'Vom anderen Ende der Welt' - Seiten 210 - 329

  • Zitat

    Original von Büchersally
    Die Tahitianer lassen sich durch Marys Verkleidung nicht täuschen, sondern erkennen sie direkt als Frau. Für die Matrosen muss das merkwürdig ausgesehen haben, dass ihrem Kumpel Männer angeboten wurden. :lache


    Ich glaube aber, dass der Segelmacher John doch auch erzählt hat, dass den Seefahrern auch schon Männer und Jungs angeboten wurden? :gruebel


    Über diese sexuelle Freizügigkeit habe ich mich auch sehr gewundert - die Menschen dort scheinen einen anderen Bezug zur Sexualität zu haben..


    Auch von mir ein dickes Dankeschön Liv für deine genauen Erklärungen.
    Ich finde es immer wieder toll, wenn sich Autoren richtig Mühe beim Recherchieren geben und sich nicht alles aus den Figern saugen..


    :wave

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • "...hoffe, Du hast einen kleinen Eindruck bekommen?" (Liv)


    Einen großartigen sogar, vielen Dank dafür!


    Die sexuelle Komponente der Begrüßungszeremonie verbuche ich unter "Naturvölker" ab.


    Landon Reeds Verhalten erscheint mir ebensowenig merkwürdig. Er hat sich in die Frau verliebt, versucht, sie zu verstehen, und hat dabei halt selbst etwas Interesse an der Thematik bei sich entdeckt...

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von maikaefer
    Landon Reeds Verhalten erscheint mir ebensowenig merkwürdig. Er hat sich in die Frau verliebt, versucht, sie zu verstehen, und hat dabei halt selbst etwas Interesse an der Thematik bei sich entdeckt...


    Ja gut das schon, aber eigentlich kennt er sie doch gar nicht..
    Natürlich kann man sich auch in jemanden verlieben, den man nicht so gut kennt.. Aber ich würde das dann eher als Schwärmerei betrachten und irgendwann ist diese dann auch vorbei.. Schließlich ist sie doch nun schon fast seit einem Jahr weg..

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Das war ein wahrhaft ereignisreicher Abschnitt. Die Besatzung musste einige Verluste einstecken. Gleich der Auftakt mit der Kugelfischvergiftung, um Franklin habe ich wirklich getrauert. ;-( Und Seth bleibt auch weiterhin nichts erspart. Er verliert den Vater und kurz darauf seinen Bruder. Auch wenn das Verhältnis der beiden Jungs zum Vater nicht besonders liebevoll war, haben sie ihn wohl doch geliebt. Wenn ich das richtig verstanden habe, hatte Nat wohl eine schwere Depression, vielleicht fühlte er sich auch schuldig, dass er den Vater nicht retten konnte. An seinen kleinen Bruder hat er leider in seiner Schwermut nicht gedacht.
    Marys Tarnung bringt sie ganz schön in Verlegenheit. ;-) Der Kapitän ordnet an, dass Carl und "Marc" die Männer auf diverse Krankheiten untersuchen sollen. Mary meistert auch diese Aufgabe bravurös.
    Die Tahitianer haben gleich erkannt, dass "Marc" eine Frau ist. Das ist zwar erstaunlich, aber diese Begebenheit ist ja real so passiert. Ich habe ein wenig bei Wikipedia gestöbert, und diese Enttarnung gab es bei Jeanne Baret wirklich.
    Die Freizügigkeit der Insulaner sehe ich als besondere Form der Gastfreundschaft an und vermute, auch das entspricht der Wirklichkeit. In diversen Abenteuerfilmen (beispielsweise "Die Meuterei auf der Bounty") wird die Ankunft und (offen)herzige Begrüßung genau so gezeigt.
    Und nun geht es schon zum letzten Abschnitt. Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits bin ich natürlich gespannt, wie die Sache ausgeht, aber andererseits habe ich nur noch knapp 100 Seiten Lesegenuss. Das finde ich besonders schade, weil mir der Schreibstil sehr gut gefällt. Da mag ich dann immer gar nicht "loslassen". :rolleyes

  • Zitat

    Original von Klusi
    Das war ein wahrhaft ereignisreicher Abschnitt. Die Besatzung musste einige Verluste einstecken. Gleich der Auftakt mit der Kugelfischvergiftung, um Franklin habe ich wirklich getrauert. ;-( Und Seth bleibt auch weiterhin nichts erspart. Er verliert den Vater und kurz darauf seinen Bruder. Auch wenn das Verhältnis der beiden Jungs zum Vater nicht besonders liebevoll war, haben sie ihn wohl doch geliebt. Wenn ich das richtig verstanden habe, hatte Nat wohl eine schwere Depression, vielleicht fühlte er sich auch schuldig, dass er den Vater nicht retten konnte. An seinen kleinen Bruder hat er leider in seiner Schwermut nicht gedacht.


    ich denke auch, dass Nath sich schuldig am Tod seines Vater fühlt, immerhin kam er ja ums Leben, als er Nath gerettet hat. Kein Wunder, dass der Junge Depressionen bekommt, wie soll ein Kind auch ohne jede Hilfe mit dieser Situation fertig werden?

  • Was mir aus diesem Abschnitt auch gut im Gedächtnis geblieben ist, ist die Beschreibung des Schiffszwiebacks.
    Ich hoffe, da mussten keine allzu vertieften Recherchen bzw. Selbsterfahrungen gemacht werden ;-)


    (Haare auf dem Schimmel)
    (Maden, die einen scharfen Geschmack hinterlassen, der an Senf erinnert)


    Ansonsten war ich von der ein oder anderen Wendung überrascht.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • verena : Tatsächlich hat die Enttarnung bei Jeanne Baret in Tahiti stattgefunden, die Insulaner haben sie sofort als Frau erkannt. Das erscheint mir unter anderem ein guter Hinweis darauf zu sein, wie sehr man in Europa zu dieser Zeit noch das Geschlecht über Kleidung definierte.


    Klusi und Zwergin: Bei Nat habe ich die Figurenentwicklung tatsächlich so angelegt, dass er depressiv wird. Er kommt mit dem Verlust der Eltern nicht zurecht, zieht sich nach und nach in sich zurück, so weit bis auch der Bruder keine Rolle mehr spielt.


    killerbinchen : Den Senfgeschmack haben Reisende dieser Zeit beschrieben ... ;-)
    Und welche Wendungen haben Dich überrascht?

  • Dieser Abschnitt war wirklich ereignisreich. Für die Leserunde hätte ich mir fast gewünscht, daß er etwas kürzer gewesen wäre- so sind am Ende des Abschnittes viele Eindrücke von dessen Beginn schon wieder verschwunden.


    Da wieder bereits vieles gesagt wurde, möchte ich nur auf ein Detail eingehen.
    Der überraschende Tod von Franklin und dessen Gefühle zu Carl haben mich wirklich überrascht. Ich denke, Carl hat sicherlich auch mehr als Kollegialität für ihn empfunden, sein Verhalten nach dessen Tod spricht von echter Zuneigung- daß es darüber hinaus ging, glaube ich nicht. Irgendjemand hatte ja auch geschrieben, daß das erkläre, warum Franklin letztlich doch recht locker mit der Tatsache umgehen konnte, daß er sich seine Kajüte mit einerFfrau teilen musste- da war es zuvor, als er noch dachte, sie wäre ein Mann wahrscheinlich schwerer :grin
    Für mich ist diese Begebenheit ein bißchen das Gegenstück zur Szene mit Edison und Randy Hall, welche Seth beobachtet. Während Franklin wirkliche Gefühle für Carl hat, denke ich nicht, daß einer der beiden anderen wirklich schwul war, sondern es einfach keine Frauen an Bord gab, um dem Problem Abhilfe zu schaffen (zumal das Ganze, obwohl ich von einer gewissen Freiwilligkeit ausgehe, recht beklemmend geschildert war, aber das lag wohl an Seth´Perspektive). Obwohl sich beide Szenen letztlich um Homosexualität drehen, sind es doch zwei ganz verschiedene Dinge.


    Und jetzt werde ich mal abrauschen und die letzten Seiten des Buches verschlingen.

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • Ich hatte leider in den letzten Tagen keine Zeit zum in-Ruhe-lesen, deshalb habe ich das Buch so lange zur Seite gelegt. Wollte es nicht zwischen Tür und Angel immer mal wieder anlesen... wäre bei diesem ereignisreichen Abschnitt auch nicht so gut gekommen, da hätte ich die Hälfte schon wieder in Galopp vergessen, bevor ich hier zum gucken und posten komme. ;-)


    Der arme Franklin... :-( Wegen ner Kugelfischvergiftung. Der Smutje tat mir richtig Leid, weil er den Fisch nach Rückfrage bei Doc Davenport schließlich zubereitet hat und sich für das Unglück verantwortlich fühlt.
    Zumindest hat sich aber damit meine Frage geklärt, ob nun so eine verwirrende Dreiecksgeschichte zwischen Mary, Franklin und Carl entsteht. Zum Glück nicht.


    Der Tod von Kyle und Nat Bennetter, besonders von Nat, hat mich dann auch sehr getroffen. Ich habe es auch so verstanden, dass Nat mit zunehmender reisezeit immer depressiver wurde. Erst der Verlust der Mutter, dann der Vater, der seinen Kindern keine Wärme entgegenbringen will/kann, dann sagt Seth ja auch irgendwann, Nat hätte das Wasser gehasst und dann verschwindet noch der Affe (wird der Verbleib eigentlich irgendwo noch geklärt? Es würde mich schon interessieren, ob Dan da seine Finger im Spiel hatte und somit Nat unwissentlich weiter in seine Depression gesteuert hat)... Am schlimmsten fand ich an dieser Situation, dass ausgerechnet sein kleiner Bruder ihn finden musste und damit selbst aus der Bahn geworfen wird. :-( Nat's Island allerdings finde ich eine wunderschöne Idee.


    Dass die Bewohner in Tahiti nackt oder fast nackt rumlaufen, kann ich ja nachvollziehen, da ist es ja auch warm, aber auf/in Feuerland?! Wenn es dort schneit und alle Seeleute in ihren Sachen schon halb erfrieren, kann man sich das nur schwer vorstellen, oder hab ich mich da vielleicht verlesen? :gruebel


    Dass es nun so herauskommt, dass Mary eine Frau ist, hätte ich ja nicht vermutet... Ich musste grinsen, als die beiden Ureinwohner sie "glücklich machen" wollten und auch die Gedanken Owahiris sind im Grunde sehr logisch, wenn die Seeleute Frauen doch so sehr begehren, warum haben sie dann keine an Bord, dann wären sie doch viel entspannter... ;-)
    Die Reaktion des Kapitäns finde ich sehr gentlemanlike, ich kann allgemein verstehen, warum Carl unbedingt wollte, dass er das Kommando bekommt. Er hat das Wohl aller im Sinn und schaut auch weit über seinen Tellerrand hinaus. Mich hat es zwar auch getroffen, dass er keine weiteren Medikamente für Seth "opfern" wollte, aber grundsätzlich stand zu der Zeit das Wohl aller wohl über dem eines Einzelnen.


    Ich freue mich nun sehr auf den letzten Teil des Buches! :wave

  • Ein kurzweiliger Leseabschnitt den ich an zwei Abenden gelesen habe. Es geschieht ja allerhand und ich möchte auf eine inhaltliche Zusammenfassung verzichten da es ja nicht allzu schwer ist den Vorgängen zu folgen.


    Zitat

    Original von Mulle
    Nats Freitod konnte ich nicht wirklich nachvollziehen. Natürlich hat der Junge viel verloren und wie hoch das Ansehen eines Waisenkindes an Bord ist, sieht man etwas später ja.


    Jop, hier war ich ganz ehrlich gesagt auch etwas baff. Ich gehe davon aus das Seth komplett isoliert werden sollte und um zu zeigen das er nun ganz allein dasteht. Ansonsten kann ich mir Nats Handlung bzw. Tod nicht erklären.


    Bisher fehlt mir doch ehrlich gesagt etwas die Biologie. Das medizinische dominiert logischerweise aber gerade wenn dermassen viel geschieht mit so viel Drama hätte man dem Leser kurz Zeit zum durchschnaufen geben können und eine Passage mit Botanik aus der Pflanzen und/oder Tierwelt einstreuen können.

  • Es gab wirklich viele Todesfälle in diesem Abschnitt. Der Tod von Franklin und von Nat haben mich traurig gestimmt. Bei Nat hätte ich gar nicht gedacht, dass er zu so etwas fähig ist. Er machte so einen "starken" Eindruck. Aber wahrscheinlich rauhe Schale, weicher Kern. :gruebel Der Arme Seth. Ihm bleibt auch gar nichts erspart. Hoffentlich erholt er sich noch einmal von den ganzen Schocks die er durchleben musste.


    Auf das Geheimnis von Franklin wäre ich so nicht drauf gekommen. Aber dann war klar, warum er Marc/Mary schützte und mit ihr eine Kabine teilte.


    Ich musste schmunzeln, als die Tahitianer gleich feststellten, dass sich eine Frau an Bord des Schiffes befindet. Ich bin mal gespannt was nach der Enttarnung mit Mary passiert.

  • Zitat

    Original von Ayasha
    Wow! Dieser Abschnitt hat es wirklich in sich!


    Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen! An Dramatik war dieser Abschnitt fast nicht zu überbieten! Genau wie Tabea fand ich es schon etwas viel Unglück. Teilweise fand ich es sehr traurig, vor allem Nats Tod und Seths Reaktion darauf haben mich (wie die meisten von euch) mitgenommen. Ich gebe zu, bei dem Kapitel über Nats Beerdigung habe ich geheult (und das ist mir beim Lesen schon lang nicht mehr passiert). Seth tut mir aufrichtig leid, dass ist schon etwas viel für den kleinen Mann. Aber was ist jetzt eigentlich mit seinem „Wahnsinn“?


    Franklins Tod hat mich sehr überrascht, damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Im ersten Moment auch schockiert (du kannst doch nicht meinem Favoriten so schnell aus dem Rennen schmeißen, Liv), allerdings musste es wohl zwangsläufig so kommen. Ich war übrigends sehr überrascht, als Mary das Medaillon öffnete (mehr noch hätte ich gerechnet, ihr Bildnis darin zu finden). Passt aber gut zusammen.


    Zitat

    Original von sapperlot
    Bisher fehlt mir doch ehrlich gesagt etwas die Biologie.


    So geht es mir auch, gerade in diesem Abschnitt fand ich die Seefahrt sehr vordergründig. Momentan ist Seth für mich die „heimliche“ Hauptperson des Buches, da ich mich ihm sehr viel näher fühle als Mary. Seth Emotionen kann ich miterleben, Mary bleibt für mich trotz aller ausformulierter Gedanken doch eher fremd in ihren Empfindungen. Vom Gefühl her bleibt sie mir fremd.


    Nun wurde ja Mary komplett enttarnt. Diese Szene aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln fand ich sehr schön erzählt und hat mir gut gefallen. Von Carl fand ich es mutig, dass er eingestanden hat, Mary schon länger als Frau enttarnt zu haben – das wirft auf ihn nicht gerade ein gutes Licht und brüskiert evtl. den Kapitän. Dieser hat erstaunlich gelassen reagiert, ob er wohl insgeheim schon etwas ahnte?


    Zum Thema sexuelle Freizügigkeit zitiere ich mal Mulle:


    Zitat

    Oder vielleicht gar nicht so freiwillig/ zwanglos erfolgte, sondern hinterher schönerzählt wurde?


    Entweder so oder ich habe mir auch schon überlebt, inwieweit diese Berichte wirklich objektiv verfasst wurden. Es spielt ja immer die eigene Weltsicht mit hinein, und da dieses Zeitalter wohl sehr verklemmt war, wurde hier und da vielleicht auch etwas übertrieben!


    Auch in diesem Zusammenhang würde mich interessieren, ob die Gedanken der Inselbewohner dokumentiert wurden. Sicherlich nicht von ihnen, aber vielleicht von Forschern, die sich mit ihnen länger unterhalten haben? Oder hast du ihnen ihre Gedanken "in den Mund gelegt", Liv?

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Hier sind ja so einige Fragen bzw. Themen aufgelaufen, zu denen ich gern was sagen möchte ... :-)


    Zu Nat: Es ging nicht darum, Seth "zu isolieren", ich hätte auch gut erzählen können, wie Mary später versucht, zwei Kindern die Existenz zu sichern. Bei der Recherche habe ich gelesen, dass viele Männer im Laufe der Fahrten von Heimweh ergriffen wurden, ein Wort, das es damals so noch nicht gab. Dass sie Depressionen bekamen und an den harten Reisebedingungen scheiterten, dass hin und wieder tatsächlich gestandene Kerle sich das Leben nahmen. Für mich war es naheliegend, dieses "an der Reise zerbrechen" über eines der Kinder zu erzählen, denn man hat sich damals tatsächlich kaum darum Gedanken gemacht, wie die jüngsten Teilnehmer dieser Fahrten zurechtkommen.
    Verstärkt wird Nats Depression durch den hautnah miterlebten Tod des Vaters, eine traumatische Erfahrung, die sich nun zu dem schon erlittenen Verlust der Mutter gesellt. Nat zieht sich immer weiter in sich zurück, so weit, dass auch der kleine Bruder keine Rolle mehr spielt, der wiederum chancenlos mit zu sehen muss, wie sein Bruder "verloren geht". Seth hat etwas mehr Nähe zu Mary, das rettet ihn, erklärt aber auch, warum er später so verletzt auf ihre Enttarnung reagiert. Hoffe ich zumindest ...


    Zu den Tahitianern: Ich hätte nie die Perspektive von Owahiri geschaffen, wenn ich da nicht so wunderbare Sachliteratur entdeckt hätte, die ausführlich beschrieb, wie die Insulaner die Ankömmlinge wahrgenommen haben: die merkwürdig eckigen Köpfe, die hellen Augen, das unbrauchbare Geschirr, die blitzenden Spazierstöcke, die Vorliebe der Tahitianer für das Eisen, die Kleidungsstücke der Engländer usw. Das fand ich spannend und so wichtig, dass ich eine Stimme geschaffen habe, die auf die Ankömmlinge blicken kann.


    Zum Thema "viel Unglück" in diesem Abschnitt: Ja, das ist sicherlich richtig, dass man als Leserin und Leser hier heftig gefordert wird.
    Zu dieser Zeit hatte man die Sterblichkeitsraten dieser Reisen schon erheblich gesenkt. Es gab früher Fahrten, da kamen beispielsweise auch mal nur 50 Prozent der Mannschaft zurück oder noch weniger.
    Zu James Cook Zeiten hatte man die Sterblichkeitsraten auf gut 5-10 Prozent gesenkt, das war sensationell. Das heißt, wenn die Geschichte noch ein paar Jahre früher angesetzt worden wäre, hätte ich, um näher an den realen Reisebedingungen dranzubleiben, noch etliche Mannschaftsmitglieder beispielsweise durch Skorbut dahin raffen müssen.


    Manche Dinge habe ich auch schon ausgespart - viele Kapitäne waren damals Despoten, die unfassbar brutal mit ihren Mannschaften umgingen. Da wurde zur Strafe gepeitscht, was das Zeug hielt (auch hieran, also an den entstehenden Entzündungen, sind die Leute dann oft gestorben, weil bis auf die Knochen gepeitscht wurde), da wurden auch mal Ohren abgeschnitten, kielgeholt usw. Cook war einer der "zivileren" Kapitäne, auch wenn er hin und wieder zu drastischen Maßnahmen griff. An ihm habe ich mich ein wenig orientiert.


    Aber auch Kapitän Bougainville, mit dem Jeanne Baret gereist ist, scheint ein wenig anders gewesen zu sein. Denn tatsächlich hat er sehr entspannt auf die Enttarnung der Frau an Bord reagiert und auch auf die Tatsache, dass der Botaniker Commerson die Täuschung mit inszeniert hat.

  • Zitat

    Original von sapperlot
    Bisher fehlt mir doch ehrlich gesagt etwas die Biologie. Das medizinische dominiert logischerweise aber gerade wenn dermassen viel geschieht mit so viel Drama hätte man dem Leser kurz Zeit zum durchschnaufen geben können und eine Passage mit Botanik aus der Pflanzen und/oder Tierwelt einstreuen können.


    Das kam mir im Laufe des Buches auch etwas zu kurz, immerhin sollte es davon ja eigentlich hauptsächlich handeln. Nichts für ungut, Liv, aber man merkt, dass du keine Biologin/Botanikerin bist ;-)

  • Jeanne : Um Himmels willen, das habe ich auch nie behauptet, ich bin auch Seemann, kein Tahitianer und kein Kaufmann ... :-)
    Um sicher zu sein, dass die Recherchen zur Botanik richtig sind, habe ich mir auch noch Schützenhilfe von einer Botanikerin geholt, die den gesamten Roman gelesen hat.
    Aber ich ziehe jetzt nochmal einen Ausschnitt aus einem Thread im dritten Teil vor, der das Thema Botanik noch einmal aufnimmt:


    Zur Botanik: Damals waren die Wissenschaftler, die auf Entdeckungsfahrten gingen, also auch die Botaniker, oft eher noch "Universalgelehrte", zumindest war das mein Eindruck. Damit meine ich, dass ihr Arbeitsfeld auf diesen Reisen sehr viel umfassender war, als wir es heute bei einem Botaniker erwarten würden, der eine Forschungsreise antritt.
    Die Botaniker haben damals in umfangreicher Form auch ethnologische Studien betrieben und wirklich alles gesammelt, was ihnen "in die Finger" kam: Pflanzen, Tiere, Steine oder auch Alltagsgegenstände, Schmuck und Waffen von Einwohnern der von ihnen besuchten Länder. Sie legten auch, beispielsweise zur tahitianischen Sprache, ein Wörterbuch an, verzeichneten medizinische Heilmethoden oder versuchten gesellschaftliche Strukturen und Hierarchien zu erkennen. Ebenso interessant waren aber beispielsweise auch die Jagdmethoden, das Handwerk, die Ernährung, selbst die jeweilige Kleidung wurde genauestens beschrieben, zum Teil wurde sogar erwähnt, wie diese hergestellt wurde. Die Frage nach dem Glauben wurde betrachtet, soweit man das mit der Sprachbarriere eben erfassen konnte, oder, wie im Buch auch mal kurz angedeutet, Bewaffnungsstärke eines Landes bei kriegerischen Konflikten hochgerechnet. Insofern gehört das alles zur Arbeit der Botaniker dazu - vom Zeichnen und Sammeln der Pflanzen bis hin zum Eimer mit den Salpen.
    Vielleicht wird dann deutlicher, warum die Botanik ein Teil des Buches ist.

  • Zitat

    Original von Zwergin
    (...) Kein Wunder, dass der Junge Depressionen bekommt, wie soll ein Kind auch ohne jede Hilfe mit dieser Situation fertig werden?


    Depressive Tendenzen hatte Nat ja schon vor dem Tod seines Vaters. Das wird deutlich, als beschrieben wird, dass er früher auf jeden Unfug seines Bruders reagierte, viel und laut lachte und blitzende Augen hatte. Und jetzt sind seine Augen stumpf, er lacht nicht mehr und sagt zum Kleinen, als er meint, die Wolke sähe aus wie ein Allerwertester, er solle ihn in Ruhe lassen.


    Der Tod des Vaters hat Nat "nur" den Rest gegeben.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Auch ich bin beeindruckt von den vielen Ereignissen des dritten Abschnitts. Es war spannend, traurig und überraschend. Ich hatte ein wenig mit meinen Emotionen zu kämpfen, war schon das ein oder andere Mal den Tränen nahe.


    Was die sexuelle Freizügigeit betrifft, habe auch ich mir meine Gedanken gemacht und ich glaube auch, dass es nicht immer freiwillig war und schön geredet wurde.
    Nur bei dem Inselvolk denke ich, war es anders, die sahen Intimität als etwas völlig normales an und lebte diese voll aus.


    Ich glaube Nordstern hat sich die Frage gestellt, warum die Schiffscrew sich keine Frau mit an Bord genommen hat. Ich habe mal in einem anderen Buch gelesen, dass es tatsächlich vorgekommen ist eine Frau für eben diese Zwecke mit an Bord zu nehmen, wenn allerdings keine zur Verfügung stand, wurden auch mal Ziegen mitgenommen!

  • Dieser Abschnitt war emotional sowas wie der Höhepunkt für mich in diesem Buch. Der Tod von Franklin durch diese Vergiftung hat mich sehr traurig gemacht. Naths Tod hätte ich so nicht erwartet und es tat mir so Leid für Seth.