'Der menschliche Makel' - Seiten 001 - 090

  • Ich habe den Roman im Jahr 2000 erstmals gelesen und nachdem ich den Anfang jetzt noch einmal gelesen habe, merke ich, wie präsent das Buch mir noch immer ist. Ich wusste schon beim ersten Lesen damals gleich, dass ist ein Buch, das bleibt. Klasse, wenn ein Buch solche Wirkung hat.


    Alle großen Schriftsteller der Weltliteratur, und dazu zähle ich Philip Roth einfach mal mit, brauchem eine Methode, um eine Geschichte befreit schreiben zu können.
    Philip Roth nutzt seinen Alter Ego Nathan Zuckermann, der in diesem Buch der Nachbar der Hauptfigur Coleman Silk ist.
    Somit kann Roth die notwendige Distanz zum Geschehen aufbauen, um zwanglos zu erzählen. Außerdem kann er Zuckermann seine politische Meinung in den Mund legen, ohne damit die eigentliche Geschichte zu beschweren. Ziemlich raffiniert,

  • Im Roman geht es um Coleman Silk, dem ein einziger Satz zum Verhängnis wird.
    Seine Frage „ Kennt jemand diese Leute? Hat sie schon mal jemand im College gesehen, oder sind es dunkle Gestalten, die das Seminarlicht scheuen?“ während der Anwesenheitskontrolle der Studenten wird ihn als Rassist abstempeln, obwohl er die Studenten niemals gesehen hatte und daher auch keine Ahnung von der Hautfarbe der Studenten hatte. Es folgt eine Welle der moralischen Entrüstung, die ihn total aus der Bahn wirft, seine akademische Laufbahn zerstört und zum Tod seiner Frau führt.


    Nach dem Tod der Frau sucht er seinen Nachbarn, einen Schriftsteller auf und bittet ihn ein Buch über die Vorfälle zu schreiben. Dieser lehnt zwar ab, aber es entwickelt sich eine Männerfreundschaft.


    Dabei gesteht Coleman, das er ein Verhältnis mit der 37 Jahre jüngeren Faunia Farley hat, einer Frau, der das Schicksal hart zugesetzt hat. Vom Stiefvater wurde sie betatscht und die Mutter weigerte sich ihr zu glauben. Als er versuchte das Mädchen zu vergewaltigen, riß sie aus. Sie landet später bei einem Vietnam-Veteran, den sie heiratet und der sie während der Ehe bis ins Koma prügelt. Sie verlässt ihren Mann mit den beiden Kindern, die sie während eines Wohnungsbrands später auch noch verlieren wird. Sie kann nicht lesen und ist jetzt Putzfrau im College und auf dem Postamt.


    Natürlich kommt es heraus und Colemann erhält einen anonymen Brief von einer ehemaligen Kollegin, in dem sie ihm sexuelle Ausbeutung vorwirft.


    Aber auch der Exmann von Faunia, Les Farley, verfolgt seine Ex-Frau und macht ihnen das Leben zur Hölle.
    Dabei kann einem Lester eigentlich leid tun. Er kommt aus dem Dschungelkrieg und wird nicht geehrt, sondern gefürchtet. Er meldet sich zu einer zweiten Dienstzeit und aus dem netten Les wird ein gebrochener Mann, der mit der Welt nicht mehr klar kommt und sich in Alkohol und seine Wut flüchtet und dadurch seine Familie verliert. Eine Teufelsspirale, die in der Klinik endet.


    Irgendwie weiß ich noch nicht so recht, was ich von dem Buch halten soll. Am Anfang bin ich schwer in das Buch gekommen und so richtig weiß ich auch noch nicht, worauf das Buch hinarbeitet. Es gibt für mich kein klassisches Gut-Böse, kein klassisches Täter-Opfer. Sei es Coleman, der ja Opfer der moralischen Entrüstung ist, aber ihm wirft der Sohn ja gleichzeitig vor Täter zu sein, weil er immer Recht haben muss und sich nicht entschuldigen kann. Oder Lester, der zwar seiner Frau das Leben zur Hölle macht, aber selbst Opfer des Vietnam-Krieges ist.


    Auf jeden Fall hat mir folgende Aussage sehr gut gefallen:
    „Nichts hat Bestand, und doch vergeht nichts. Und nichts vergeht, eben weil nichts Bestand hat.“


    Eine Frage hab ich aber noch. Im Buch wird gesagt: „… seit jemand in einer alten Ausgabe von Penthouse über Nacktfotos der neuen Miss America gestolpert war, …, dass sie gezwungen war ihren Titel zurückzugeben und ein internationaler Popstar zu werden.“
    Von wem ist da die Rede?

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • Zitat

    Original von Macska
    Im Roman geht es um Coleman Silk, dem ein einziger Satz zum Verhängnis wird.
    Seine Frage „ Kennt jemand diese Leute? Hat sie schon mal jemand im College gesehen, oder sind es dunkle Gestalten, die das Seminarlicht scheuen?“ während der Anwesenheitskontrolle der Studenten wird ihn als Rassist abstempeln, obwohl er die Studenten niemals gesehen hatte und daher auch keine Ahnung von der Hautfarbe der Studenten hatte. Es folgt eine Welle der moralischen Entrüstung, die ihn total aus der Bahn wirft, seine akademische Laufbahn zerstört und zum Tod seiner Frau führt.


    Damit ist eins der wichtigsten Themen des Buches die fürchterliche political correctness bzw. wie sie letztlcih umgesetzt wurde.
    Zur Zeit des Erscheinens des Romans war natürlich auch die Hysterie um Bill Clintons (Amerikanischer Präsident 1993-2001) Seitensprung sehr präsent.
    Zur Schönheitskönigin weiss ich momentan nichts, aber ging es nicht einigen so, dass sie den Ttel zurückgeben mussten wegen Nacktfotos? Auch verrückt, was spielen solche Fotos schon für eine Rolle.


    Coleman Silk wird schon auf den ersten Seiten sehr gut als Figur entworfen. Jedoch wird er zunächst nur von Außen betrachtet. So macht Philip Roth den Leser noch mehr gespannt auf die Figur.


    Auf Seite 22/23 portraitiert Philip Roth dann mit wenigen Passagen Silks verstorbene Ehefrau Iris und entwirft eine so interessante Figur, dass man als Leser sofort neugierig darauf wird, wie sie und Silk sich vor vierzig Jahren trafen.

  • Zitat

    Original von Macska
    Eine Frage hab ich aber noch. Im Buch wird gesagt: „… seit jemand in einer alten Ausgabe von Penthouse über Nacktfotos der neuen Miss America gestolpert war, …, dass sie gezwungen war ihren Titel zurückzugeben und ein internationaler Popstar zu werden.“
    Von wem ist da die Rede?


    Das wird Vanessa Williams sein. Sie war in den 90zigern tatsächlich eine goße Soulsängerin und Schauspielerin.

  • Es gibt zu dem Buch auch eine Verfilmung mit Anthony Hopkins, Nicole Kidman, Gary Sinise.
    Ist der bekannt? Ich habe ihn mal gesehen und fand ihn nicht schlecht, aber er hat nicht die Kraft des Buches. Und die Darsteller wirkten nicht so besonders in ihren Rollen. Dafür war der Film gut gedreht. Der Regisseur Robert Benton hat nicht viele Filme gemacht, aber wenn, dann gute. Zum Beispiel: Nobodys Fool mit Paul Newman oder Kramer gegen Kramer.


    Es wundert mich eigentlich, warum Philip Roth Bücher erst so relativ wenig verfilmt wurden.
    Zuletzt Elegy oder die Kunst zu Lieben mit Penelope Cruz und Ben Kingsley nach dem Roman Das sterbende Tier.


    Ich würde mich freuen, wenn seine kürzeren, letzten Romane mal verfilmt würden, z.B: Nemesis oder Empörung.

  • Nö, ich kannte den nicht. Das will bei mir aber nichts heißen, ich kann mir irgendwie Filmtitel usw. sowieso nie merken.


    Ich kannte auch vor der Leserunde hier Philip Roth nicht, muss ich auch zu meiner Schande gestehen. Ich habe bei uns wegen der Leserunde zielgerichtet nach dem Buch gesucht und war erstaunt, wieviele Philip Roth Bücher es dort gab.


    Und ohne Leserunde hätte ich den sicherlich auch nicht ausgeliehen, weil das Buch doch eher unauffällig ist.

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • Philip Roth Debüt war sein Kurzgeschichtenband "Goodbye Columbus" von 1959. Den hatte ich XX Jahre im Regal stehen, aber ich mochte das Buch nicht besonders und hatte Philip Roth deswegen Jahrelang ignoriert, bis ich "Der menschliche Makel" las. Jetzt wurde sein Debüt vor kurzen neu aufgelegt. Irgendwann muss ich mich noch mal damit beschäftigen.

  • Zitat

    Original von Macska
    Irgendwie weiß ich noch nicht so recht, was ich von dem Buch halten soll. Am Anfang bin ich schwer in das Buch gekommen und so richtig weiß ich auch noch nicht, worauf das Buch hinarbeitet.


    Ich hab jetzt bis Seite 50, also bis zu dem anonymen Brief an Coleman, gelesen und bisher geht es mir wie Macska. So richtig bin ich noch nicht im Geschehen drin, obwohl man dem Autor sicher nicht Einfallslosigkeit oder wenig Inhalt vorwerfen kann, denn es werden eine Menge Themen angesprochen:
    – Intrigen zwischen alten und neuen Kollegen am College
    – aufgebauschter Rassismusvorwurf
    – Faunia, die aus schlechten Verhältnissen kommt, Analphabetismus
    – Beziehung zwischen ungleichen Partnern (Bildungs- und Altersunterschied)
    – Umgang mit negativen Veränderungen (Coleman versus seine Frau Iris)
    – Sexualität älterer Männer


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Philip Roth nutzt seinen Alter Ego Nathan Zuckermann, der in diesem Buch der Nachbar der Hauptfigur Coleman Silk ist.
    Somit kann Roth die notwendige Distanz zum Geschehen aufbauen, um zwanglos zu erzählen. Außerdem kann er Zuckermann seine politische Meinung in den Mund legen, ohne damit die eigentliche Geschichte zu beschweren. Ziemlich raffiniert,


    Ich dachte erst, Colemans Bitte an Nathan, ein Buch über seine Geschichte zu schreiben, bildet nur eine Art Rahmenhandlung für den eigentlichen Roman. Das stimmt wohl nicht? Es wird wohl die ganze Zeit durch Nathan berichtet? Mhmm. Nathan deutet viel aus und wertet viel – das wirkte auf mich manchmal mehr wie ein Essay als ein Roman … Na, da bin ich mal gespannt, wie das mit diesem "Schreibtrick" weiter geht. Hoffentlich bekommt Nathan im Buch später noch ein bisschen mehr Handlung, als nur mal mit Coleman Foxtrott zu tanzen. ;-) Ich fände es schade, wenn Nathan "nur" das Sprachrohr des Autors bliebe.


    Ja, und dann ist mir noch aufgefallen, dass Mr. Roth zu langen Sätzen mit Nebensatzeinschüben neigt. Na ja, sei’s drum. :-) Und Fremdwörter verwendet der Autor auch gern – werde ich hier also meinen Wortschatz erweitern. :lache


    Die Verfilmung habe ich nur ausschnittsweise gesehen, ich halte Literaturverfilmungen selten lange durch. Ich lese eben lieber.

  • Zitat

    Original von Rika-
    Hoffentlich bekommt Nathan im Buch später noch ein bisschen mehr Handlung, als nur mal mit Coleman Foxtrott zu tanzen.


    Zwischen Silk und Zuckerman besteht ein Vertrauensverhältnis.
    Ich finde es ganz amüsant, wie Silk und Zuckerman erst miteinander Foxtrott tanzen und Silk anschließend von seiner Affäre mit Faunia erzählt.
    Trotz teils vulgärer Sprache denke ich, dass Silk von seiner Geliebten insgesamt mit Respekt und Anerkennung spricht. Eine sexuelle Ausbeutung, wie ein anonymer Brief (Seite 52) vorwirft, liegt m.E. nicht vor.


    Folgenden Satz halte ich allerdings für zu dick aufgetragen:

    Zitat

    „Faunia lacht wie eine Bardame, die für alle Fälle immer einen Baseballschläger griffbereit hat, und so lachte sie dieses rauflustige Ich-hab-schon-alles-gesehen-Lachen - Sie wissen schon, dieses rauhe, lässige Lachen einer Frau mit Vergangenheit -, und während sie lachte, fummelte sie schon an meinem Hosenschlitz herum.“


    Silks viagrageförderter Potenz steht Zuckermans Impotenz nach einer Prostataerkrankung entgegen, die in verblüffender Offenheit geschildert wurde, wie man es eigentlich kaum gewohnt ist.

  • Irgendwie hab ich bis jetzt auch noch nicht den Namen vom Schriftsteller gelesen, oder hab ich das überlesen?
    Den Namen Nathan Zuckerman hab ich nur von hier.

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • Zum Vertrauensverhältnis zwischen Nathan und Coleman – ich glaub, das ist doch eher einseitig bis jetzt. Coleman erzählt Nathan von seiner Beziehung zu Faunia, noch bevor diese wegen des anonymen Briefes zum Problem wird. Umgekehrt erzählt Nathan aber nicht, dass er aufgrund der Prostata-OP "nicht mehr kann" – das erfahren ja nur wir als Leser. (Aber interessant fand ich das trotzdem geschildert.)


    Nein, ich denke auch nicht, dass Coleman Faunia sexuell ausbeutet. Faunia vermutete, dass Coleman mit ihr Schluss machen würde, als er merkte, dass sie Analphabetin ist. Coleman trennt sich dann doch nicht von ihr, obwohl er kurz darüber nachdachte (S. 46).
    Die Anschuldigung in dem anonymen Brief ist genauso an den Haaren herbei gezogen wie der Rassismusvorwurf.


    Ich bin wirklich gespannt, worauf das hier alles hinausläuft. Ich glaub morgen, wenn ich weiterlese, will ich dann langsam mal ein übergeordnetes Thema, eine Prämisse erkennen. So als Zielrichtung sozusagen. Oder ist das Thema etwa der menschliche Makel? ;-)

  • Zitat

    Original von Rika-
    Zum Vertrauensverhältnis zwischen Nathan und Coleman – ich glaub, das ist doch eher einseitig bis jetzt. Coleman erzählt Nathan von seiner Beziehung zu Faunia, noch bevor diese wegen des anonymen Briefes zum Problem wird. Umgekehrt erzählt Nathan aber nicht, dass er aufgrund der Prostata-OP "nicht mehr kann" – das erfahren ja nur wir als Leser. (Aber interessant fand ich das trotzdem geschildert.)
    ...


    Ich weiß nicht, ich sehe es nicht als einseitig an. Irgendwie finde ich es schon Vertrauensbeweis, wenn ein Mann so einfach mit einem anderen Mann Foxtrott tanzt. Hat man ja auch nicht alle Tage. Und gerade das nicht mehr können ist ja doch ein heikles Thema, was man selbst nicht mit den besten Freunden bespricht. Und irgendwie muss sich das ja auch aus der Situation ergeben.
    Außerdem wurde doch gesagt, das er auf Grund der OP und der verletzten Nerven inkontinent ist. Als Nathan nach Hause kam, hat er bemerkt das er eine nasse Hose hatte. Er hatte während der Zeit bei Coleman nicht dran gedacht den Zustand der Einlage zu kontrollieren. Das heißt für mich, das er sich bei Coleman wohlfühlt und nicht an sowas denkt, sich also wie zu Hause fühlt. Das kann man aber nur, wenn man sich gegenseitig vertraut.

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • Ich konnte leider erst heute einsteigen und habe auf dem Weg zur Arbeit die ersten 25 Seiten gelesen. Vor einigen Jahren hatte ich das Buch schon mal gelesen, viele Erinnerungen daran habe ich aber mittlerweile nicht mehr.


    Die Geschichte spielt 1998 und schon zu Beginn gibt es zahlreiche Anspielungen, von denen ich nicht alle ganz einordnen konnte. Im Mittelpunkt steht der 71-jährige Cole man Silk. Silk ist Pro fes sor für klas si sche Li te ra tur und De kan an ei nem Col le ge in Neu eng land. Sehr eindringlich wird von Roth geschildert, wie Silk die Universität von Altlasten befreit und neue Wege einschlängt. Mit dieser Rigorosität macht er sich nicht nur Freunde.
    Durch die Hinweise hier, weiß ich jetzt schon, dass es sich bei dem Erzähler um Nathan Zuckerman handelt - das war mir bis jetzt noch nicht klar.


    Ich finde es schon zu Beginn erschreckend zu sehen, wie schnell - aufgrund einer möglicherweise unbedachten Bemerkung - ein ganzes Leben auseinanderbrechen kann.


    Interessant fand ich auch die Anspielungen auf die griechische Tragödie: dem Buch ist ein Zitat aus dem Ödipus vorangestellt und auch die Tatsache, dass die Universität Athena heißt, ist möglicherweise kein Zufall.

  • Ui, Ihr seid ja schon weit. Bin auch erst auf Seite 30, oder so, ich werde mal wieder im Schneckentempo hinterherhinken, das verspreche ich. :lache Ich finde es bis hierhin richtig gut geschrieben, diese amerikanische Doppelmoral um die Sexaffäre um Bill Clinton gefällt mir gut. Die Sätze sind ja wahnsinnig lang und verschachtelt. :wow Den Film mit Nicole Kidman kenne ich auch nicht, nur vom Hörensagen.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Thematisch hat mich das Buch übrigens noch an "Schande" von Coetzee erinnert, in der auch ein Universitätsprofessor über eine Affäre stolpert ...


    Was mich noch interessieren würde, wäre welche Begriff für "dunkle Gestalten" im englischen Original verwendet wird. Ich glaube nicht, dass der Ausdruck "dunkle Gestalten" in Deutschland dasselbe Aufsehen nach sich gezogen hätte, wie das hier der Fall ist ... ich habe mir einfach etwas schwer getan mit dem Ausdruck "dunkle Gestalten, die das Licht scheuen", der auf mich ein wenig ungelenk wirkt.

  • Ich habe heute früh den ersten Teil zu Ende gelesen und mir gefällt das Buch jetzt schon sehr.


    Als erstes fiel mir die Anmerkung des Übersetzers vorne auf, worin er erklärt wieso er die Aussage von Prof. Silk mit "dunkle Gestalten, die das Seminarlicht scheuen" übersetzt hat. Im englischen steht für die angeblich rassistische Äußerung nur ein Wort, und zwar "spook", was neben Gespenst oder Spion auch eine abfällige Äußerung eines Weißen gegenüber eines Schwarzen (oder umgekehrt) bedeuten kann.


    Diese Anmerkung machte mich als allererstes neugierig auf die Sprache des Buches und von dieser war ich von Anfang an gefangen.


    Philip Roth zeichnet seine Figuren so detailgetreu. Ich habe beim Lesen wirklich das das Gefühl als würde ich ihnen lauschen. Er benutzt eine sehr bildhafte Sprache, zumindest entsteht bei mir ein großes Kopfkino. Ich kann mir die Figuren und ihre Mimik, ihre Gedankenwelt sehr gut vorstellen.


    Natürlich hatte ich von diesem Buch schon gehört und ich hatte ein wenig Angst, daß die Sprache zu vulgär ist, denn das mag ich eigentlich nicht. Aber die Befürchtugn hat sich nicht bestätigt. Philip Roth benutzt zwar eine direkte, offene Sprache, aber sie wirkt nicht vulgär, sondern aus dem Leben gegriffen.


    Mir gefällt die Figur des Erzählers, also Nathan sehr. Man hat zwar zunächst den Eindruck, als würde sich alles um Coleman Silk und seine Geschichte drehen, aber letztendlich ist es doch Nathan, der mich durch die Geschichte leitet mit seinen Gedanken über und die Beschreibungen der einzelnen Personen und deren Handlungen bzw. Erlebnisse und vor allem seine eigene Meinung und die Sicht auf die Gesellschaft.
    Seine Anmerkung über die Clinton-Affäre finde ich grandios und ich hab beim Lesen oft nicken und schmunzeln müssen.


    Das Schmunzeln blieb mir allerdings im Halse stecken beim letzten Teil dieses Abschnitts. Hier gibt er uns einen Einblick in die Psyche von Lester Farley. Die Gründe für sein Verhalten werden sehr eindringlich geschildert. Die Beschreibung des Vietnamkriegs und den Umgang der Regierung mit den Veteranen ist anklagend aber auch beängstigend ehrlich.


    Ich bin sehr gespannt, wie es nun im zweiten Teil weitergeht. Mich hat dieses Buch jedenfalls jetzt schon gepackt.

  • buzzaldrin :
    In meiner Taschenbuchausgabe ist vorne eine Anmerkung des Übersetzers (s. a. meinen Beitrag oben) Ich kann sie gerne komplett hier zitieren, wenn sie in deiner Ausgabe fehlt.


    Der Bezug zur griechischen Tragödie ist mir auch sofort aufgefallen. Ich bin sehr gespannt, ob das Thema auch später weiter aufgegriffen oder vertieft wird.


    Mich hat die College-Affäre an "Der Fliegenfänger" erinnert.