Myrina Black: Zwischen Mitternacht und Tod; aus der Reihe MYSTERY, Hamburg 2011, CORA-Verlag, Bandnummer 0320, Broschur,142 Seiten, Format 12,4 x 18 x 0,9 cm, EUR 3,50 (D), EUR 3,60 (A), als eBook: EUR 3,49.
Für sechs Wochen quartiert sich die 18-jährige Londonerin Savannah Reynolds bei ihrer verwitweten Tante Bernice in Amesbury ein. Sie will zur beruflichen Orientierung ein Praktikum im Museum von Salisbury machen.
Die junge Frau ist attraktiv aber schüchtern. Dass in dem kleinen Ort, in dem ihre Tante wohnt, jeder jeden kennt und die Leute sie gleich ansprechen, ist ihr zunächst unangenehm. Doch so eine unkomplizierte Kontaktaufnahme hat auch ihre Vorteile: Ruckzuck ist die zurückhaltende Savannah in eine Clique junger Leute aus der Nachbarschaft integriert.
Archäologiestudent Aidan Higgins und sein Kumpel Bryce sind interessante und gut aussehende junge Männer, Aidans jüngerer Bruder Dale und die sympathische Nachbarin Kirstie haben eine Vorliebe für Gruselgeschichten, die sie auch überzeugend vorzutragen wissen. Für die rationale Savannah sind das nur unterhaltsame Schauermärchen. Doch als bei der Heimfahrt von einem Picknick der alte Rover ihrer Tante auf offener Strecke liegen bleibt und Savannah in stockdunkler Nacht zu Fuß nach Hause gehen muss, wird ihr schon ein bisschen unheimlich. Die Gruselgeschichten ihrer neuen Freunde zeigen Wirkung.
Seltsam ist, dass der Wagen anderntags wieder einwandfrei läuft und es keinen nachvollziehbaren Grund für die Panne gibt. Solche unerklärlichen Vorkommnisse häufen sich in den nächsten Tagen.
Jedes Ereignis für sich könnte man mit Schusseligkeit, Zufall oder Pech erklären. Aber in dieser Häufung? Da liegt es eher nahe, dass irgendjemand – oder irgendetwas – Savannah und ihrer Tante gezielt schaden möchte. Aber warum? Savannah ist erst seit wenigen Tagen in der Gegend, und ihre Tante ist eine allseits beliebte, hilfsbereite Frau.
Aber vielleicht gibt es ja auch gar keine Anschläge, und es ist wirklich alles nur Pech und Zufall!
Als Savannah eines späten Abends aus dem Haus eilt, weil sie denkt, dass ein Passant ihre Hilfe benötigt, stürzt sie im Dunkeln in eine Grube. Eine ungesicherte Baustelle? Ein besonders blöder Streich? Und was sind das für seltsame Lichter, die um sie herumschwirren? Hologramme? Projektionen? Recht schnell gehen der jungen Frau die rationalen Erklärungen aus und ihr wird klar, dass sie es hier nicht mit einem technischen Trick, sondern mit einer echten Geistererscheinung zu tun hat!
Wenn Savannah will, dass der Spuk aufhört, muss sie ihre Freunde einweihen. Dale und Kirstie glauben an so etwas, die wissen vielleicht Rat.
Ob sie Savannah helfen können, das wissen die Freunde noch nicht. Doch drei Dinge können sie mit Sicherheit sagen: Die Lage ist ernst. Der Geist wird von sich aus keine Ruhe geben. Und er muss menschliche Helfer haben ...
Die Opfer von Spukerscheinungen sind üblicherweise hilflose Jungfern in Not. Myrina Blacks Savannah ist da von anderem Kaliber. Auch wenn sie zart und schüchtern wirkt, ist sie verflixt hart im Nehmen. Eine echte Stahlmagnolie, wie man in den Südstaaten der USA sagen würde. Geister gibt’s nicht, basta. Die können sich einen Wolf spuken, sie glaubt nicht daran. Und sie hat nicht die geringste Absicht, angstschlotternd und weinend davonzulaufen. Erst als ihr die rationalen Erklärungen für die merkwürdigen Phänomene ausgehen und die Angriffe so richtig handfest werden, akzeptiert sie, dass da etwas Übersinnliches im Spiel sein muss – und dass sie Hilfe braucht.
Sie denkt auch nicht daran, dem attraktivsten ihrer neuen Bekannten gleich widerstandslos in die Arme zu sinken, auch wenn er ihr gefällt. Sie hat eigene Pläne, und da passt ihr eine Liebesgeschichte erst einmal nicht ins Programm. Und wenn sie meint, dass bei dem jungen Mann ihres Interesses eine „Kopfwäsche“ nötig sei, dann verpasst sie ihm die.
Ein bisschen hat die Autorin hier das Grusel- und Mysterygenre gegen den Strich gebürstet. Skeptische Heldinnen mit einer so ausgeprägten eigenen Meinung dürfte man dort nicht alle Tage finden. Das birgt natürlich ein gewisses Risiko, da routinierte Leserinnen einer Romanreihe bestimmte Erwartungen an die Protagonisten und den Verlauf einer Geschichte knüpfen. Die hätten hier vielleicht auch gerne etwas mehr Tamtam bei der Rückführung der Geister in ihre Welt.
Skeptische Leserinnen – wenn sie sich denn an diese Art der Lektüre wagen – werden sich vielleicht fragen, was der böswillige Geist denn getan hätte, wenn er sich keiner menschlichen Hilfe hätte versichern können. Hätte er sich irgendwann frustriert in die Anderswelt zurückgezogen, weil keiner sein Gespuke ernst nimmt? Das wäre auch mal ein amüsanter Ansatz – aber natürlich nichts für die MYSTERY-Reihe, die auf Übersinnliches im Verbund mit Romantik setzt. Und die Romantik kommt hier nicht zu kurz, auch wenn die Heldin ein bisschen eigensinnig und kratzbürstig ist.