Eureka Street, Belfast ~ Robert McLiam Wilson

  • Kurzbeschreibung
    Chuckie ist 30, Jake 29. Beide leben in Belfast und gehören zu einer Freundesclique, die den Bombenterror und alltäglichen Fanatismus gründlich satt hat. Sie haben andere Sorgen. Jake ist die Freundin davongelaufen, und Chuckie lebt immer noch Zuhause, weil er keinen Job und kein Geld hat. Doch da hat er die clevere Idee, einen Versandhandel mit Riesengummipenissen zu eröffnen - gegen Vorauszahlung versteht sich. Durch die denkwürdigen Geschichten der umtriebigen Clique um Chuckie und Jake zieht sich eine merkwürdige Inschrift auf Belfaster Hauswänden: NEG. »Nicht ernst gemeint« oder »Noch eine Gemeinheit«? Doch bevor irgend jemand schlau daraus geworden ist, hat Chuckie die Sache bereits in bare Münze verwandelt.


    Klappentext:
    Ein temporeicher, verrückter und witziger Roman eines jungen irischen Autors über eine Clique von Freunden in Belfast - allesamt schräge Vögel - und deren Versuche, aus einer chaotischen Welt das Beste zu machen.


    Meine Meinung:
    Eindeutig ein sehr schöner, unterhaltsamer, aber auch nachdenklicher Roman über das Leben und Überleben in einer "zweigeteilten" Welt. Der Autor gibt wunderbare Einblicke in das Leben der Menschen in Belfast - über ihre Sorgen und Ängste, aber auch über ihre Freuden und Verrücktheiten.


    Sehr empfehlenswert!

  • Toms Meinung:


    Jake ist nur zu einer Beziehung wirklich fähig, nämlich der zu seiner - euphemistisch gesagt - sonderbaren Heimatstadt Belfast, und deshalb verläßt ihn Sarah auch wieder, auch um den permanenten Bombenanschlägen ins heimatliche England entfliehen. Jakes Kumpel Chuckie, von dem kaum einer weiß, daß er eigentlich Charles heißt, ist dick und bauernschlau – und von der Idee besessen, reich zu werden. Die ersten Tausender fließen, als Chuckie eine Anzeige für superbillige Riesendildos schaltet, um den Bestellern der nichtexistenten Ware einen Scheck mit der dicken Aufschrift „RIESENDILDO-RÜCKERSTATTUNG“ zuzuschicken, den natürlich kaum jemand einlöst. Außerdem sind da noch die Schläger, mit denen Jake seinem Job nachgeht, der Wiederbeschaffung von Ware, die von den Käufern in den armen Gegenden Belfasts nicht mehr abbezahlt wird. Und es gibt noch die Kumpels im Pub, zum Beispiel Septic Ted, hinter dessen Spitznamen sich eine ganz besondere Geschichte verbirgt …


    Jake lernt immer wieder Frauen kennen, mit denen er es sich alsbald verscherzt, unter anderem auch die radikale Katholikin mit dem Kotzgeräusch-Namen, die an den Sieg ihrer „Seite“ glaubt und keine andere Meinung zuläßt. Chuckie macht eine Bilderbuchkarriere mit haufenweise Luftgeschäften, die ihm Millionen einbringen. Doch dann explodiert wieder einmal eine Bombe mitten in der Innenstadt, und außerdem taucht ein neues Grafitti an allen Häuserwänden auf, für das weder Protestanten, noch Katholiken eine Erklärung haben.


    „Eureka Street, Belfast“ ist ein ganz zauberhaftes, zärtliches und wunderbar erzähltes Buch über die Haßliebe zu einer Stadt, die wie kaum eine andere in Europa für bewaffnete Konflikte steht, deren wahre Gründe zu nennen selbst die Beteiligten in Erklärungsnotstand bringen würde. Denn eigentlich sitzen sie zusammen in den Pubs, die Katholiken und Protestanten, gehen gemeinsam ihren Geschäften nach – und verlieben sich ineinander. Und genau dieser Aspekt ist es auch, der im Mittelpunkt der Geschichte steht, deren Ich-Erzähler Jake die Schnauze voll hat von den Haßtiraden und den Dogmen, den leeren Phrasen und anachronistischen Feindbildern, der seine Welt liebt, seine Freunde – und schließlich auch die Frau, von der er selbst es am wenigsten erwartet hätte.


    Das Buch endet um die Zeit, als die IRA Mitte der Neunziger den hoffnungsvollen Waffenstillstand ausgerufen hat, von dem wir heute wissen, daß er nur ein vorläufiges Ende des Konfliktes war. Es handelt aber vor allem von seinen sympathischen, etwas ruppigen und ziemlich … belfastigen Figuren, ihren überraschenden, enorm amüsanten, häufig aber auch sehr tragischen Erlebnissen. Eine sehr, sehr schöne Lektüre, bei der ich häufig laut lachen mußte, manchmal aber auch …

  • Zugegeben, dieser Fred ist nicht mehr der jüngste, aber dieses Buch verdient es eindeutig, aus den Untiefen des Eulenkellers wieder hervorgezottelt zu werden.


    Eigentlich ist Chucks sagenhafter Aufstieg vom Protestantenpöbel zum Krösus von Belfast haarsträubend, eigentlich ist es völlig unverständlich, warum dieser unglaublich nette Junge Jake ständig in jeden Fettnapf tritt, der sich irgendwo am Horizont zeigt und eigentlich ist das späte Glück von Chucks Mutter viel zu schön um wahr zu sein.
    Und dennoch ist das ganze Buch stimmig, die verwegensten Wendungen bleiben glaubwürdig, und neben dem wunderbaren Humor besitzt der Roman auch einigen Tiefgang, der trotz des lockeren Stils nicht untergeht.


    Eine eindeutige Empfehlung, nicht nur für Irland-Liebhaber :anbet

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

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  • Hier noch das englische Original für meine Wunschliste... :gruebel


    (Wobei die deutsche Übersetzung vermutlich durchaus Hand und Fuß hat - Christa Schuenke gehört zu den Namhaften der Zunft.)

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

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  • Ich hab das Buch kürzlich von meiner Chefin in die Hand gedrückt bekommen.


    Die ersten 70 Seiten waren ziemlich schwer für mich, da ich mit Irland und so nix anfangen konnte....


    Jedoch wurde es dann recht amüsant und lesenswert....



    Daumen hoch!!!

  • Was ich nun auch getan habe! Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen: ein tolles Buch, das für mich nochmal eine tiefere Bedeutung bekommen hat, durfte ich doch für eine Weile in dieser faszinierenden Stadt leben ;-)
    Ein sehr eindrückliches, oft aber auch unheimlich lustiges Buch. Ich glaube ich muss auch mal versuchen Leprechaun-Walking-Sticks zu verkaufen. :lache Wundert mich nur, dass es die nicht tatsächlich im Touristenshop zu kaufen gibt...