Inhalt
Sie ist der Pharao Ägyptens. Die Herrscherin über das Ptolemäerreich am Nil.
Gemeinsam mit Marcus Antonius und ihren Kindern steht sie dennoch vor einer unlösbaren Aufgabe: der machtgierige Römer Augustus steht mit seinen Armeen kurz vor den Toren der Stadt. Ihr Reich, ihre Familie und ihre Kultur stehen kurz vor dem Untergang. Als auch noch ihr Mann im Sterben liegt, greift die stolze Herrscherin zu einem verzweifelten Mittel um alles zu retten, was ihr wichtig ist. Sie ruft die Kriegsgöttin Sachmet herbei und fleht um Antonius Leben und Beistand gegen Augustus. Doch das dunkle Ritual hat einen hohen Preis, denn Sachmet möchte sich der Königin nicht unterwerfen – die Göttin zürnt aus einer alten Fehde heraus allen Menschen und will nichts mehr als Tod und Verderben über die Welt bringen. So macht sie sich Kleopatra zum Untertan und verwandelt die Schönheit in ein Geschöpf der Nacht mit einem Blutdurst, der Chaos über die Welt bringen soll…
Bewertung
Obwohl ich kein Fan historischer Romane bin und mittlerweile vor Vampirbüchern etwas zurückschrecke, war ich von Kleopatras Geschichte mehr als fasziniert – denn so groß der Mythos um die letzte Königin des alten ägyptischen Reiches auch ist, genauso eindringlich und überwältigend erzählt Maria Dahvana Headley ihre eigene Version der Geschichte.
Kleopatra ist durch und durch eine Herrscherin, aber auch eine Mutter und Ehefrau. Sie weiß, was sie zu tun hat um ihr Land zu verteidigen doch wird gleich zu Anfang ihre unerschütterliche Liebe zu „ihrem Römer“, zu Marcus Antonius, eindringlich beschrieben. Ohne dabei kitschig zu sein, wird das starke Band, das das Ehepaar verbindet, deutlich gemacht. „Tu meus es“ – du bist mein – ist dabei ihr Erkennungssatz, der sie die gesamte Geschichte hindurch begleitet.
Dementsprechend außer sich ist Kleopatra, als sie Antonius sterbend vorfindet und das Ritual zur Beschwörung der Göttin nicht so funktioniert, wie es soll. Sie schwört Rache an allen, die ihr Leid zugefügt haben: allen voran an Augustus, der seine Armeen nach Ägypten geführt hat und somit für den Tod Antonios verantwortlich ist.
Zunächst begreift die Herrscherin allerdings gar nicht, was mit ihr geschehen ist. Dass die Anrufung Sachmets nicht richtig funktioniert hat, merkt sie schnell, aber welche Konsequenzen daraus folgen, erschließt sich ihr erst nach und nach. So ist sie zu Beginn verwundert über ihren Blutdurst, ihre Verletzlichkeit im Sonnenlicht und die Unzerstörbarkeit ihres Körpers. Als Leser erlebt man hier hautnah die Verzweiflung und Angst der Königin mit und knüpft erstmals starke Bande der Sympathie zu ihr. Letztendlich wird dieses Band im Laufe der Geschichte auch nur stärker denn Maria Dahvana Healey versteht es, ihre Protagonistin authentisch und lebensnah zu zeichnen. Kleopatra mag nun im Auftrag Sachmets die Welt ins Chaos stürzen, doch ihre Familie vergisst sie dabei nicht und kämpft wie eine Löwin – wie eine Mutter – um etwas das unmöglich scheint: sich wieder von der Göttin loszusagen. Dass ihr dabei der römische Kaiser Augustus mit seinen Heeren und mit mächtigen Hexen dicht auf der Spur ist, verkompliziert alles noch mehr.
Ein ebenso interessanter, allerdings lange nicht so sympathischer und starker Charakter war Augustus selber. In der Geschichte wird recht früh darüber berichtet, dass ihn und Kleopatra ein lange zurück liegendes Ereignis verbindet. Dennoch führt seine Machtgier ihn vor die Tore der Stadt. Er mag sich als Held feiern lassen und seine Truppen befehligen, doch im Verlauf der Handlung wird sein wirklicher Charakter deutlich: schwach, launisch, wahnsinnig. Nicht umsonst sagt er von sich selber: „Er hatte nie jemand anderes geliebt als Rom, und Rom brauchte ihn.“ (S. 287) Während man seinen hasserfüllten Gedanken und wahnwitzigen Plänen lauscht, entwickelt man als Leser eine Abneigung gegen den römischen Kaiser, die höchstens einmal durch Mitleid ersetzt wird. Ein stereotyper Bösewicht ist er dennoch nicht, denn auch ihn beschreibt Headley geradezu greifbar und vielschichtig, sodass man sein Handeln – zumindest aus seiner Sicht – nachvollziehen kann.
Immer wenn er und Kleopatras Gedanken so in der Geschichte wiedergegeben werden, erhält man einen Einblick in die Gefühlswelt einer Seite in diesem Kampf… und kann sich letztendlich ein Gesamtbild schaffen, dass den Reiz der Handlung ausmacht. Man erkennt deutlich wie konträr die beiden Seiten denken, wie sie, getrieben durch unterschiedliche Motivationen, in einen Krieg geraten, der sie wirklich alles kosten könnte.
Da das gesamte Buch nicht bloß aus einer Perspektive erzählt wird, sondern beinahe alle der handelnden Charaktere auch zu Wort kommen, ergibt sich insgesamt ein Überblick über das Geschehen, der für Spannung sorgt, obwohl die Geschichte eher mit dem tragenden Tempo eines historischen Romans erzählt wird. Ein besonderer Reiz war einfach zu lesen, welche Gedanken die Charaktere vorantreibt. Die Hexen und Magier verfolgen eigenständige Ziele, genauso wie der Kaiser, Kleopatra, die Göttin Sachmet und sogar der Historiker Nikolaus von Damaskus, der uns Lesern die Rahmenhandlung für die Geschichte bietet.
Unterstützt wird diese vielschichtige (und tiefgängige) Erzählung durch einen außergewöhnlichen Sprachstil, mit dem uns die Autorin immer wieder fasziniert. Mit ihren poetischen Beschreibungen versteht man die Nähe zum historischen Roman, denn man hat beinahe das Gefühl mit den Protagonisten gemeinsam über einen vollen Marktplatz im alten Ägypten zu schreiten, sich im Circus Maximus in Rom zu befinden oder eingeschlossen in einer stickigen Grabkammer zu sein. Insgesamt sehr bildlich und ausgeschmückt wird so eine Atmosphäre geschaffen, die Altertum, Exotik und Mystik verbindet. Eins meiner liebsten Beispiele aus dem Buch möchte ich deshalb kurz zitieren um einen Einblick darein zu verschaffen, was ich damit meine:
„Über der Arena flatterte ein blasser Nachtfalter, der vom Licht der Fackeln angezogen wurde. Er drehte sich und streckte seine Fühler aus, stemmte sich gegen die Strömungen des Windes und schwebte frei und voller Verlangen über dem Chaos der Menge.“ (S. 289)
Ich könnte in der Tat noch ewig weiter zitieren und auf wundervolle Beschreibungen der wilden Tiere unter der Arena des Circus Maximus hinweisen (S. 183) oder mir unendlich viele weitere Stellen raussuchen – doch was ich eigentlich damit ausdrücken möchte ist, dass Headleys Schreibstil einer der bildhaftesten und verwunschensten ist, die ich bis jetzt kennen lernen durfte. Diese Geschichte braucht keine atemberaubende Spannung von Anfang bis Ende – die Atmosphäre raubt einem auch so schon die Luft.
Hinzu kommen Ideen, die sich aus historischen Fakten, alten Mythen und neuen Aspekten zu einer Legende zusammensetzen. Hier betreten Götter die Erde, gehen Menschen in die Unterwelt, wird die Pest zu einem Pfeil, den eine wütende Göttin mit einem goldenen Bogen abschießt und so über die Welt bringt und hier gibt es Frauen, die am Tuch des Schicksals weben können. Geschickt verknüpft die Autorin eine unfassbare Vielfalt – sowohl ihrer Charaktere, als auch der Handlungen – so, dass man beim Lesen das Gefühl bekommt, eine wahrhaftig alte Sage in der Hand zu halten. Die Einleitung, die von Nikolaus von Damaskus bereits wie ein Tatsachenbericht daherkommt, unterstützt dieses Gefühl noch.
Gegen Ende ist man richtiggehend enttäuscht, dass jetzt Kleopatras Geschichte aufhört. Zum Glück besänftigt einen das grandiose Ende mit einem filmreifen Abschlusssatz dann soweit, dass man mit einer leichten Gänsehaut das Buch zuklappt und sich diebisch darüber freut, eine solche Perle unter den aktuellen Fantasyromanen gefunden zu haben. Viel erwachsener, ernsthafter, verwunschener, düsterer und einzigartiger als das, was man ansonsten häufig in die Hände bekommt. Keine Geschichte voller Action und Vampire, sondern eine langsame und intensive Erzählung, die es vermag einen in eine Zeit zu versetzen, in der eine starke Frau mit einem außergewöhnlichen Schicksal um ihre Liebe und ihr Land kämpft.
In Sternen: 5/5