Kip ist fünfzehn, dick, tolpatschig und alles andere als reaktionsschnell. Unter den Jugendlichen des Städtchens Rekton in der Satrapie Tyrea ist er der typische Trottel und Prügelknabe. Daß Kip nicht recht für sich einstehen kann, hat seine Gründe. Er ist der uneheliche Sohn einer Drogensüchtigen, die sich mit Hilfsarbeiten und Prostitution durchschlägt und Kip für ihr Unglück verantwortlich macht. Die einzige Stütze in seinem Leben ist der Färber Corvan Danavis, dem er ab und zu aushilft, wenn es gilt, bestimmte Farbtöne zu bestimmen. Feinere Nuancen sind Danavis’ Schwachpunkt.
Kip lebt in einer Welt, in der Farben eine hohe Bedeutung haben. So gibt es Menschen, die die Fähigkeit besitzen, aus Licht eine oder - je nach Begabung - mehrere Farben herauszuziehen und sie in Materie umzuwandeln. Aus dieser Materie kann jeder beliebige Gegenstand geformt werden. Diese ‚Umwandler’, drafters, im englischen Original, sind gesucht und hochangesehen und ihre Elite, die Sieben Farben plus Schwarz (die Verwaltung) und Weiß (Politik) sind Teil der föderalen Regierung der Sieben Satrapien rund um das Meer. Oberhaupt der Regierung und der herrschenden Farben - resp. Licht-Religion ist das sog. Prisma, jemand, die oder der die sehr seltene Fähigkeit besitzt, nicht nur eine, sondern alle Farben des Spektrums (einschließlich Infrarot und Ultraviolett) umwandeln zu können.
Kips Leben ändert sich schlagartig, als seine Heimatstadt Ziel einer Strafexpedition des Satrapen Garadul wird, weil sie nicht die geforderte Anzahl Soldaten gestellt hat. Innerhalb weniger Stunden ist Rekton Schutt und Asche, die Bevölkerung ausgelöscht und Kip auf der Flucht.
Er ist aber nicht der einzige, dessen Leben sich ändert. Das derzeit herrschende Prisma, Gavin Guile, hat zu seinem höchsten Erstaunen nicht nur erfahren, daß er einen fünfzehnjährigen Sohn hat, sondern stößt bei einer ganz anderen Aufgabe auf die Information, daß im Reich ein Umsturz geplant wird. Ziel des Umsturzes ist nicht nur die Entmachtung von Gavin, dem Prisma, und ein Politikerwechsel, sondern ein ideologischer Umsturz, der alles, was bislang als heilig galt, verändert.
Weeks holt weit aus und er erzählt eine wirklich große Geschichte. Das tut er, indem er tatsächlich die Geschichte einer recht kleinen Gruppe von Personen erzählt, die als Vertreterinnen und Vertreter bestimmter Entwicklungen dienen. Im Handumdrehen hat seine Leserinnen und Leser in eine verwickelte Familiengeschichte gezogen, mit Eltern-Kind-Problemen, Vaterkonflikten, Eheproblemen, Bruderkonflikt und natürlich Liebeskonflikten. Das wird geschickt gemischt mit politischen Intrigen, kriegerischen Verwicklungen älteren und aktuellen Datums, der Geschichte und der Religion seiner Welt. Seine Figuren sehen sich vor moralische Probleme höchster Güte gestellt, sie versagen ebenso im Übermaß, wie sie im Übermaß triumphieren.
Die Spannung erreicht recht früh ein hohes Niveau, Weeks hat ein Talent dafür, seine Figuren nicht nur in haarsträubende Klemmen geraten zu lassen, sondern die Klemmen darüber hinaus mit weiteren Falltüren auszustatten, die natürlich jedesmal dann ihre Wirkung entfalten, wenn man, so, wie die betroffene Figur auch, denkt, daß sie es um Haaresbreite noch schaffen könnten. Darüberhinaus ist kaum eine Person die, die sie zu sein scheint. Gleich, was jemand tut, sie oder er haben Hintergedanken dabei, die alles, was geschieht, befördern, konterkarieren und aufs Ganze gesehen, zusätzlich verwickeln.
Einwände gibt es durchaus, es ist alles etwas zu lang geraten, was daran liegt, daß Weeks einfach die Tinte nicht halten kann. Auch läßt er sich stilistisch zu Albernheiten verleiten, die zwar in der Unterhaltungsliteratur gängig geworden zu sein scheinen, aber den Lesefluß stören. So wird viel zu viel wiederholt und auch Kommentaren der Figuren zu ihrem Handeln zuviel Raum zu geben. Es muß nicht jedesmal, wenn Kip mal wieder über seine eigenen Füße stolpert, ein ‚Oops’ folgen, und daß es wenig schön ist, wenn man aus Versehen in eine Gruppe bewaffneter Feinde reitet, weiß die Leserin, auch ohne daß der Feststellung schon wieder ein ‚Shit’ aufgesetzt wird.
Es gibt Ungeschicklichkeiten in der Figuren-Gestaltung. Nicht recht gelungen ist Karris, Adlige und Kriegerin, und natürlich love interest von Gavin. Sie schwankt zwischen großer Leidender, Amazone und Pin up, eine unglückliche Mischung. Es kann nur besser werden.
Reizvoll dagegen Weeks Darstellung der ‚Weißen’, the White, bei der man bis zum Ende nicht weiß, ob sie eine böse alte Hexe und damit der Fluch aller oder aber die Göttin ist, die letztendlich das Ganze retten wird, Ränkespiel hin oder her.
Alle Einwände aber verblassen angesichts des Neuen, das Weeks schafft, und das ist seine ureigene magische Welt. Die Farben des Spektrums, ihre Wirkungsweise, ihr Einfluß auf die, die sie ‚umwandeln’, ist in sich schlüssig und logisch. Weeks bleibt dabei weitgehend bei den geltenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Er baut daraus aber seinen Kosmos voll solcher scheinbaren Perfektion, daß sie der wunderbaren Stadt Chromeria, der Schöpfung aus Lichtmaterie, dem magischen und weltlichen Zentrum seiner Welt, gleicht. Seine Beschreibungen der Farben, ihrer Eigenschaften und Wirkungsweisen, sind äußerst gelungen und streckenweise so atemberaubend, wie die Beschreibung der ziemlich blutigen Kämpfe. Hier wird übrigens nicht mit Schwert und Pfeil und Bogen gekämpft, sondern auch mit Pulver und Blei. Die Mischung ist gelungen.
Gut ausgedacht sind auch die Einflüsse, die die Farben auf all diejenigen nehmen, die mit ihnen arbeiten. Magie hat immer ein Doppelgesicht, Schöpfung und Sterben in einem.
Vor allem aber setzt Weeks wieder auf das, was den Kern des Genres ausmacht, das Staunen angesichts eines Wunders. Licht ist ein Wunder, Farben sind es, selbst wenn man genau weiß, daß das Wunder auf bestimmte Funktionsweisen des menschlichen Auges zurückzuführen ist. Seine Magie ist märchenhaft im besten Sinn und er vertraut seinem Märchen. Das Ergebnis rundum überzeugend.
Die Geschichte endet mit mehr Fragen als Antworten, wobei eine/n die Fragen ebenso schaudern lassen, wie die möglichen Lösungen. Weitere Bände sind geplant, man kann nicht anders als höchst gespannt ihre Veröffentlichung zu erwarten.