von der ich auch nach dem Zuklappen des Buches gerne mehr wissen würde.


    Als "Sahnehäubchen" oder "Salz in der Suppe" fungieren dann noch die zahlreich über das Buch verstreuten Elemente des "magischen Realismus". Ein wenig "Blechtrommel-Feeling" kommt auf: da gibt es einen Mann, der sich eines Tages einfach nicht mehr bewegt, und somit auch schon mal nassgeregnet wird. Oder ein Haus, das mitten entzwei gebombt wird - und in dem die Menschen wohnen bleiben! Oder eine Familie, die unter ihrem traurigen Schatten leidet, und vor ihm auf einen Baum flüchtet. Und und und. Unglaublich originell.


    Ich kann wirklich keinen einzigen negativen Punkt an diesem Buch finden! Sicherlich muss man erst einmal in diesen Schreibstil einsteigen, und sicherlich werden dem Leser nicht alle Fragen auf dem Silbertablett serviert und beantwortet. Doch bei diesem Buch muss das eindeutig so sein! Das ist hier so gewollt, und unterstreicht die leicht fantastische Stimmung. Das Buch beschreibt sich selbst am besten - Goran Petrovic verdanken wir eines der wundervollsten Zitate über das Lesen überhaupt:
    "Lesemomente sind die längsten Augenblicke der Welt. Jeder einzelne ist eine kleine Ewigkeit wert." "

  • Du meine Güte, dieses Buch kann einen wirklich erschöpfen. Ich jedenfalls bin erschöpft. Und ein kleines bisschen stolz, dass ich es geschafft habe, alles komplett Wort für Wort durchzulesen.


    Das ganze Buch und die Geschichte (in der Geschichte) lebt natürlich aufgrund der Thematik von Beschreibungen, was ermüdend ist. Und trotzdem wollte ich unbedingt wissen, wie es zu Ende geht.


    Die Geschichten von fünf Personen, die dasselbe Buch lesen und sich darin treffen-spüren-sehen, jedoch im anderen "Dort" nicht besonders viel voneinander wissen, ja, sich manchmal nicht einmal erkennen, verspinnen sich jedoch auf eine Art und Weise in diesem einen Roman, der nur sehr detaillierte Landschafts- und Gartenbeschreibungen und die Architektur sowie die bis ins Kleinste geplante Ausstattung der "Villa am Rande der Zeit" beinhaltet, die einen atemlos zurücklässt, wie dieser ganze Satz jetzt hier gerade.


    Noch hinzugefügt: Eine Mischung aus Matrix und Tintenherz für Erwachsene...


    Bitte, es soll überhaupt nicht arrogant rüberkommen, aber: dieses Buch ist nichts für Wenig-Leser, eher etwas für "geübte" Leser.
    Man geht ja auch im Zillertal nicht auf eine 8-Stunden-reine-Gehzeit-Kletter-/Wandertour, wenn man vorher nur im Harz ein wenig spazieren war...


    Wie auch immer,
    trotz aller offen gebliebenen Fragen (vielleicht muss ich doch noch einmal zwischen den viel gerühmten Zeilen suchen gehen),
    gibt es für diesen sonderbarsten Roman
    8 Punkte.


    Und Gruß vom :pille killerbinchen


    P. S. Es hätte die volle Punktzahl geben können, wenn nicht eben doch die offen gebliebenen Fragen wären sowie die Tatsache, dass sich der Autor ab Seite 140 doch öfter mal zu Aufzählungen hinreissen lässt. Das lässt er aber auch wieder nach.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

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