'Der menschliche Makel' - Seiten 001 - 090

  • Mit dem ersten Teil bin jetzt durch. Bisher kommt mir das Buch wie ein großer Eintopf vor, in den der Autor immer noch weitere Zutaten hineinschnippelt: es werden immer neue Themen eröffnet, z.B. der Vietnamkrieg, das Verhältnis von Coleman zu seinen Kindern …


    Jaaa, und dann sind mir da noch die beiden Anspielungen darüber aufgefallen, dass Coleman und Faunia in wenigen Monaten sterben werden, S. 64 f. Oh, da wird das Ganze wohl in einer großen griechischen Tragödie enden? Ich bin gespannt.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Trotz teils vulgärer Sprache denke ich, dass Silk von seiner Geliebten insgesamt mit Respekt und Anerkennung spricht. Eine sexuelle Ausbeutung, wie ein anonymer Brief (Seite 52) vorwirft, liegt m.E. nicht vor.


    Respekt und Anerkennung? Woraus schließt du das genau?
    Ich frage mich die ganze Zeit, was genau er in dieser Beziehung sucht? Für mich bleibt seine Meinung über Faunia irgendwie schwammig. Gut, er respektiert sie vielleicht als Frau, die schon herbe Erfahrungen machen musste und daran nicht kaputt gegangen ist. Aber er hält sie ja nicht für sehr intelligent. Interessiert er sich für mich als nur für die gemeinsame Zeit im Bett?




    Zitat

    Folgenden Satz halte ich allerdings für zu dick aufgetragen:
    „Faunia lacht wie eine Bardame, die für alle Fälle immer einen Baseballschläger griffbereit hat, und so lachte sie dieses rauflustige Ich-hab-schon-alles-gesehen-Lachen - Sie wissen schon, dieses rauhe, lässige Lachen einer Frau mit Vergangenheit -, und während sie lachte, fummelte sie schon an meinem Hosenschlitz herum.“



    Du glaubst, er passt nicht zu ihr? Er übertreibt da etwas, um sie interessanter, verruchter darzustellen?



    Zitat

    Silks viagrageförderter Potenz steht Zuckermans Impotenz nach einer Prostataerkrankung entgegen, die in verblüffender Offenheit geschildert wurde, wie man es eigentlich kaum gewohnt ist.


    Die Schilderung seiner Inkontinenz und Impotenz fand ich sehr gelungen!

  • Zitat

    Original von Saiya


    Philip Roth zeichnet seine Figuren so detailgetreu. Ich habe beim Lesen wirklich das das Gefühl als würde ich ihnen lauschen. Er benutzt eine sehr bildhafte Sprache, zumindest entsteht bei mir ein großes Kopfkino. Ich kann mir die Figuren und ihre Mimik, ihre Gedankenwelt sehr gut vorstellen.


    Dass die Sprache sehr bildhaft ist, empfinde ich auch so. Ich habe (bis jetzt) ebenfalls ein relativ klares Kopfkino, was nicht generell der Fall ist, wenn ich solche Romane lese.

  • Zitat

    Original von Ronja
    Die Passage, in der Coleman seine Beziehung zu seiner Geliebten schildert, war mir etwas zu lange.


    Mir war die Beschreibung von Faunias Aussehen bei der Szene im Kuhstall zu lang. Hier hätte sich der Autor doch ein bisschen Arbeit sparen können, wenn er nur kurz erwähnt hätte, dass Faunia wie Nicole Kidman aussieht. *scherz*

  • Zitat

    Original von Herr Palomar


    Vielleicht wird in diesem Fall der Anlass auch sofort genutzt, um einen unbequemen Mann, der neue effektive, aber wenig geliebte Methoden eingeführt hat, loszuwerden.



    Das glaube ich auch. Er wird sich mit seinem "Aufräumen" viele Feinde gemacht haben. Die Schilderung, wie er innerhalb dieser Uni aufräumt, hat mir sehr, sehr gut gefallen. :lache Ich glaube, Professoren mögen es gar nicht, wenn man sie so behandelt. Allerdings wäre bei sehr vielen eine solche Behandlung dringend nötig. :grin

  • Zitat

    Original von Rika-


    Mir war die Beschreibung von Faunias Aussehen bei der Szene im Kuhstall zu lang. Hier hätte sich der Autor doch ein bisschen Arbeit sparen können, wenn er nur kurz erwähnt hätte, dass Faunia wie Nicole Kidman aussieht. *scherz*

    :lache
    Als ich den Roman das erste mal las, hätte ich nie mit Nicole Kidman gerechnet.
    Ich denke, sie ist die absolute Fehlbestzung für den Film gewesen und funktioniert bei mir auch heute noch nicht als Kopfkino beim Lesen.

  • Zitat

    Original von Rika-


    Allerdings habe ich den Eindruck, dass man aufgrund der langen Sätze schneller als üblich durch den Text liest. Irgendwie hastiger und atemloser. Ein paar Mal hab ich versucht, bewusst langsamer zu lesen, wurde dann aber bald automatisch wieder schneller.


    Interessant, dass es dir auch so geht! Ich dachte, das liegt heute an meiner Müdigkeit und Faulheit, dass ich es kaum schaffe, so langsam zu lesen, wie ich es üblicherweise mache. Ich werde das mal weiter beobachten. Liegt es daran, dass man vermeintlich überflüssiges schneller überliest?

  • Zitat

    Original von Ronja



    Du glaubst, er passt nicht zu ihr? Er übertreibt da etwas, um sie interessanter, verruchter darzustellen?


    Nein, ich finde den Satz zu gewollt. OK, die beiden spielen ihre jeweiligen Rollen, das gehört dazu. Aber wie der Satz formuliert ist, funktionierte für mich nicht so gut. Das klingt ja wie aus einem Hardboiled-Roman von Micky Spilllane.!

  • Zitat

    Original von Ronja


    Respekt und Anerkennung? Woraus schließt du das genau?
    Ich frage mich die ganze Zeit, was genau er in dieser Beziehung sucht?


    Vielleicht lasse ich mich auch von Nathans Interpretation täuschen, aber ich glaube, dass Faunias Art Silk gefällt, neben der sexuellen Amziehung, natürlich!


    Faunia wird als starke, berufstätige Frau geschildert, die schweigsame Analphabetin, die energisch zupackt.
    Das ist für mich keine negative Charakterisierung.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Vielleicht lasse ich mich auch von Nathans Interpretation täuschen, aber ich glaube, dass Faunias Art Silk gefällt, neben der sexuellen Amziehung, natürlich!


    Faunia wird als starke, berufstätige Frau geschildert, die schweigsame Analphabetin, die energisch zupackt.
    Das ist für mich keine negative Charakterisierung.


    Das empfinde ich ganz genauso. Ich hatte anfangs zwar die Befürchtung, aber beim weiteren Lesen habe ich nicht das Gefühl, daß hier ein alter Mann nur versucht eine junge Frau sexuell für sein Ego auszubeuten.


    Ich glaube aber auch, daß ihn einerseits die Gegensätze anziehen, er andererseits aber auch das Gefühl hat etwas mit ihr gemeinsam zu haben.


    Ich bin jetzt schon sicher, daß ich im Anschluß an diese Leserunde hier nach einer weiteren Roth-Empfehlung fragen werde. :-)

  • Heute morgen habe ich den ersten Abschnitt auch endlich fertig lesen können. Interessant fand ich noch, dass Delphine Roux (höchstwahrscheinlich) den Brief den sie Coleman Silk schickt handschriftlich verfasst hat. Wenn man nicht als Urheber erkannt werden möchte, dann sollte man doch vielleicht lieber einen solchen Brief auf dem Computer schreiben ...


    Die Passagen über Les Farley fand ich am Ende des Kapitels am beeindruckendsten, diese Passagen schildert Roth wirklich sehr intensiv und gelungen.

  • Zitat

    Original von Ronja


    Interessant, dass es dir auch so geht! Ich dachte, das liegt heute an meiner Müdigkeit und Faulheit, dass ich es kaum schaffe, so langsam zu lesen, wie ich es üblicherweise mache. Ich werde das mal weiter beobachten. Liegt es daran, dass man vermeintlich überflüssiges schneller überliest?


    Es könnte auch daran liegen, dass man bei solchen Bandwurmsätzen wissesn will, wie der Gedanke vom Satzanfang denn nun endet und man also aus Neugier ungeduldiger liest. Außerdem markieren ja Punkte größere Verschnaufpausen als Kommas, da aber seltener als üblich Punkte gesetzt werden, holt man auch weniger Luft beim Lesen. :gruebel

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    ...
    Vielleicht lasse ich mich auch von Nathans Interpretation täuschen, aber ich glaube, dass Faunias Art Silk gefällt, neben der sexuellen Amziehung, natürlich!


    Faunia wird als starke, berufstätige Frau geschildert, die schweigsame Analphabetin, die energisch zupackt.
    Das ist für mich keine negative Charakterisierung.


    Ich denke, was ihn an meisten fasziniert, ist die Gegensätzlichkeit von Faunia, vielleicht auch, dass sie so völlig anders ist als seine verstorbene, langjährige Ehefrau, mit der eine schwierige Ehe geführt hat, die bis zu seinem beruflichen Fall zum Ende hin von Gleichgültigkeit geprägt war. Aber diese Ehe war gesellschaftlich akzeptiert. Seine Beziehung zu Faunia ist grundsätzlich anders: leidenschaftlich im Inneren, aber äußerst kompliziert, was die Akzeptanz durch das Umfeld betrifft.


    Vielleicht ist es aber nicht nur das "Anders", was ihn umtreibt. Vielleicht wird ihm auch nur bewusst, dass sein Leben zum großen Teil vorbei ist, dass er nicht mehr viele Möglichkeiten haben wird, sein persönliches Glück zu finden :gruebel


    Zur Charakterisierung von Faunia: Ich finde sie auch nicht negativ.

  • Zitat

    Original von Clare


    Zur Charakterisierung von Faunia: Ich finde sie auch nicht negativ.



    Ich persönlich finde sie ebenfalls nicht negativ. Ich hatte nur zu Beginn das Gefühl, dass Colemann nicht die anregenden Unterhaltungen mit ihr schätzt. Da ich aber mittlerweile den ersten Teil fertig gelesen habe, hat sich mein Eindruck nun etwas verändert.


    Ich denke auch, dass es die Gegensätze sind, die sich da anziehen.


    Gerade die Beschreibung (in meiner Ausgabe auf Seite 60) von Faunia, als Colemann und Nathan sie bei der Melkarbeit besuchen, hat mich davon überzeugt, dass auch Colemann sie höher schätzt, als ich es zunächst gedacht habe.


    In ihrer zupackenden Art ist sie mir sehr sympathisch. Mehr weiß ich von ihr ja noch nicht.


    Dann "arbeite" ich jetzt noch meine Klebezettelmarkierungen ab:


    Allgemein scheint mir trotzdem der Sex das zu sein, dass Colemann am meisten (an Faunia) interessiert. Mir kommt das Wort "vögeln" nun doch langsam zu häufig vor.


    Aufgefallen ist mir dazu auch dieser Satz (bei mir S. 63): "Es war der Blick eines Menschen, für den sowohl Sex als auch Treubruch (interessantes Wort!) so grundsätzlich wie das tägliche Brot sind."


    Wird irgendwo erwähnt, dass Faunia generell untreu ist? Was ist hier mit dieser Anspielung gemeint? Und wieder ein Hinweis darauf, dass Faunia für Colemann hauptsächlich aus "Sex" besteht.


    Interessant dazu auch folgender Satz: "Faunia war [...] und diese Wölbung unter ihren Augenbrauen war das einzige Exotische an ihr, der einzige Hinweis auf Charme, und mutete wie etwas an, das durch ein Verlangen angeschwollen war."


    Was ist nun damit wieder gemeint? Eine Wölbung unter den Augenbrauen, die durch "ein" (?) Verlangen (nach was?) angeschwollen war.



    Himmel, muss es Nathan nicht furchtbar langweilig geworden sein, 1 1/2 Stunden Faunia beim Melken und der Reinigung des Melkgeschirrs zuzusehen? Diese Szene kommt mir vor, als wären es zwei Teenager. Klar, dass der eine dem anderen seine Eroberung zeigen will und dass der eine auch lange der Frau beim arbeiten zugucken kann, aber man bringt seinen Freund nicht in diese Situation - jedenfalls nicht 1 1/2 Stunden lang!



    Noch etwas Interessantes, dass mir den Charakter von Colemann etwas näher bringt: " ... selbst sein Rückzug vom College war keine Kapitualtion, sondern ein Akt empörten Protestes gewesen, eine wohlüberlegte Manifestation seiner unerschütterlichen Verachtung."

  • @ Ronja:

    Zitat

    Interessant dazu auch folgender Satz: "Faunia war [...] und diese Wölbung unter ihren Augenbrauen war das einzige Exotische an ihr, der einzige Hinweis auf Charme, und mutete wie etwas an, das durch ein Verlangen angeschwollen war." Was ist nun damit wieder gemeint? Eine Wölbung unter den Augenbrauen, die durch "ein" (?) Verlangen (nach was?) angeschwollen war.


    Na ja, ich interpretiere das ein bisschen unanständig:


    :gruebel

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)



  • Dass so etwas gemeint ist, ist mir soweit klar. Allerdings braucht man dazu schon eine Menge Phantasie. Vor allem, wenn man es genau so interpretiert, wie du denkst, dass es gemeint sein könnte. :lache



    So, und wer hebt und senkt jetzt nicht die Augenbrauen? :rofl

  • Zitat

    Original von Ronja
    Aufgefallen ist mir dazu auch dieser Satz (bei mir S. 63): "Es war der Blick eines Menschen, für den sowohl Sex als auch Treubruch (interessantes Wort!) so grundsätzlich wie das tägliche Brot sind."


    Wird irgendwo erwähnt, dass Faunia generell untreu ist? Was ist hier mit dieser Anspielung gemeint? Und wieder ein Hinweis darauf, dass Faunia für Colemann hauptsächlich aus "Sex" besteht.


    Diesen Satz kann man natürlich auch so interpretieren, dass Faunia immer wieder Untreue erlebt/erlitten hat.
    Dabei verbinde ich mit dem Wort "Treubruch" auch nicht ausschließlich sexuelle Beziehungen.
    Vor allem hat sie Sexualität ja bei weitem nicht nur freiwillig und partnerschaftlich erlebt...


    Und da diese Schilderung Faunias von Nathan stammt, sagt sie auch wenig darüber aus, wie Coleman Faunia einordnet.