Material world. A global family portrait - Peter Menzel

  • Ich gebe zu, ich habe eine voyeuristische Ader, aber dieser Bildband bietet viel mehr als die Möglichkeit zu illern, wie fremde Menschen so leben.
    In einem, wie ich finde, sehr spannenden Projekt (das vor Jahren auszugsweise im Geo erschien) werden Familien und ihre Habseligkeiten rund um den Globus portraitiert: afrikanische Hirten und europäische Mittelstandsfamilien, eine Großfamilie aus West Samoa, eine Kleinfamile in Japan und viele mehr.


    Zur Einstimmung auf jedes Portrait zeigt ein großes Foto zunächst die Familien, im Freien, umgeben von ihren Besitztümern. Schon dieser Einstieg ist beeindruckend, macht er doch mit einem Blick die unterschiedlichen Lebenswelten erfassbar. Sind es in den armen Ländern oftmals Dinge, die das Überleben der Familie sichern, landwirtschaftliche Werkzeuge, Webrahmen oder Vieh, kontrastiert das umso dramatischer mit dem Plunder, den Familien aus hochentwickelten Ländern so anhäufen.
    Andererseits gibt es doch Dinge, die sich wie ein roter Faden durch sämtliche Kulturen ziehen: In vielen „Gruppenbildern mit Dingen“ stehen religiöse Symbole im Vordergrund: Das ist die stolz präsentierte Familienbibel einer US-amerikanischen Suburbia-Familie, Bilder von Hindugöttern bei indischen Bauern oder die Buddhastatue in der mongolischen Jurte. (Ein weiteres quasi-religiöses Symbol, das gerne im Zentrum der Bilder auftaucht ist, der Fernsehapparat).


    Doch mit diesen „komponierten“ Bildern ist es nicht getan. Zu jeder Familie kommen noch verschiedene Fotos, die die Menschen in ihrem Alltag zeigen, beim Essen, Arbeiten oder auch Entspannen, ein kurzer Text erzählt vom Leben, den Nöten und Alltagsfreuden dieser Menschen. Schließlich gibt es noch einen kleinen Abriss zur politischen Entwicklung des jeweiligen Landes und einige statistische Kenngrößen wie Pro-Kopf-Einkommen, durchschnittliche Lebenserwartung oder Säuglingssterblichkeit.


    Dieses Buch ist nicht gerade aktuell, 1995 erschienen, sind die meisten Fotos um 1993 entstanden. Sarajevo war zu Zeiten der Aufnahmen noch belagert, Argentinien stand seine Staatspleite noch bevor und im Irak saß Saddam Hussein noch fest im Sattel. Umso spannender sind diese Momentaufnahmen einer gar nicht so fernen Vergangenheit, als die Welt zwar irgendwie noch ein ganz andere war, aber eigentlich doch noch sehr vertraut.
    Durch die Offenheit, mit denen die Portraitierten ihre zumindest materielles Dasein offenbaren, ergibt sich eine seltsame Vetrautheit selbst mit ecuadorianischen oder usbekischen Kleinbauern. Es würde mich wirklich brennend interessieren, wie diese Familien heute dastehen, ob sich ihre Wünsche erfüllt haben und ich hoffe, dass sie die Katastrophen der letzten 15 Jahre einigermaßen heil überstanden haben.


    Dieser Bildband ist ein Augenschmaus, der einem zudem einiges zum Nachdenken gibt, über den Wert materieller Dinge, aber auch über das Wesen der Menschheit. Rührend ist da der äthiopische Bauer, der sich für die Zukunft neben einer weiteren Kuh und einer Batterie für sein Radio Frieden in seiner Region und auf der ganzen Erde wünscht :anbet

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Danke für diese Buchvorstellung. Das hört sich sehr reizvoll an. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Das klingt lohnenswert! Danke fürs vorstellen :wave
    Mich interessieren andere Kulturen, Sitten, Gebräuche und Weltvorstellungen sehr, daher wird dieses Buch sicher seinen Weg zu mir finden.
    Gerade das, was Du über den äthiopischen Bauern geschrieben hast, hat mich gerührt.

  • Dieses Buch interessiert mich sehr - ich finde die Bildbände von Peter Menzel immer sehr gelungen.


    Es steht auch schon seit einiger Zeit auf meiner Amazon-Wunschliste und jetzt weiß ich auch, warum ich es noch nicht gekauft habe: ich habe irgendwo (nur der liebe Gott weiß, wo *grummel*) einen Bildband, der von Peter Menzel sein müßte und so in etwa "Was wir haben" heißt und von dem ich fürchte, daß er ebendieses Buch nur in Deutsch ist. Vom Alter her könnte es auch hinkommen, aber ich finde dieses vermaldeite Buch gerade nicht...

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zitat

    Original von Batcat
    ich habe irgendwo (nur der liebe Gott weiß, wo *grummel*) einen Bildband, der von Peter Menzel sein müßte und so in etwa "Was wir haben" heißt und von dem ich fürchte, daß er ebendieses Buch nur in Deutsch ist. Vom Alter her könnte es auch hinkommen, aber ich finde dieses vermaldeite Buch gerade nicht...


    Der deutsche Titel heißt "So lebt der Mensch. Familien aus aller Welt zeigen, was sie haben." Gibt es derzeit leider nur gebraucht für mindestens 64 EUR.
    ISBN 978-3570190630


    DraperDoyles Buchvorstellung hat mich nämlich auch sehr neugierig gemacht. Aber auf Englisch lass ich da lieber die Finger von, dafür ist der Text zu spannend, um von mir einfach überblättert zu werden.


    EDIT: Der Amazon-Link unter der Signatur funktioniert nicht. Aber wer sich das Cover mal anschauen will: <klick>

  • Danke Rika, dann bin ich mir nämlich zu 99,9% sicher, daß es wirklich das Buch ist, das ich bereits habe (aber ebenso wie Draper Doyle grandios gut finde).


    In diesem Zusammenhang einer meiner All-Time-Favourites (und ich glaube auch, eines der ersten Bücher, die ich hier bewertet habe): "Frauen der Welt" von Peter Menzel und Faith D'Aluisio. :anbet

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ups, da habe ich vollkommen übersehen, dass es das Buch auch auf deutsch gibt.


    Rika : die Texte sind zwar sehr informativ, aber auch mit meinem wahrlich nicht grandiosem Englisch gut verständlich.


    Batcat : mit "Frauen der Welt" liebäugle ich auch. Und mit "Mahlzeit: auf 80 Tellern um die Welt". Das ist mir nur im Augenblick etwas zu teuer.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Ich kenne Teile des Buches aus Geo, und finde die Bilder schon sehr beeindruckend.


    Natürlich könnte man das als Propaganda bezeichnen, wenn da der peruanische Andenbauer hinter seinem Häufchen Kartoffeln und dem Schüsselchen Maismehl sitzt, während zwei Seiten weiter in Mexiko (!) sich der Küchentisch unter Chipstüten beugt.
    Aber in diesem Fall halte ich es durchaus für legitim, die Macht der Bilder einzusetzen

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Es gibt da ja auch wieder mehrere Bücher "Mahlzeit", "What the World eats" etc.


    Da bin ich auch am Grübeln, ob das nicht wieder ein und dasselbe ist. Weiß das jemand?

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Laut DNB ist "Mahlzeit: Auf 80 Tellern um die Welt" auf Englisch "What I eat". "What the world eats" hat nur 160 Seiten, "What I eat" 335.


    https://portal.d-nb.de/opac.htm?query=Mahlzeit%3A+Auf+80+Tellern+um+die+Welt+&method=simpleSearch


    Oh cool, man kann viele Bilder online angucken:


    http://www.aroundtheworldin80diets.com/home/home.php


    [edit]...aber nur ganz klein. :cry


  • Danke für den Link! :wave
    Einige der Fotos kann man sich größer anschauen, wenn man oben auf der Leiste auf "A Taste" klickt. Und ein Link zur Seite von Peter Menzel gibt es unten auf der Seite auch noch. Sehr schön. Ich war schon schauen! :-]

  • Ja, hab ich inzwischen auch entdeckt. :-)


    So, ich hab "Material World" und das Frauenbuch durchgeblättert. "Material World" gefällt mir eindeutig besser, das werde ich mir auf jeden Fall noch mal ganz genau anschauen und durchlesen. Das Essen-Buch muss ich aber auch noch haben.