Ein Sommer aus Stahl - Silvia Avallone

  • :gruebelEin Sommer aus Stahl
    Silvia Avallone
    ISBN: 978-3-608-93898-2
    Klett-Cotta
    415 Seiten, 19,95 Euro


    Über die Autorin: Silvia Avallone, 1984 in Biella geboren, lebt in Bologna, wo sie Philosophie studiert hat. »Ein Sommer aus Stahl« ist ihr erster Roman und hat sich über 300.000 mal in Italien verkauft.


    Buchrückentext: Und Elba so nah! Nur wenige Kilometer trennen die Insel Elba von der italienischen Hafenstadt Piombino, und doch scheint sie unerreichbar für die Freundinnen Anna und Francesca. Stattdessen pendelt ihr Leben zwischen dem Strand und ihren schwierigen Eltern in der Via Stalingrado, umgeben von Stahlarbeitern, Staub und Sommerhitze. Bis die Liebe alles verändert.



    Meine Meinung: Es ist eine ganz eigene Welt in die Silvia Avallone Einblick gibt - eine heiße, trostlose Welt, in der die Stahlarbeiter und deren Familien in Piombino leben. Einerseits der Blick auf das Stahlwerk, ihre Lebensgrundlage, die ihnen Brot und Arbeit gibt, sie aber nicht aus ihren Fesseln lässt und andrerseits der Blick auf die Urlaubsinsel Elba, eine Welt der reichen Touristen, zu der die Bewohner der Arbeitersiedlung zwischen Strand und Stahlwerk nie gehören werden.


    Anna und ihre Freundin Francesca leben in Piombino und es scheint, als seien die beiden dreizehnjährigen schon jetzt in ihrem Umfeld gefangen und ihr Lebensweg vorgezeichnet. Es sind sehr beeindruckende Bilder, die die Autorin von der Arbeitersiedlung und ihren Bewohnern zeichnet. Der heiße Sommer, der Vater, der vom Balkon aus seiner pubertierenden Tochter mit dem Fernglas hinterher spioniert, die schlechte Beziehung der Eltern untereinander und dann gleich ein Sprung in eine Wohnung weiter und wieder ein gut skizziertes Bild von Annas Familie, das mit wenigen Worten zeigt, wie das Leben hier stattfindet.


    Anna und Francesca werden in diesem Sommer erwachsen und beide entdecken sich und ihre Körper. Doch während Francesca, die regelmäßig von ihrem Vater misshandelt wird, für Männer nur Verachtung empfindet, genießt Anna die Aufmerksamkeit des kriminellen Freundes ihres Bruders Alessio und plötzlich steht ihre Freundschaft auf dem Spiel.


    Über allem liegt bleischwer die Hitze eines Sommers, der der Hitze im Stahlwerk, das alles hier beherrscht, in nichts nachsteht. Es werden noch viele kleine Nebenschauplätze beschrieben und obwohl nicht jeder Bewohner der Arbeitersiedlung eine Hauptrolle spielt, so ergeben die vielen kleinen Geschichtchen ein so realistisches Bild des Ortes, dass man beim Lesen alles genau vor Augen sieht und dass ich nach der letzten Seite das Gefühl hatte, schon einmal dort gewesen zu sein.


    Ich war begeistert von diesen Bildern, von der Stärke der Sätze, die genau dosiert einen Einblick in diesen Mikrokosmos geben, aus dem ein Entfliehen unmöglich scheint. Ich habe dieses Buch in einer Nacht gelesen – Ich konnte und wollte es nicht aus der Hand legen, so sehr war in Piombino, so intensiv hat mich die Stimmung einfangen können, die Silvia Avallone mit ihren Figuren und deren Umfeld in wenigen Worten und klaren Sätzen zu skizzieren weiß.


    Mein Fazit: Für mich ein Lesehighlight in diesem Jahr und mein Lesetipp für einen heißen Sommertag...

  • Notiert! Herzlichen Dank für diese mehr als überzeugende Rezi. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Oh...und dabei dachte ich, ich bin in den nächsten Tagen die erste....gut, dann kann ich mir ja das "Geplänkel" am Anfang mit ISBN,... und Autoreninfos sparen und werd gleich loslegen.... :grin



    Anna und Francesca - zwei Freundinnen im zarten Alter von 13 Jahren. Sie wohnen in Piombino, einer Hafenstadt, in der sich eine Stahlfabrik befindet. Sie toben herum im Wasser des Meeres, genießen das Gefühl des Älter-(und Weiblicher-)werdens und verdrehen den Jungs in ihrer Stadt den Kopf. Sie tun so, als wüssten sie um ihre Wirkung nicht. Doch sie scheinen zumindest etwas davon zu ahnen - auch, dass es anderen Mädchen in der Stadt, wie z.B. der nicht so hübschen Lisa, weh tut. In dieses Gefühl des Älterwerdens bekommt man als Leser sehr schön einen Einblick. Doch man erfährt noch viel mehr über die Beiden - über ihre Familien, über ihre Sorgen, Probleme, Ängste. Und man bekommt auch ihr Zerwürfnis mit, das vielleicht kindisch erscheinen mag, von der Autorin aber so gut beschrieben wird, dass man sich wunderbar in die Gefühlswelt der zwei Freundinnen hineinversetzen kann und ihr Zerrissenheit spürt. Und auch in das Leben der Stahlarbeiter bzw. in einige Vorgänge der Fabrik kann der Leser "hineinblicken". Francesca und Anna bleiben zwar immer die Hauptpersonen - so hab ich es zumindest empfunden - doch auch von den anderen Figuren erfährt man genug, um sich in sie hineinversetzen zu können.


    Anfangs gefiel mir das Buch sehr, auch wenn der Stil doch irgendwie anders ist, als das, was ich sonst lese (wobei schon die Leseprobe hierauf schließen liest). Später gefiel es mir immer noch, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, es plätschert etwas dahin, ich habe auf etwas "Größeres" gewartet, etwas, was "wirklich passiert". Ich glaube, es kam nicht wirklich. Sicher, es gab zwei Sachen, die ich persönlich als "einschneidend" gewertet hätte (und bei einer blieb mir wirklich fast eine Traube im Hals stecken und ich dachte erst, ich hätte mich verlesen und hätte etwas völlig falsch verstanden), aber insgesamt blieb das Buch irgendwie "ruhig". Was mich aber irgendwann gar nicht gestört hat, weil es dazu passte und dem Buch keinen Abbruch tat. Im Gegenteil - "schnellerer Stil" hätten alles kaputtgemacht.


    Insgesamt kann ich sagen, dass "Ein Sommer aus Stahl" ein sehr schönes, ergreifendes Buch ist, das mich berührt hat - warum, kann ich nicht mal genau sagen. Es war wohl die Mischung aus dem einfühlsamen Schreibstil, der schönen Sprache und der Fähigkeit der Autorin, das aufzuschreiben, was wichtig ist und das erahnen zu lassen, was zwischen die Zeilen gehört. So irgendwie....


    Ich könnte mir vorstellen, dass dies mein Monatshighligt im Mai wird. Von mir gibt es 9 Punkte.


    (Und Eskas Rezi geh ich erst jetzt lesen :lache)

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


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    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Gummibärchen ()

  • :grin Ja, das habe ich gern für dich übernommen, so sparst du dir Arbeit. Hat dir genauso gut gefallen, wie mir? Mich hat diese erzeugte Stimmung absolut fasziniert.


    Ich hoffe übrigens, es denkt niemand, das sei eine Kopie, weil ich bei vorablesen einen anderen Nick habe... :wave

  • Zitat

    Original von Eskalina
    :grin Ja, das habe ich gern für dich übernommen, so sparst du dir Arbeit. Hat dir genauso gut gefallen, wie mir? Mich hat diese erzeugte Stimmung absolut fasziniert.


    Oh ja....ich habe sehr zwischen 9 und 10 Punkten geschwankt und nun tun mir die "nur" 9 fast leid. :lache

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  • Zitat

    Original von Gummibärchen
    ...aber insgesamt blieb das Buch irgendwie "ruhig". Was mich aber irgendwann gar nicht gestört hat, weil es dazu passte und dem Buch keinen Abbruch tat. Im Gegenteil - "schnellerer Stil" hätten alles kaputtgemacht.


    Ich fand es am Ende fast schon zu schnell - da überschlagen sich irgendwie die Sätze und man merkt, dass das Ganze auf ein einschneidendes Ereignis hin steuert...
    Aber du hast recht, sonst ist es ist eher ein ruhiges Buch - mich hat die Stimmung einfach so gepackt. :-)

  • Ich werd es gleich morgen bestellen.
    Wenn Eska und Gummi es gut finden - dann muss ich es natürlich lesen!!!!!! :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Inhalt:


    Der Stahlstandort Piombino liegt gegenüber der Insel Elba. Vom Strand aus sehen Anna und Francesca, zwei flügge werdende italienische Mädchen, die reiche Touristeninsel und träumen vom Aufstieg. Francesca möchte gerne ein Star werden. Anna will die Welt verändern, am besten gemeinsam mit Francesca. Freundinnen für immer, klar. Bis dahin müssen sie nur noch irgendwie das Leben der Hochhauswelt, den Staub, die Via Stalingrado und ihre Erzeuger überleben. Annas Vater ist spielsüchtig, konvertiert später auf spektakuläre Weise zu tatsächlich zu gewinnbringenden Geschäften, die bald seiner Ehefrau Kurzzeitwohlstand beschert, bis sie erneut an Rand der Verzweiflung gerät. Francescas Vater dagegen beobachtet seine Tochter auf Schritt und Tritt. Immer mit der Behauptung, er passe auf sie auf, eigentlich will er sie jedoch wohl nur zu einer Art Zweitehefrau machen. Zwei besondere männliche Exemplare? Mitnichten! In diesem Roman wimmelt es nur so von kleinen männliche Wichten, die sich nichts wichtigeres vorstellen können, als mit einer der Tänzerinnen aus dem Gilda Nachtclub Sex zu haben. Was soll man nach Feierabend auch machen? Die Ehen, meist früh geschlossene Einbahnstrassen der Tristesse, dienen meist der Frustbewältigung. Der Sinn des Lebens reduziert sich in Piombino auf die Einnahme von Drogen, Sex und Arbeit, bis zum Abwinken, nicht immer in der Reihenfolge. Alle Männer arbeiten für das Stahlwerk. Inzwischen für einen russischen Investor, der am Liebsten den Schuppen nach Polen auslagern möchte.


    Italien auf dem Weg nach unten. Nicht mit Anna und Francesca, die schwören sich immer noch ewige Treue und ja, sie sind jetzt dreizehn, das wird ihr Sommer, also Brust raus, Jungs anmachen, Gas geben. Nur nimmt Anna einen falschen Abzweig auf Mattias Karre, findet Francesca zumindest. Eifersüchtig beäugt sie AnnasVerhalten ihrem neuen Freund gegenüber. Klarer Fall: das ist echte Liebe. Scheisse sie ist aus dem Spiel! Sie fühlt sich von Anna verraten und so gräbt sie sich nun in sich selbst ein, kriecht zurück in ihr Schneckenhaus und sucht sich nicht nur eine neue Freundin....


    Meinung:


    Mein Lieblingsbuch in diesem Jahr! Warum? Weil "Ein Sommer aus Stahl" richtig gute Literatur ist. Geschrieben von einer Frau die einem etwas mitzuteilen hat. Wegen solcher Bücher quält sich der geneigte Leser durch tausend schlechte Schinken.


    Silvia Avallone beherrscht ihr Handwerk tadellos. Das Buch ist brilliant durchkomponiert, feurig geschrieben, realitätsnah, bis zum Wehtun, es zeigt die Arbeiterwelt in all ihren Facetten und endet in einem grossartigen Schlussspurt. Alle vorkommenden Personen werden gnadenlos und völlig unromantisch unter die Lupe genommen und fachgerecht seziert, fast spielerisch springt Silvia Avallone von dem einen Kopf in den nächsten, immer auf Spurensuche. Warum sind diese Menschen, wie sind? Warum begnügen sie sich mit einem eintönigem Leben, dass dem Leben jener Katzen gleicht, die rammelnd, fauchend, einäugig und mit verbrannten Schwänzen durch die dahin rostende Fabrik rennen um diese niemals zu verlassen? Zum Glück gibt es die Frauen in diesem Buch, denn in einigen von ihnen brennt ein Hoffnungsfunken, ganz unsentimental, ganz rational, mehr wird nicht verraten!

  • Zum Inhalt:


    Francesca und Anna sind 13. Sie leben in einer kleinen Stadt in Süditalien, in der es außer dem Strand und dem Stahlwerk, in dem fast alle Männer arbeiten, nicht viel gibt. Aber das ist den Mädchen egal, sie haben einander, sie sind jeden Tag am Meer und sie spielen mit ihren Reizen, denn beide sind wunderhübsch und die Männer bewundern sie.


    Doch ihr Leben ist nicht nur voller Freundschaft und Spaß. Francescas Vater ist gewalttätig und verprügelt sie beim kleinsten Anlass, er überwacht sie am Strand mit einem Fernglas. Ihre Mutter ist erst 33 und wirkt schon wie eine alte Frau, sie hat sich aufgegeben. Annas Mutter Sandra denkt zwar an Scheidung von ihrem kriminellen Mann, aber sie ist nicht konsequent genug, um es durchzuziehen. Alessio, Annas Bruder, arbeitet im Stahlwerk und hat keine Ambitionen, mehr aus sich zu machen, während Anna von einem Leben weit weg von Piombino träumt.



    Meine Meinung:


    Was vom Cover her einen leichten Sommerroman verspricht, entpuppt sich schnell als literarisch schön verpackte Sozialkritik. Die Kinder wachsen in einem Milieu auf, das ihnen wenig Hoffnung auf ein anderes Leben als das der Eltern macht. Ihr Leben ist eigentlich von vornherein vorgezeichnet und nur wenige schaffen einen Ausbruch.


    Sex ist einer der Pfeiler ihres Alltags und der Autorin gelingt es, dies auch rüberzubringen, ohne dabei in den teilweise sehr unverblümten Schilderungen abstoßend zu wirken. Die einzelnen Charaktere sind größtenteils nicht wirklich sympathisch, aber so lebensecht dargestellt, dass man trotzdem mit ihnen mitfühlen kann.


    Das Buch hat keinen richtigen roten Faden, trotzdem fand ich es sehr gut zu lesen. Anhand der Geschichte der Freundschaft der beiden Mädchen wird das ganze Umfeld beschrieben, und man taucht in diese Welt ein, obwohl es eigentlich keine schöne ist.

  • "Ein Sommer aus Stahl" ist kein Urlaubsbuch, kein Roman, der Lust auf Urlaub in Italien macht und keine Geschichte, die besonders leicht und flockig daher kommt wie ein Sommertag.


    Vielmehr zeigt Silvia Avallone in dem Buch auf, dass es überall - selbst in den schönsten Urlaubsgegenden der Welt - die hässlichen Straßenzüge gibt, in denen Menschen wohnen, deren Leben sich zwischen Tristesse und Hoffnungslosigkeit bewegt.
    In genau solch einer Gegend wohnen die unzertrennlichen Freundinnen Anna und Francesca, deren gemeinsames Leben auf eine harte Probe gestellt wird und die dann lernen müssen, ohne einander auszukommen oder wie es ist, über den eigenen Schatten zu springen, um doch glücklich zu sein.


    Es sind eindeutig die leisen Töne, die das Buch so treffend von sich gibt, und auch die übertragenen Bilder, die sich zwangsweise dem Leser aufdrängen: Stets ist Elba als Urlaubsparadies direkt vor der Nase der Bewohner der Via Stalingrado - aber hinüberfahren, dort baden, das haben die wenigsten bislang getan und kommt nicht nur einem Tagesausflug, sondern einem neuen Leben gleich.


    Dennoch bekommt das Buch von mir nicht die Höchstpunktzahl, denn die permanente Sex-Besessenheit mancher Figuren war für mich dann doch ein bisschen effekthascherisch. Sex sells, aber unterhaltsam wars nach dem zigten Mal nicht mehr. Auch habe ich vermisst, dass zumindest andeutungsweise erzählt wird, was mit ein paar Personen, die in dem Buch eine doch relativ tragende Rolle spielen, passiert ist - es macht plopp, und die Geschichte geht einfach ohne sie weiter.


    Auf mich hat das Buch gewirkt wie eine deutliche Kritik an Staat und Gesellschaft, es zeichnet ein deutliches Bild, was für Parallelwelten existieren aber auch, dass es nichts wichtigeres gibt als glücklich zu sein, dafür zu kämpfen und über seinen eigenen Schatten zu springen, wenn auch der erste Schritt noch so schwer ist und ewig dauern kann.