Kayla Fleming: Wind in den Tamarinden

  • Inhalt (Klappentext):
    Hamburg 1902: Nora Hendriksen, eine spontane und leidenschaftliche junge Frau, fühlt sich in ihrem Leben als behütete Bankiersgattin wie in einem goldenen Käfig gefangen. Als sie den schwärmerischen Dichter Rainer Offergelt kennenlernt, bricht sie aus und folgt ihm nach Deutsch-Südwestafrika, um dort als Farmerin ein neues Leben zu beginnen.
    Doch Offergelt erweist sich als zu schwach für das harte Dasein fernab der Zivilisation. Erst bei einem Offizier der Schutztruppen findet Nora eine erfüllende, aber großen Gefahren ausgesetzte Liebe. Denn der zur selben Zeit ausbrechende Herero-Aufstand führt das Land in einen grausamen Krieg -



    Meine Meinung:
    'Wind in den Tamarinden' ist ein ganz außergewöhnlicher Roman, den man nach der Lektüre nicht zur Seite legt und vergißt, sondern der noch lange in der Seele nachhallt, weil er so berührend, so tragisch, so poetisch und einfach so überwältigend ist, und noch dazu so überragend schön geschrieben, dass es stellenweise fast weh tut, ihn zu lesen.
    Die Seiten strotzen vor wunderbaren Bildern, die alles Sinnliche beim Lesen zum Leben erwecken. Es ist Trotz und Leidenschaft, Malerei und Wortmagie, manchmal störrisch, immer fesselnd, verzaubert und entführt an einen fernen Ort am anderen Ende der Welt.


    Das Buch wird aus der Sicht von Nora erzählt, einer schwierigen Frau, die zunächst wie eine Traumtänzerin erscheint, flatterhaft und ohne Verständnis für die pragmatischen Seiten des Lebens, die sich dann aber unter Extrembedingungen eine große innere Stärke entwickelt, die inspiriert und mitreißt - nicht nur die Männer, denen sie in dieser Geschichte begegnet.
    Nora ist mit einem Hamburger Bankier verheiratet und lebt ein Leben im goldenen Käfig. Sie hat alles, nur keine Romantik. Und ihrem Mann bringt sie keine Liebe entgegen, obwohl der sie wertschätzt, auf seine hilflos-geschäftliche Art. Aus einem romantischen Affekt heraus begleitet sie den Dichter Rainer Offergelt in die deutschen Kolonien in Südwest Afrika, um mit ihm eine Farm aufzubauen, vollkommen ahnungslos, was das eigentlich bedeutet. Rainer ist heillos verliebt in Nora, sie dagegen benötigt Zeit, um ihre Gefühle reifen zu lassen.
    Als sie ankommen, entpuppt sich das verklärt-gelobte Paradies als staubiges und gefährliches Steppenland, das seinen Siedlern harte Arbeit und einen langen Atem abverlangt. Nora verliebt sich in seine Weite, Rainer zerbricht daran... und dann gibt es noch einen Captain der Herero, einen westlich gebildeten Stammesführer, der ihr zeigt, was Größe wirklich bedeutet - überschattet von Unruhen, die bald in einen furchtbaren Krieg und schließlich Völkermord an den Herero münden.


    Es ist nicht immer leicht, dieses Buch zu lesen, man muss es sich erarbeiten, denn es plätschert nicht nur so dahin. Es glüht in einer Intensität, die man aushalten können muss. Gerade im ersten Drittel hat es auch ein paar Längen, schwelgt in Beschreibungen, die wundervoll sind, aber in ihrer Langsamkeit die Geduld des Lesers auf die Probe stellen.
    Doch sich da durchzubeißen, ist es unbedingt wert. Selten habe ich mich zum Ende eines Buches hin den Figuren so nahe gefühlt, so intensiv mit ihnen gehofft und gelitten, so atemlos auf die nächste Wende gehofft.


    'Wind in den Tamarinden' ist ein episches Leseerlebnis, das ich unbedingt weiterempfehlen kann - selbst für solche (wie mich), die das Genre normalerweise nicht lesen.



    - Elena

    Ich hab' mich verirrt.
    Ich bin dann mal weg, um nach mir zu suchen.
    Sollte ich zurückkommen, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte, ich soll hier warten!

  • Vielen Dank, elwe, für diese sehr schöne Rezi.
    Das ist ganz sicher ein Buch für mich. Deshalb ist es nur auf meiner WL gelandet, damit ich es von dort gleich per Link bestellen kann. :-]

    lg butterfly49

    "Sapere aude" "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen."
    (Quintus Horatio Flaccus)

  • :wow Da sieht man mal, von wieviel Faktoren ein Leseeindruck abhängt. Sprachlich, elwe, kann ich Deine Meinung sehr gut nachvollziehen und :write. Inhaltlich hatte ich mit diesem Buch deutliche Probleme. Die Längen in einigen Passagen hast Du schon erwähnt, was mir den Lesegenuss aber wirklich vergällt hat, war die Vorhersehbarkeit der Ereignisse. Überraschende Wendungen konnte ich keine entdecken. Insofern hat mich das Buch ziemlich enttäuscht.

  • Zitat

    Original von Pelican
    :wow Da sieht man mal, von wieviel Faktoren ein Leseeindruck abhängt. Sprachlich, elwe, kann ich Deine Meinung sehr gut nachvollziehen und :write. Inhaltlich hatte ich mit diesem Buch deutliche Probleme. Die Längen in einigen Passagen hast Du schon erwähnt, was mir den Lesegenuss aber wirklich vergällt hat, war die Vorhersehbarkeit der Ereignisse. Überraschende Wendungen konnte ich keine entdecken. Insofern hat mich das Buch ziemlich enttäuscht.


    Das macht mein Interesse an dem Buch noch grösser. Wenn man nicht durch grosse Spannung abgelenkt wird, kann man sich vielleicht noch intensiver auf das sprachliche Erlebnis einlassen. :gruebel
    Ich bin gespannt...

    lg butterfly49

    "Sapere aude" "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen."
    (Quintus Horatio Flaccus)

  • Mir gings wie elwe, ich war ganz gefesselt von dem Buch und sprachlos vor Glück, als ich es zugeklappt habe.
    Mir fiel es am Anfang auch schwer, bei der Sache zu bleiben, aber als Nora mal auf dem Schiff in Richtung Afrika war, hat es mich gepackt und nicht mehr losgelassen. Und die Sprache ist wirklich so wunderschön, dass ich ganz grün wurde vor Neid :grin.
    Mich haben zumindest ein paar Fügungen zum Ende hin dann schon überrascht... für mich zählt es aber zu den Büchern, die ich mir vorn ins Bücherregal stelle, weil sie mich so beeindruckt und innerlich berührt haben.


    :wave andrea

  • Namibia. Ich war dort. Nicht 1902 bis 1904 wie Nora, als es noch Deutsch Südwestafrika hieß, sondern 2010, und Noras Afrika war noch da: der Farbenrausch in der Savanne, das Meer aus verdorrtem Gras, durchzogen von grünen Bändern dort, wo unterirdische Bachläufe sind, der weite Himmel, das Leuchten, die Wüste, die Stille, die Hitze, der Staub, all das, was Kayla Fleming so wundervoll in diesem Roman beschreibt. Und Deutschland war auch noch da, irgendwie: deutsche Namen, Kässpätzle und Schwarzwälder Kirschtorte in der Speisekarte, der Bahnhof in Windhoek, der so deutsch aussieht, dass er in jeder beliebigen Kleinstadt in Deutschland stehen könnte, Erinnerungen an heldenhafte Siedler und Schutztruppen im Heimatmuseum von Tsumeb, Geschichte zum Anfassen.


    Waren das Helden? Sie siedelten sich in einem lebensfeindlichen Landstrich an, träumten von Glück und gutem Auskommen, wollten Bodenschätze abbauen und Eingeborene bekehren. Ich hatte das Gefühl, dass in manchen Südwesterkreisen der deutsche Heldenmythos bis heute äußerst lebendig ist: man hat etwas geschaffen, Heil gebracht, nur wussten es die Schwarzen nicht zu schätzen und wehrten sich, manchmal. Und herbe Verluste gab es auch auf deutscher Seite, bitteschön.


    Kayla Fleming greift das Thema auf, verpackt es in eine grandios erzählte Geschichte, die gegen Ende ein bisschen zu viel Pathos hat, zu viel Heroismus, zu viele Fügungen, und mich trotzdem sehr nachdenklich macht. Es geht um Menschlichkeit und Liebe, um die Liebe zwischen Mann und Frau, Mutter und Kind, und um die Liebe zu einem Land, das wunderschön ist. Mir stiegen beim Lesen einige Male die Tränen in die Augen - nicht gegen Ende, wie gesagt, das war mir ein wenig zu viel von allem, sondern mir wurde das Herz schon mittendrin so weit … Vielleicht liegt es an Namibia. Ich habe bei der Abreise geweint.


    Edit: fehlendes Wort ergänzt


  • bin in der Buchhandlung bei dem Buch hängen geblieben, habe mich aber gegen einen Kauf entschieden, eben weil ich sonst eher nicht zu diesem Genre neige - werds mir jetzt nochmal überlegen, danke für deine schöne Rezi :wave

  • ich lese das Genre sonst auch nicht, aber dieses Buch ist wirklich außergewöhnlich schön - auch wenn man kein Genreliebhaber ist :wave

    Ich hab' mich verirrt.
    Ich bin dann mal weg, um nach mir zu suchen.
    Sollte ich zurückkommen, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte, ich soll hier warten!

  • Gerade bin ich wieder mal über dieses Buch in meinem Regal gestolpert - und habe vergeblich nach weiteren Büchern der Autorin gegoogelt. Scheinbar ist Kayla Fleming ein nur einmal für dieses Buch verwendetes Pseudonym. Lt. offizieller Bio schreibt sie aber auch andere Romane, nur ist nirgendwo herauszufinden, unter welchem Namen.


    Weiß zufällig jemand mehr?


    :wave