Sunset - Klaus Modick

  • Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
    Verlag: Eichborn (22. Februar 2011)
    Sprache: Deutsch


    Kurzbeschreibung
    Feuchtwanger, Brecht und das kalifornische Exil - der Roman einer ungewöhnlichen Freundschaft Weltberühmt und wohlhabend, aber argwöhnisch beschattet von den Chargen der McCarthy-Ära, lebt Lion Feuchtwanger 1956 noch immer im kalifornischen Exil - der letzte der großen deutschen Emigranten. Als ihn an einem Augustmorgen die Nachricht vom plötzlichen Tod Bertolt Brechts erreicht, ist er tief erschüttert. Er hatte Brechts Genie entdeckt, hatte ihn gefördert, war ihm eng verbunden gewesen. In stummer Zwiesprache mit dem toten Freund ruft Feuchtwanger die Stationen dieser Freundschaft wach, ihren Beginn im München der Räterepublik, die literarischen Triumphe der Zwanzigerjahre, die Flucht und das Leben im Exil. Aus seinen Erinnerungen kristallisieren sich zugleich die Antriebsfedern des eigenen literarischen Schaffens heraus: die Trauer um die als Säugling verstorbene Tochter, seine Schuldgefühle und sein Ehrgeiz, die Traumata seiner Kindheit - und schließlich die Liebe und die Vergänglichkeit. Am Ende des Tages, als die Sonne im Stillen Ozean versinkt, ist der alte Feuchtwanger sich seiner Stärken und Schwächen hell bewusst und hat eine Bilanz des eigenen Lebens gezogen.


    Über den Autor
    Klaus Modick, geboren 1951 in Oldenburg, hat über Lion Feuchtwanger promoviert und in vielen seiner Romane das Prekäre des schriftstellerischen Schaffens erzählerisch behandelt. Er war Stipendiat der Villa Massimo und wurde für sein umfangreiches Werk mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Bettina-von-Arnim-Preis und dem Nicolas-Born-Preis. Er lebt in Oldenburg.


    Meine Meinung


    "[...] kein Erfolg schmeckt so süß, dass er die Bitterkeit von Niederlagen vergessen machen kann."


    Klaus Modick erzählt in "Sunset" die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Schriftstellern: Bertolt Brecht und Lion Feuchtwanger.
    Die Geschichte spielt an einem einzigen Tag im Jahr 1956 in Kalifornien, am Sunset Boulevard. Feuchtwanger bewohnt dort ein Haus mit seiner Frau Marta. Als er eines Morgens gerade bei seinen Gymnastikübungen ist, erhält er per Telegramm die Nachricht, dass sein Freund Brecht gestorben ist. Feuchtwanger geht im Laufe des Tages alle Erinnerungen, die er an seinen langjährigen Freund und Schriftstellerkollegen hatte, noch einmal durch. In vielen Erinnerungsfetzen und Bildern der Vergangenheit, zeichnet Modick ein interessantes Porträt von Bertolt Brecht, der auch versucht hatte, in Amerika Fuß zu fassen, doch dann wieder nach Deutschland zurückkehren musste. Brecht und Feuchtwanger lernen sich schon in den zwanziger Jahren in Deutschland kennen, als Brecht - damals noch ein unbekannter Schriftsteller - Feuchtwanger ein Manuskript vorbeibringt. Dieser ist sofort begeistert und nimmt den jungen Brecht unter seine Fittiche.


    Anders als Brecht, gelingt es Feuchtwanger in Amerika anzukommen, auch wenn er auch immer noch um eine langfristige Aufenthaltsgenehmigung kämpfen muss. Er verkehrt mit anderen berühmten Exilanten, wie Fritz Lang, Franz Werfel oder auch Hanns Eisler.


    Die Begebenheiten die Modick in seinem Roman schildert sind zum Teil authentisch, aber an einigen Stellen auch fiktiv. Modick, der auch schon über Feuchtwanger promovierte, gelingt es in schönen und poetischen Bildern eine vor allem melancholische Atmosphäre zu erzeugen. Der Roman beschreibt nicht nur eine inhaltlich sehr interessante Zeit, sondern überzeugt mich auch auf einer sprachlichen Ebene. Das Buch ist sehr ruhig, aber sprachlich sehr beeindruckend geschrieben.


    An meiner Lieblingsstelle spricht Feuchtwanger über die Bibliotheken, die er nach seiner Flucht aus Berlin und später aus Frankreich, immer wieder neu aufgebaut hat:


    Zitat

    "Es ist eine Sucht, gewiss, aber ist es nicht auch die Rettung des Menschheitsgedächtnisses? All die verwaisten Bände, die heimatlos durch die Welt treiben. Wer, wenn nicht er, soll sie retten, ihnen Zuflucht und Asyl gewähren? Er muss es einfach tun."


    10 Punkte.

  • Vielen Dank für die eindrückliche Rezension.
    Auf die WL zu setzen ist hier garnicht nötig, denn es subt schon und wird nun auch bald gelesen :-)

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Zitat

    Original von FrauWilli
    Vielen Dank für die eindrückliche Rezension.
    Auf die WL zu setzen ist hier garnicht nötig, denn es subt schon und wird nun auch bald gelesen :-)


    Dann bin ich schon auf deine Meinung gespannt, FrauWilli :wave
    Mich hat "Sunset" auch dazu angeregt zum ersten Mal etwas von Lion Feuchtwanger zu lesen. Da ich noch nie etwas von ihm gelesen habe, bin ich mir unsicher, wo ich anfangen soll. Hat irgendeine Eule Tipps? :-)

  • buzz, ach guck, bei mir war´s grade umgekehrt :-]
    Ich hatte nach einer Madrid-Reise und einem Besuch im Prado sehr große Lust etwas über Goya zu lesen und bin bei meiner Suche auf Feuchtwanger gestoßen. "Goya oder der arge Weg der Erkenntnis" hat mir in diesem Zusammenhang sehr gut gefallen.
    Die Auswahl ist sehr groß, da hast du recht: wo anfangen?


    ...und nun als ich gelesen hatte, dass Modick einen Romen über Feuchtwanger geschrieben hat, habe ich mir den dann halt auch kaufen müssen. Es ist ein Elend ;-)

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Bei mir ist das Buch auch auf der WL gelandet - danke für die Rezi, buzz. :-)

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Zitat

    Original von FrauWilli
    "Goya oder der arge Weg der Erkenntnis" hat mir in diesem Zusammenhang sehr gut gefallen.


    Danke, das ist auf jeden Fall schon mal notiert! :wave


    Ds ist wirklich ein Elend manchmal. Im Moment passiert es mir häufig, dass ich ein Buch lese und durch die Lektüre auf weitere Bücher stoße, die ich unbedingt auch lesen muss. Das nimmt einfach kein Ende.

  • Zitat

    Original von buzzaldrin
    Ds ist wirklich ein Elend manchmal. Im Moment passiert es mir häufig, dass ich ein Buch lese und durch die Lektüre auf weitere Bücher stoße, die ich unbedingt auch lesen muss. Das nimmt einfach kein Ende.


    Nein, das tut es nicht :-]- aber ich finde das auch spannend Bücher zu lesen die einem auf andere Autoren/Themen aufmerksam machen. :wave

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Schriftstellerfreundschaft, das Schreiben als Kunst - und Lebensform, Vater-Sohn-Beziehungen, die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus in Zeiten des kalten Kriegs und das Leben im Exil - Modick hat sich sehr viel vorgenommen mit seinem jüngsten Roman. Daß das gelingt, weitgehend zumindest, hat seinen Grund in strengster Konzentration bei der Auswahl der Beispiele, mit denen die großen Themen illustriert werden, dem knappen Zeitraum, innerhalb dessen berichtet wird und in der zugespitzten Perspektive eines einzigen Erzählers.
    Der Erzähler ist ein fiktionalisierter Lion Feuchtwanger, ein Autor, den Modick so genau zu kennen glaubt, wie die berühmte Westentasche, und der genau deswegen in den erdachten Augenblicken seines Handelns am wahrhaftigsten wirkt. Dokumentiertes und Erfundenes wirken in diesem Roman fast perfekt zusammen.


    Zwei Tage nach dem plötzlichen Tod Bertolt Brechts erhält Feuchtwanger in seiner Villa am Sunset Boulevard in Los Angeles die Nachricht. Das ist der Ausgangspunkt für eine Rückerinnerung Feuchtwangers an Brecht, aber auch an seine eigene Schriftstellerkarriere. Modick schafft ein spannendes Doppelporträt zweier Männer, deren Auffassung von der Bedeutung des Schreibens unterschiedlicher kaum sein könnte, die weniger Berührungspunkte haben als Gegensätze, als Schriftsteller ebenso wie als Menschen. Gemeinsam ist ihnen aber die Überzeugung, daß Leben und Kunst untrennbar verbunden sich, sich ständig beeinflussen und daß Kunst das Leben verändern kann. Sie profitieren beide von ihrer Beziehung, die fast sämtliche Facetten aufweist, die Beziehungen überhaupt haben können. Freundschaft, Konkurrenz, Zusammenarbeit, Gegnerschaft, Zuneigung, Abneigung, ihre Beziehung macht alles durch. Sie sind Freunde und zugleich in Vater-Sohn - Rollen eingebunden. Feuchtwanger als der ältere, ist oft genug Finanzier für Brecht, der finanziell selten auf sicheren Beinen stand. Sie streiten, über Kunst und Frauen und natürlich Politik und sind sich immer wieder bei diesen Themen auch einig. Feuchtwanger, der mit dem Kommunismus liebäugelt, kann sich nie zu einer radikalen Haltung, wie der Brechts, durchringen. Er bleibt, ebenfalls radikal, bürgerlich.


    Feuchtwanger setzt seine Position mit Beharrung durch, seine Schildkröten, die er so liebt, sind charakteristisch für ihn. Gegen Brechts Überschwang, seine Heftigkeit, die unablässige Himmelstürmerei wirkt Feuchtwanger mehr als zurückhaltend, fast blaß, aber eben auch beruhigend. Am Ende setzen sich immer beide durch. Man denke nur an Brechts Bemühungen, das Kommunistische Manifest in Hexameter zu setzen. Feuchtwanger erklärte von Anfang an, daß der Versuch zum Scheitern verurteilt sein. Modick erzählt davon. Was er nicht erzählt, ist das berühmte Ende der Geschichte. Brecht gab auf. Aber nicht kampflos. „Feuchtwanger“, so erklärte er gewohnt apodiktisch, „versteht etwas von Hexametern, aber nichts vom Kommunismus!“ Anerkennung und Herabsetzung zugleich. Brecht eben. Feuchtwanger war es gewohnt, nehme ich an.


    Der Nationalsozialismus und der zweite Weltkrieg haben aus beiden Männern Vertriebene gemacht. Im Exil, in den USA, sehen sie sich wieder. Feuchtwanger, wieder einmal, erfolgreich, Brecht, wieder einmal, eher von der Hand in den Mund lebend. Die kurzeitige räumliche Nähe läßt ihre gewohnte Beziehung in alter Intensität aufleben. Brecht knurrt und beißt, Feuchtwanger übernimmt die Rolle des Vernünftigen und Fürsorgenden. Modicks Darstellung beschränkt sich auf Schlüsselszenen auf knappstem Raum, bei denen sowohl im Dialog als in den Reflexionen Feuchtwangers immer auch auf die Position des jeweils anderen verwiesen wird. Die Gegenposition ist als Überbau immer vorhanden, auch in vermeintlich einfachen Schilderungen der Begegnungen mit anderen deutschen Exilanten. In kurzen Dialogstellen zeigt sich Thomas Manns umfassende Eitelkeit, zwei, drei Sätze genügen, um die ganze Tragik von Heinrich Manns trauriger Ehe mit Netty zu offenbaren oder die Schwierigkeiten zwischen Thomas und Klaus Mann. Arnold und Michael Zweig sind eine weiter unglückliche Vater-Sohn-Beziehung, in der zugleich auch die Beziehung zwischen Brecht und Feuchtwanger gespiegelt wird.


    Und natürlich das Unglück des Exils. Sie sind unglücklich, diese Vertriebenen, gleich, ob sie erfolgreich sind oder nicht. Das Leben in der Fremde bildet einen unheimlichen Unterton in diesem Roman, ebenso unheimlich, wie die fast beiläufige Darstellung des herrschenden Antikommunismus mit seinen barbarischen Bespitzelungsmethoden. Überwacht, abgehört werden, immer wieder um Aufenthaltserlaubnis kämpfen zu müssen, gehört zum Alltag für diese Menschen. Gerade diese Stellen lesen sich gruselig aktuell. Modick entlarvt hier auch gezielt die behauptete Toleranz der USA.


    Trauer, Melancholie, Bilanz eines Lebens ziehen, vor allem aber einer Freundschaft zwischen Schriftstellern, die wegen der Unterschiedlichkeit der Protagonisten zu den faszinierendsten gehört, die die Literaturgeschichte aufzuweisen hat, machen die Stimmung des Romans aus. Die Sprache ist dem angepaßt, sehr sorgfältig und zugleich an die Sprache Feuchtwangers angelehnt. Der Duktus von Feuchtwangers Romanen klingt immer wieder an, ohne daß er grundsätzlich durchschlägt, eine weitere schriftstellerische Leistung. Die Formulierungskunst, die Modick an den Tag legt, macht den Text aber zugleich sehr glatt. Man wird leicht verführt, sich nur an das zu halten, was auf dem Papier steht. Das ist schön genug. Aber es ist nicht alles.
    Sein eigentliches Gewicht bekommt das Buch durch die Diskussionen außerhalb von Modicks Schilderung. Namen sind nicht nur Namen, sondern literaturgeschichtliche Strömungen, das gilt auch für die wenigen Nennungen von Film und Theater, ‚Exil’ steht für Literatur und Politik, kleine Hinweise auf Juden in den USA sind kleine Funken eines riesigen Feuerstrahls, der die Einwanderungsgeschichte der Juden seit dem 19. Jahrhundert beleuchtet. Der Roman umfaßt Welten, auch wenn er nur 180 Text-Seiten hat.


    Eigentlich ist es ein Buch für eine breite und ganz unterschiedlich interessierte LeserInnenschaft. Er ist zugänglich und attraktiv, auch wenn man die Protagonisten nicht oder kaum kennt. Er macht neugierig, auf die Schriftsteller, auf die Menschen.
    Wer dagegen mit dem Thema vertrauter ist, wird sehr reich belohnt mit einem. zwar konservativen, aber nicht verstaubten, zeitgenössischen Beitrag zu den Gebieten ‚Exil/literatur’, Brecht und vor allem Feuchtwanger.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Kommentar von blaue Blume:


    Diesen Roman kann man durchaus als einen historischen Roman bezeichnen, wenn die Zeit nicht so kurz zurückliegen würde. Es ist auf jeden Fall eine Hommage an Lion Feuchtwanger und Bertolt Brecht. Dieser Roman basiert auf Tatsachen und Klaus Modick gelingt es, daraus eine Literatur zu schaffen, die es in sich hat.
    Dieser Roman sei allen ans Herz gelegt, die sich für die beiden herausragenden Schriftsteller Lion Feuchtwanger und Bertolt Brecht interessieren, aber auch jenen, die die Situation des Exils interessant finden und natürlich allen, die endlich wieder ein gutes Buch lesen wollen.

  • Mein Eindruck:
    Klaus Modicks Roman Sunset zeigt deutsche Schriftsteller im amerikanischen Exil in der Zeit des Nationalsozialismus und in den Jahren danach. Das ist eine Zeit, die mich auch schon in anderen Romanen, Biographien und Filmen interessiert hat. Besonders in Thomas Manns Tagebüchern, die er in Pacific Palisades bei LA schrieb, wird ein deutliches Bild dieser Zeit gezeigt, das ich in Modicks gelungenen Roman wiederfinde.


    Zu den Emigranten gehörten Thomas Mann, Heinrich Mann, Franz Werfel oder auch der Komponist Schönberg. Und Lion Feuchtwanger, aus dessen Sicht der kurze Roman erzählt wird und sein Freund Bertold Brecht. Auf eine Ich-Perspektive wird aber verzichtet.
    Klaus Modick hat, so glaube ich, gut recherchiert, außerdem steckt viel Gefühl im Roman, mal Humor, mal Melancholie. Der Leser hat Anteil an Feuchtwangers Emotionen. Deswegen funktioniert der Roman so gut.
    Die künstlerisch fruchtbare Beziehung zwischen Feuchtwanger und Brecht steht im Mittelpunkt. Beide profitieren von der Freundschaft. Feuchtwanger ist auch in den USA produktiv, er unterstützt seine Kollegen, auch Brecht, der kaum die englische Sprache richtig lernte und in den USA nie als großer Schriftsteller akzeptiert wurde.
    Obwohl Brecht nur aus Feuchtwangers Perspektive beschrieben wird, wird er zur glaubhaften Figur. Dazu gehören auch die Passagen, in denen Brecht vor McCarthys Komitee für unamerikanische Aktivitäten aussagen musste. Vergleichbar die Szenen zu Feuchtwangers Antrag auf amerikanische Staatsbürgerschaft. Die McCarthy-Ära mit ihrer politischen Stimmungen voller Paranoia wird spürbar.


    Nebenbei lebt das Buch auch durch die Vermittlung der Literatur, insbesondere von Lion Feuchtwangers Werk.


    Sunset ist das bisher beste Buch, das ich von Klaus Modick kenne. Ich habe es sehr gerne gelesen.

  • Hier wurde eigentlich schon alles gesagt. "Sunset" ist ein sprachlich ungemein schönes Büchlein über die Freundschaft von Feuchtwanger und Brecht, übers Exilantentum, über Heimatlosigkeit, Literatur und über das Leben an sich.
    Modick vermischt gekonnt Fiktion und Realität und zeichnet mit Feuchtwanger einen Sympathieträger, dem man gerne über die gerade einmal 190 Seiten an einem einzigen Tage spielend folgt.
    Auch Ausschnitte aus dem Werk Feuchtwangers werden geschickt eingewoben, sodaß sicher mancher Leser ein Interesse verspüren wird, einmal zu einem Roman Feuchtwangers zu greifen.
    Generell bin ich ja dafür, daß Autoren einen Stoff nicht unnötig ausdünnen und weitschweifig erzählen, in diesem Fall jedoch hätte ich mir ein paar Seiten mehr gewünscht.


    @ Herr Palomar: Welche Bücher von Klaus Modick hast du denn sonst noch gelesen? Ich kannte bislang nur "Bestseller".

  • Sunset war das erste Buch, welches ich von Modick gelesen habe.
    Ich habe das Gefühl das Lesen dieses Buches hat sich für mich einfach nicht gelohnt.


    Elke Heidenreichs Zitat über das Buch beschreibt ganz gut, was meines Erachtens nach nicht aus diesem Buch herausstach:


    Zitat

    Das ist wieder so ein Buch, das ich der ganzen Welt ans Herz legen möchte. Es hat Wärme, Weisheit, Intelligenz, und man liest, selten genug, bewegt und glücklich.


    Einer Wärme Feuchtwangers gegenüber Brecht stimme ich gerne noch bereitwillig zu.
    Intelligenz kann ich ebenfalls noch in diesem Buch finden - Literatur wäre arm dran ohne sie.
    Weisheit finde ich für dieses Buch allerdings schon eher relativ. Denn die Stellen an denen diese zu finden ist springen mich wohl einfach nicht an.
    Genauso wenig hat mich dieses Buch bewegt und glücklich hinterlassen, obwohl ich mich gefreut hätte wäre es denn so gewesen.


    Ich fand das Buch zäh und nach abgeschlossener Lektüre hat es keinen Eindruck hinterlassen der mich dazu bringen würde es nochmal zu lesen.
    Einige Passagen von Sunset waren dennoch angenehm zu lesen, aber im Großen und Ganzen ist mir nicht klar geworden was der Sinn dieses Buches sein soll.
    Schlichtweg Unterhaltung? Wohl kaum. Erkenntnisse vermitteln? Ich wüsste nicht welche. Mit einem guten Gefühl zurücklassen? Eher neutral. Aufrütteln? Wissen vermitteln? Mhm, für mich alles nicht passend.
    Vermütlich hätte mir eine schlichte Biografie oder eine einfach geschriebene Erzählung im Stil des Nachwortes mehr zugesagt.


    Feuchtwanger selber war für mich keine Person, zumindest der Darstellung im Buch nach, mit der ich sympatisiere.
    Auch das mag eine Rolle bei meiner Abneigung gegenüber dieses Schrifstücks gespielt haben. Die Passagen über Brecht gefielen mir besser, aber auch nicht übermäßig gut.
    Vermutlich waren die Zitate aus Feuchtwangers Schriften genau die Teile von Sunset, welche mir mitunter noch am besten gefallen haben.


    Entweder ist diese Art der Literatur ist einfach nicht mein Ding oder ich habe mir zum Einstieg einfach das falsche Buch ausgesucht, wer weiß...
    Die mir vorangegangenen Rezensionen vermitteln ja einen weitaus positiveren Eindruck des Romans.
    Schade eigentlich.


    Ein Abschnitt in diesem Buch gefiel mir, trotz aller Kritik, dennoch ausgesprochen gut und ist mir positiv in Erinnerung geblieben:
    "Noch die beste Übersetzung bleibt ein Fremdes. In der fremden Sprache lebt die eigene im Exil. Da hat man etwa um einen Satz, um ein Wort gerungen, und nach langem Suchen hat man den Satz, das Wort gefunden, die glückliche Wendung, die sich wie ein gut geschnittener Handschuh um Gedanken und Gefühl schmiegt. Und dann kommt das übersetzte Wort, der übersetzte Satz. Er stimmt, er ist richtig, aber etwas Entscheidendes fehlt. Der Duft, die Nuance ist fort, das Leben ist gewichen, als sei die Übersetzung die Totenmaske des Originals."
    Klaus Modick, Sunset, S. 66-67


    Ein Zitat welches zweifelsohne auf sehr viele Übersetzungen von Büchern aus dem Original passt. Gerade wenn es um Sprichwörter und dergleichen geht.

  • Aqualady


    'Sunset' ist im Kern eine Geschichte über den ewigen Verlust von allem, was 'Leben' ausmacht. Es tröstet nicht, es beruhigt nicht, es beunruhigt aber auch nicht. Es konstatiert einfach. Traurig, vielleicht, aber auch das ist in letzter Konsequenz ohne Bedeutung.
    Mit Anfang zwanzig hätte ich damit auch nichts anfangen können. Da sind die Schwerpunkte doch ganz andere.



    Und das Heidenreich-Zitat sagt nahezu gar nichts aus. ;-)


    Lies das Buch in fünfundzwanzig Jahren noch mal.
    :-)



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Zitat

    Original von Aqualady
    magali


    Dann muss sich ja zumindest meine Einstellung zum Zitat nicht mehr ändern. ;-)



    Nö. Da hat Dich Deine Nase nicht getrogen.
    ;-)




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Titel: Sunset

    Autor: Klaus Modick

    Verlag: Piper

    Erschienen: Juli 2012

    Seitenzahl: 191

    ISBN-10: 3492274188

    ISBN-13: 978-3492274180

    Preis: 10.00 EUR


    Das sagt der Klappentext:

    Pacific Palisades, 1956. Weltberühmt und wohlhabend, aber argwöhnisch beschattet von den Schergen der McCarthy-Ära, lebt Lion Feuchtwanger im kalifornischen Exil. Als ihn an einem Augustmorgen die Nachricht vom Tod Bertolt Brechts erreicht, ist er tief erschüttert. Er hatte Brechts Genie entdeckt, hatte ihn gefördert, war ihm eng verbunden gewesen. In stummer Zwiesprache mit dem toten Freund ruft Feuchtwanger die Stationen dieser Freundschaft wach …


    Der Autor:

    Klaus Modick, geboren 1951, studierte in Hamburg Germanistik, Geschichte und Pädagogik, promovierte mit einer Arbeit über Lion Feuchtwanger und arbeitete danach u.a. als Lehrbeauftragter und Werbetexter. Seit 1984 ist er freier Schriftsteller und Übersetzer und lebt nach zahlreichen Auslandsaufenthalten und Dozenturen wieder in seiner Geburtsstadt Oldenburg.


    Meine Meinung:

    Es ist so wie eigentlich immer bei Modick: Er ist ohne Frage ein netter literarischer Plauderer, schafft es dabei aber nur ganz selten, wirklich einzutauchen. Vieles bleibt knapp unter der Oberfläche hängen. Was hätte man nicht alles über Brecht und Feuchtwanger erzählen können. Doch Modick bleibt sehr oft nur im Ungefähren, will wohl auch niemand vors Schienbein treten. Trotzdem ist dieser Roman keine Enttäuschung – wenigstens nicht für denjenigen Leser, der ein wenig Wissen auf unterhaltende Art erlangen möchte, ohne seine Gehirnzellen allzu sehr belasten zu müssen.

    Modick schreibt locker, gut verständlich – aber scheint das eine oder andere Mal Lockerheit mit Oberflächlichkeit zu verwechseln. Dabei kann auch Lockerheit durchaus eine intellektuelle Herausforderung sein.

    Ein ganz nett zu lesender Roman, der keine allzu großen Ansprüche an seine Leser stellt. Dabei wäre ein intensiverer Roman über das Verhältnis von Brecht und Feuchtwanger sicher eine sehr spannende Sache gewesen.

    5 Punkte für einen Roman der niemand wehtun will, wenn überhaupt immer nur knapp unter der Oberfläche bleibt, ein Roman der seine Leser nicht fordert, sie lediglich ganz freundlich unterhält.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.