Stichwahl Jahres-Gewinner Schreibwettbewerb 2004

  • Stechen Jahres-Gewinner Schreibwettbewerb 2004! 0

    1. "Das Verschwinden" - Tom (Nov. 2004) (0) 0%
    2. "Ein schwarzer Tag" - Insomnia (Okt. 2004) (0) 0%

    Hallo Ihr Eulen,


    der Jahres-Gewinner Schreibwettbewerb 2004 ist nun beendet.


    Da es keinen eindeutigen Gewinner gibt, findet zwischen den ersten beiden Beiträgen mit der gleichen Punktzahl ein Stechen statt.


    Bis kommenden Freitag, den 14.01.2005, könnt Ihr in einer erneuten Umfrage noch einmal für Euren Favoriten abstimmen. Die Umfrage schließt am Freitag abend automatisch!



    Folgende Punkte wurden vergeben:


    8 Punkte: "Ein schwarzer Tag" - Insomnia (Okt. 2004)
    8 Punkte: "Das Verschwinden" - Tom (Nov. 2004)


    5 Punkte: "Besucher" - Doc Hollywood (Juli 2004)
    5 Punkte: "Froschkönig" - Tom (Sept. 2004)
    5 Punkte: "Ein heißer Tag" - BabyJane (Dez. 2004)
    4 Punkte: "Klopfzeichen" - Ompa Lompa (Aug. 2004)
    3 Punkte: "Mord" - BabyJane (Mai 2004)
    3 Punkte: "Wunschpunsch" - Alexx61 (Juni 2004)
    2 Punkte: "Vier Sekunden" - Doc Hollywood (Apr. 2004)

  • "Ein schwarzer Tag"
    Thema: Mißverständnis
    Autor: Insomnia



    „Und es besteht wirklich keinerlei Hoffnung mehr?“
    Sie spürte, wie es ihr den Hals langsam zuschnürte.
    „Wie lange hat er noch? ... aha ... aber ... genauer können Sie es nicht sagen?!“
    Ihre Knie wurden schwach, langsam sackte sie vor dem Telefon zusammen und setzte sich auf den Fußboden.
    „Danke Herr Doktor, auf Wiederhören!“
    Langsam und nachdenklich legte sie den Hörer aus der Hand. Wie sollte sie ihm das nur beibringen? Sie griff nach dem Zigarettenetui auf dem Couchtisch und zündete sich mit zitternder Hand eine Zigarette an, sog den Rauch tief in ihre Lunge und schloss dabei die Augen...
    <KLACK!>
    Sie riss die Augen auf und blickte sich entsetzt um. Ganz deutlich hatte sie das Geräusch einer zufallenden Tür vernommen. Ob er das Telefonat mitbekommen hatte? Nein, sicher nicht...oder?!
    „Vera, ganz ruhig jetzt! Du musst wieder einen klaren Kopf bekommen! Vollkommen ruhig und gelassen...!“ Sie erinnerte sich an ihren letzten Autosuggestionskurs und es funktionierte – langsam lies der Druck nach, das Gedankenwirrwarr in ihrem Kopf ergab nach und nach wieder einen Sinn. Sie musste es ihm so schnell wie möglich mitteilen, aber wie nur? Wie würde er reagieren, ob er es verkraften würde?
    Es ging nicht anders, sie musste es tun und zwar jetzt. Schweren Herzens begab sie sich auf den Weg in Richtung Terrasse. Draußen war wunderschönes Wetter, Max saß auf seiner Schaukel und arbeitete wie wild an seinem ultimativen Ziel – dem Überschlag.
    „Maaaaamaaaaaaa, guck doch mal – gleich hab ich´s!“ Als sie in seine leuchtenden Augen blickte schossen ihr die Tränen in die Augen, sie konnte es nicht verhindern. Würde der Glanz aus seinen Augen verschwinden, wenn er es wüsste?
    „Mäxchen, komm mal her zu Mama, ich muss dir was sehr trauriges sagen!“ schluchzte Vera.
    Max bremste die Schaukel behutsam und setzte sich dann vor seine Mutter und blickte sie mit großen Augen ganz erwartungsvoll an.
    “Du musst jetzt ein ganz tapferer kleiner Mann sein, Mäxchen! Die Tierklinik hat eben angerufen, unser Hasso ist sehr krank. Er wird bald sterben und die Ärzte können nichts mehr für ihn tun.“
    Vera weinte nun jämmerlich und drückte ihren Sohn dabei ganz fest an sich. „Hasso kommt dann doch in den Hundehimmel, oder Mama? Das ist dann nicht so schlimm, die Engel werden sich dort bestimmt ganz gut um unseren Hasso kümmern!“
    „Ja mein Schatz, das werden sie. Es wird ihm an nichts fehlen!“
    „Dann müssen wir ja auch nicht traurig sein, Mama! Weiß Papa denn schon bescheid?“
    „Nein Mäxchen, ich muss es ihm noch sagen. Wo ist er eigentlich, hast Du ihn gesehen?“
    Vera schaute sich im Garten um. Seltsam, Manfred wollte doch eigentlich den Rasen mähen. Wo er nur schon wieder steckte?!
    “Der Papa ist eben ins Haus gerannt als das Telefon geklingelt hat, dann hat er ganz komisch geguckt als er wieder rauskam. Er hat mich furchtbar fest gedrückt und mir gesagt, wenn ich groß bin sollte ich nie zu einer Vorsorgeuntersuchung gehen, und dann ist er mit einem ganz langen Seil in die Garage gegangen...“

  • "Das Verschwinden"
    Thema: Sarkasmus
    Autor: Tom



    Brigitte klopft leise an die Schlafzimmertür. Das Zeichen für mich, das Licht auszumachen. Danach höre ich das Rascheln ihres Nachthemdes, ihr Tasten nach dem Gitter am Fußende des Bettes, ein Seufzen. Bettdeckengeräusche. Sekundenlang ist es still, dann zieht sie umständlich ihr Nachthemd aus, rutscht unter das Bettzeug und deckt sich bis zum Kinn zu. „Okay“, murmelt sie. Ich schalte meine Nachttischlampe wieder ein. Jeden Abend das gleiche Ritual.
    „Ich fühle mich schwer“, sagt sie.
    „Wie eine trächtige Elefantenkuh“, gebe ich zurück.
    „Ja“, antwortet Brigitte.
    Ich nehme mein Buch hoch, versuche, mich auf irgendwas zu konzentrieren.
    „Ich könnte Fett absaugen lassen“, sagt sie, zum x-ten Mal.
    „So leistungsfähige Saugmaschinen gibt es noch nicht.“.


    Morgens muß ich die Augen zukneifen, bis Brigitte angezogen ist. Sie trägt weites Zeug, monströse Hosenschläuche, riesige Hemden, darüber einen Poncho. Ich darf sie nicht nackt sehen, oder ihre Figur. Dann schleicht sie ins Badezimmer. Zu der neuen Waage, die ich gekauft habe, das einzige, was sie gefreut hat in den letzten drei Monaten. Als ich Geräusche aus der Küche höre, gehe ich ins Bad, drücke ein paar Tasten an der Seite der Waage. 32,5 Kilo, wieder eins weniger. Brigitte weiß nicht, daß die Waage diese Funktion hat. Brigitte hat glücklicherweise kein Händchen für Technik. Sonst wüßte sie auch, daß ich die Waage so kalibriert habe, daß fünf Kilo zu wenig angezeigt werden. Es ist nutzlos. Selbst mit null Kilo Gewicht würde sich Brigitte fett fühlen.


    Ich nehme das Nutellaglas und mansche mir eine Riesenfuhre auf das Brötchen. Brigitte hat ein Glas mit destilliertem Wasser vor sich, daneben einen Teller, auf dem ein verschrumpelter, winziger Apfel liegt, der fast drei Euro gekostet hat, von einem speziellen Landgut in Südfrankreich. Sie nimmt das Messer, um den Apfel zu schälen. Ihre Hand zittert, ihre Finger sind so knochig, daß der Ehering wie ein Hula-Hoop-Reifen um den Ringfinger oszilliert.
    „Der hat doch sicher mindestens 30 Kalorien“, sage ich. Brigitte sieht mich ernst an, die dunklen, matten Augen tief in den Höhlen, ihre Augenränder sehen aus wie die Tarnung der Marines. Ich kann die genaue Kontur ihres Nasenbeins sehen, als hätte sie keine Haut.
    „Meinst du?“ fragt sie vorsichtig. Ich hebe die Zeitung, damit sie meine Tränen nicht sehen kann. „Der kostet dich einen Zentimeter Hüftumfang“, antworte ich mit trockenem Hals. Sie legt den Apfel zurück, nimmt einen Schluck Wasser. Dann kommt ihr Husten.


    Ich habe alles versucht, ihr zugeredet, Therapeuten eingeschaltet, Freunde, Familie. Ich habe ein aktuelles Ganzkörperbild maßstabsgetreu auf das eines superschlanken Supermodels geklebt. Trotz Brigittes Kluft nahm ihre Körper lediglich die Hälfte des anderen ein, aber sie schüttelte nur den Kopf. Ich habe die Feuerwehr gerufen. „Ich bringe mich um, wenn du das nochmal machst“, sagte sie.


    Ich stelle die kleine Urne mit Brigittes Asche neben das Nutellaglas auf den Küchenschrank. Dann hole ich meine Dienstpistole und setze mich ins Auto, um zu Brigittes Schulfreundin zu fahren, die sie vor einem halben Jahr wiedergetroffen hat, nach Ewigkeiten. „Hast aber ganz schön zugelegt“, waren ihre Begrüßungsworte gewesen.