'Der menschliche Makel' - Seiten 001 - 090

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    Original von Saiya
    Als erstes fiel mir die Anmerkung des Übersetzers vorne auf, worin er erklärt wieso er die Aussage von Prof. Silk mit "dunkle Gestalten, die das Seminarlicht scheuen" übersetzt hat. Im englischen steht für die angeblich rassistische Äußerung nur ein Wort, und zwar "spook", was neben Gespenst oder Spion auch eine abfällige Äußerung eines Weißen gegenüber eines Schwarzen (oder umgekehrt) bedeuten kann.


    Unsere Beiträge scheinen sich überschnitten zu haben.
    Danke dir für die Erklärung. Ich weiß nicht, ob diese Anmerkung bei mir fehlt, oder ob ich sie heute morgen einfach nur überblättert habe.
    Richtig anfreunden kann ich mich mit der gewählten Übersetzung aber, wie gesagt, nicht.

  • Zitat

    Original von Saiya
    buzzaldrin :
    In meiner Taschenbuchausgabe ist vorne eine Anmerkung des Übersetzers (s. a. meinen Beitrag oben) Ich kann sie gerne komplett hier zitieren, wenn sie in deiner Ausgabe fehlt.


    Der Bezug zur griechischen Tragödie ist mir auch sofort aufgefallen. Ich bin sehr gespannt, ob das Thema auch später weiter aufgegriffen oder vertieft wird.


    Mich hat die College-Affäre an "Der Fliegenfänger" erinnert.


    Ich habe gerade noch mal nachgeschaut und auch ich habe die Anmerkung des Übersetzers in meinem Buch abgedruckt. Das scheine ich vorhin einfach überblättert zu haben.


    Der Bezug zur griechischen Tragödie finde ich persönlich sehr interessant - ich mag solche intertextuellen Verweise sehr gerne. Das erinnert mich an "Der Turm" von Uwe Tellkamp.


    "Der Fliegenfänger" habe ich zwar auch gelesen, das war aber nicht unbedingt meine erste Assoziation bisher ... :gruebel

  • Den "Fliegenfänger" habe ich erst vor Kurzem gelesen und mir schoss einfach "schon wieder jemand, dessen Leben einfach so ruiniert wird, weil es irgendjemanden gerade in den Kram paßt" durch den Kopf. Also nur in Bezug auf die Ursache. Der Rest des Buches ist natürlich vollkommen anders.


    "Der Turm" ist jetzt erstmal auf meiner Wunschliste gelandet. :-)

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    Original von buzzaldrin
    Ich finde es schon zu Beginn erschreckend zu sehen, wie schnell - aufgrund einer möglicherweise unbedachten Bemerkung - ein ganzes Leben auseinanderbrechen kann.


    Vielleicht wird in diesem Fall der Anlass auch sofort genutzt, um einen unbequemen Mann, der neue effektive, aber wenig geliebte Methoden eingeführt hat, loszuwerden.

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    Original von Macska


    Ich weiß nicht, ich sehe es nicht als einseitig an. Irgendwie finde ich es schon Vertrauensbeweis, wenn ein Mann so einfach mit einem anderen Mann Foxtrott tanzt. Hat man ja auch nicht alle Tage. Und gerade das nicht mehr können ist ja doch ein heikles Thema, was man selbst nicht mit den besten Freunden bespricht. Und irgendwie muss sich das ja auch aus der Situation ergeben.


    In der bisher geschilderten Situation ist es so, dass Nathan ganz klar die Rolle de Zuhörers einnimmt. Das ergibt sich wahrscheinlich auch aus dem Naturell eines Schriftstellers.


    Grundsätzlich finde ich es gut, das Coleman sich so kämpferisch gibt und ein Buch über die Affäre schreiben will. Aber viel nützen wird das wohl nicht.

  • Nun hab ich den ersten Abschnitt auch mal durch. Hmh, ich bin noch etwas unsicher was ich davon halten soll. Die dichte Handlung ist ziemlich packend, aber naja, die Sprache ist etwas ungewöhnlich und manchmal etwas sehr trivial und unpassend wie ich finde.


    Mit Coleman an sich habe ich auch so meine Probleme, ich komme nicht so recht mit der Vorstellung klar das ein über 70-jähriger wie ein attraktiver 40-jähriger aussieht, so weit reicht meine Vorstellungskraft nicht.
    Dagegen finde ich die Figur des Nathan sehr interessant. Der hat Potential und ich hoffe auf mehr persönliches von ihm.


    Die vielen verschiedenen Themen die behandelt werden, finde ich sehr gut dargestellt, das ist auch mit das beste bislang für mich.


    Mal sehen wie es weitergeht.

    :lesend
    Rachel Aaron - The Spirit Rebellion
    Patrick Rothfuss - Der Name des Windes
    Stefan Zweig - Sternstunden der Menschheit

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    Original von Herr Palomar
    Vielleicht wird in diesem Fall der Anlass auch sofort genutzt, um einen unbequemen Mann, der neue effektive, aber wenig geliebte Methoden eingeführt hat, loszuwerden.


    Das kann natürlich auch sein. Einigen hat dieser Anlass wahrscheinlich sehr gut gepasst.
    Die Methoden, die Coleman Silk eingeführt hat, klingen zumindest sehr effektiv. Wobei ich mich auch frage, warum er mit 71 Jahren überhaupt noch arbeitet und noch nicht in Rente ist.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar


    In der bisher geschilderten Situation ist es so, dass Nathan ganz klar die Rolle de Zuhörers einnimmt. Das ergibt sich wahrscheinlich auch aus dem Naturell eines Schriftstellers.


    Grundsätzlich finde ich es gut, das Coleman sich so kämpferisch gibt und ein Buch über die Affäre schreiben will. Aber viel nützen wird das wohl nicht.


    Für mich hat aber die Rolle, welche er einnimmt, nichts mit Vertrauen zu tun. Es stimmt schon, das Nathan die Rolle des Zuhörers im Moment hat. Aber deshalb ist es für mich keine einseitige Freundschaft oder ein einseitiger Vertrauensbeweis.

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

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    Original von Rika-
    ...
    Ja, und dann ist mir noch aufgefallen, dass Mr. Roth zu langen Sätzen mit Nebensatzeinschüben neigt. Na ja, sei’s drum. :-) Und Fremdwörter verwendet der Autor auch gern – werde ich hier also meinen Wortschatz erweitern. :lache


    ...


    Die langen, verschachtelten Sätze sind mir als Erstes aufgefallen, schon auf den ersten zwei Seiten. Ich liebe lange, komplexe Sätze, wenn sie fließen und mich voranbringen im Buch, wenn sie treffend eine Person oder die Lebensumstände entwickeln und ein Bild entstehen lassen. Viele Autoren versuchen das, aber nicht alle können es. Philip Roth kann es meisterlich! :anbet


    Dieses Buch ist mein erstes von Roth, und schon jetzt verstehe ich nicht, wie mir der Autor bisher entgehen konnte.


    Inhaltlich wurde hier ja schon viel gesagt, das spare ich mir jetzt.
    Von den menschlichen Beziehungen, die geschildert wurden, den freundschaftlichen, den amourösen und den feindschaftlichen, berührt mich die Freundschaft zwischen Nathan und Coleman bisher am meisten, die Roth so schlicht beschreibt und die in Nathans Worten: "Coleman Silk tanzte mich zurück ins Leben.", auf den Punkt gebracht wird. Interessant auch der kurze Exkurs in das Mysterium "Männerfreundschaft"...

  • Zitat

    Original von buzzaldrin


    Das kann natürlich auch sein. Einigen hat dieser Anlass wahrscheinlich sehr gut gepasst.
    Die Methoden, die Coleman Silk eingeführt hat, klingen zumindest sehr effektiv. Wobei ich mich auch frage, warum er mit 71 Jahren überhaupt noch arbeitet und noch nicht in Rente ist.


    Ist es nicht schon ein paar Jahre her, dass Colemans Frau starb und er seine Arbeit aufgab? Ich hatte es so verstanden, dass er in dieser Zwischenzeit an seinem "Buch" geschrieben hat.
    Im ersten Satz des Romans steht:
    "Im Sommer 1998 gestand mir mein Nachbar Coleman Silk - der, bevor er zwei Jahre zuvor in Ruhestand gegangen war..."


    Ich meine, Nathan umschreibt diese Zeit irgendwo auch als "Zeit des Wahnsinns" oder so ähnlich.

  • Zitat

    Original von Clare
    Ist es nicht schon ein paar Jahre her, dass Colemans Frau starb und er seine Arbeit aufgab? Ich hatte es so verstanden, dass er in dieser Zwischenzeit an seinem "Buch" geschrieben hat.
    Im ersten Satz des Romans steht:
    "Im Sommer 1998 gestand mir mein Nachbar Coleman Silk - der, bevor er zwei Jahre zuvor in Ruhestand gegangen war..."


    Ich meine, Nathan umschreibt diese Zeit irgendwo auch als "Zeit des Wahnsinns" oder so ähnlich.


    Achso, ich verstehe. Danke für die Erklärung :wave


    Dennoch immer noch ein hohes Alter um noch in der Universität zu arbeiten. Irgendwie wäre es ihm einfach zu wünschen gewesen, wenn er einfach in den Ruhestand gegangen wäre, bevor er so hätte abtreten müssen ...

  • Zitat

    Original von buzzaldrin


    Achso, ich verstehe. Danke für die Erklärung :wave


    Dennoch immer noch ein hohes Alter um noch in der Universität zu arbeiten. Irgendwie wäre es ihm einfach zu wünschen gewesen, wenn er einfach in den Ruhestand gegangen wäre, bevor er so hätte abtreten müssen ...


    Finde ich auch. Aber vielleicht ist es in Berufsgruppen, die eher geistig als körperlich arbeiten, wirklich so, dass man einfach noch nicht aufhören kann und will.
    Entlassen hätte man Coleman auch nicht, aber er ist selbst gegangen, weil er es nicht mehr ertragen konnte. Seine Kollegen dachten auch eher, dass er warten würde, bis sich die Wogen wieder geglättet hätten, aber wer hält solch einen Zustand von Rufmord schon aus, und ich denke, dass Silk nach dem Tod seiner Frau auch nicht mehr so recht wusste, wofür eigentlich noch.

  • Zitat

    Original von buzzaldrin


    Unsere Beiträge scheinen sich überschnitten zu haben.
    Danke dir für die Erklärung. Ich weiß nicht, ob diese Anmerkung bei mir fehlt, oder ob ich sie heute morgen einfach nur überblättert habe.
    Richtig anfreunden kann ich mich mit der gewählten Übersetzung aber, wie gesagt, nicht.


    Grundsätzlich finde ich es sehr ehrlich und sympathisch, wenn ein Übersetzer von den Grenzen des Übersetzens spricht.
    Im großen und ganzen habe ich den Eindruck, dass der Roman von Dirk van Gunsteren hervorragend übersetzt ist. Ohne den Orignaltext zu kennen, kann man das nicht genau sagen, aber teilweise scheint mir der Text von Roth doch sehr komplex.


    Dirk van Gunsteren hat neben anderen Romanen von Roth auch schon Jonathan Safran Foer, Colum McCann, Peter Carey
    und Thomas Pynchon (!) übersetzt. Er scheut anscheinend keine Herausforderung! :fingerhoch

  • Ich wollte den Übersetzer auch auf keinen Fall kritiseren, ich habe schon mehrere übersetzte Roth-Romane von ihm gelesen und war immer sehr angetan. Nur diese eine Wendung hat mich halt nicht wirklich überzeugt ... wobei ich mir auch vorstellen kann, dass es schwierig ist einen Begriff wie "spooks" adäquat zu übersetzen.


    Ich bin jetzt fast fertig mit dem ersten Abschnitt, der mir gut gefallen hat. Gerade auch zum Ende des Abschnitts konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Die Beschreibungen von Les Ferley sind sehr gelungen, meiner Meinung nach.
    Interessant fand ich auch die Charakterisierung von Colemans Sohn Mark, der sich - anders als der Rest seiner Familie - dazu entscheidet orthodoxer Jude zu werden.


    Auch gibt es weitere intertextuelle Anspielungen, z.B. auf eine Szene aus "Der Tod in Venedig" von Thomas Mann.

  • Zitat

    Original von buzzaldrin


    ... Die Beschreibungen von Les Ferley sind sehr gelungen, meiner Meinung nach.
    Interessant fand ich auch die Charakterisierung von Colemans Sohn Mark, der sich - anders als der Rest seiner Familie - dazu entscheidet orthodoxer Jude zu werden.


    Wie schon gesagt ist es mein erster Roman von Roth, und so habe ich auch keine Vergleichsmöglichkeiten. Der Autor legt scheinbar großen Wert auf die Ausleuchtung der Personen, z.B. Les Ferley, dessen Lebensumstände, Geschichte, Gedankengänge sehr ausführlich beschrieben wurden, zudem immer mit politischen Hintergrund. Ist das in allen Roth-Romanen so?


    Zitat

    Auch gibt es weitere intertextuelle Anspielungen, z.B. auf eine Szene aus "Der Tod in Venedig" von Thomas Mann.


    ?( Helft mir mal bitte! Wir haben ja alle unterschiedliche Ausgaben, und "Seite 78" hilft mir leider gar nicht. In welcher Szene gibt es die Anspielung auf "Der Tod in Venedig", die mir leider entgangen ist?

  • Zitat

    dem Rausch des letzten Abenteuers, dem, was Thomas Mann, als er über Aschenbach schrieb, "das späte Abenteuer der Gefühle" nannte.


    Damit vergleicht er die Gefühle des älteren Coleman zur jüngeren Faunia mit der Hauptfigur aus Tod in Venedig, Aschenbachs Gefühle für Tadzio!

  • Zitat

    Original von Clare
    Die langen, verschachtelten Sätze sind mir als Erstes aufgefallen, schon auf den ersten zwei Seiten. Ich liebe lange, komplexe Sätze, wenn sie fließen und mich voranbringen im Buch, wenn sie treffend eine Person oder die Lebensumstände entwickeln und ein Bild entstehen lassen. Viele Autoren versuchen das, aber nicht alle können es. Philip Roth kann es meisterlich! :anbet


    Da stimme ich Dir zur, die langen Sätze bekommt Philip Roth gut hin. (Ich musste nur manchmal an den armen Übersetzer denken und ihn bedauern.) ;-)
    Allerdings habe ich den Eindruck, dass man aufgrund der langen Sätze schneller als üblich durch den Text liest. Irgendwie hastiger und atemloser. Ein paar Mal hab ich versucht, bewusst langsamer zu lesen, wurde dann aber bald automatisch wieder schneller. Absolut passend fand ich dieses hastige Lesen bei der Darstellung von Farleys Vietnam-Trauma – dazu passten die Schachtelsätze ideal, weil das dann noch eindringlicher auf mich gewirkt hat. Farleys Geschichte war für mich bisher die beste Stelle des Buches. (Nur frage ich mich, wer uns dies alles so genau erzählen kann, war doch bisher Nathan die Stimme des Autors. War das ein Perspektivwechsel? Nehm ich das alles zu genau?)


    Tja, aber wenn das ganze Buch so kompakt und hastig ist … Ich würde mir auch mal langsamere, beschreibende Passagen wünschen – zur Erholung. :-)

  • Ich bin mit diesem Abschnitt noch nicht ganz fertig. Trotzdem hier schon mal ein paar Anmerkungen von mir.


    Die Sprache gefällt mir gut. Dass die Sätze relativ lang sind, fällt mir kaum auf, der Text lässt sich trotzdem sehr flüssig lesen.


    Die Passage, in der Coleman seine Beziehung zu seiner Geliebten schildert, war mir etwas zu lange. Ich hatte schon die Befürchtung, der Hauptaspekt liegt wieder auf dem Thema: älterer Professor und junge Frau. Ich hatte damals schon "Das sterbende Tier" abgebrochen, weil es mir zu langweilig und zu plump-sexlastig war.



    Zitat

    Original von Herr Palomar


    Coleman Silk wird schon auf den ersten Seiten sehr gut als Figur entworfen. Jedoch wird er zunächst nur von Außen betrachtet. So macht Philip Roth den Leser noch mehr gespannt auf die Figur.


    Es ist meiner Meinung nach eher schade, dass Coleman (erstmal?) so blass bleibt. Gespannt macht mich das im Moment tatsächlich nicht. :lache Da finde ich Nathan gerade viel interessanter.



    Zitat

    Auf Seite 22/23 portraitiert Philip Roth dann mit wenigen Passagen Silks verstorbene Ehefrau Iris und entwirft eine so interessante Figur, dass man als Leser sofort neugierig darauf wird, wie sie und Silk sich vor vierzig Jahren trafen.


    Auch da geht es mir anders. Das hat mich bis jetzt (jedenfalls nicht aktiv) kein Stück interessiert. :lache