Farbenblind - Precious Williams

  • Berlin Verlag, 2010
    Gebundene Ausgabe: 384 Seiten


    OT: Precious
    Aus dem Englischen von Almuth Carstens


    Kurzbeschreibung:
    "'Wo kommst du her?' ist eine Frage, die ich immer ungern beantwortete. 1971 erschien eine Anzeige in der Nursery World: Pflegeeltern gesucht für ein drei Monate altes Baby - das war ich. Die glücklichen Bewerber waren eine ältere Engländerin und ihre erwachsene Tochter, beide liebten Babys, besonders schwarze. Meine Mutter hatte beschlossen, dass ich mit dem richtigen englischen Akzent aufwachsen sollte, damit etwas 'Besseres' aus mir würde. Die Enge meiner Pflegefamilie erstickte mich, meine leibliche Mutter, die ich herbeisehnte, glänzte durch lange Abwesenheiten, und außerdem schien ich ein Magnet für sexuelle Übergriffe zu sein. Und selbst als ich mit achtzehn schwanger wurde, glaubte ich immer noch daran, dass eine herrliche Zukunft irgendwo auf mich wartet." Farbenblind ist die authentische Geschichte eines schwarzen Kindes in einer weißen Umgebung, das verzweifelt um seine Identität ringt und dennoch von einem starken Lebenswillen getragen wird.



    Über die Autorin:
    Precious Williams arbeitete als freie Redakteurin für die englische Cosmopolitan. Artikel und Interviews von ihr erschienen außerdem in The Times, Guardian, Elle und Marie-Claire.
    Sie lebt in London.


    Mein Eindruck:
    Farbenblind erzählt die Lebensgeschichte von Precious Williams, die 1971 als Baby von ihrer Mutter, die aus Nigeria stammt, an eine ältere Frau in England abgegeben wird. Sie wird zunächst Anita genannt. Die ältliche Nanny und ihre Tochter Wendy lieben kleine schwarze Kinder, doch Anita steht zwischen den Stühlen. Nur ab und zu taucht die exzentrische Mutter auf, ihre Reaktionen gegenüber ihrer Tochter sind unberechenbar, von liebevoll zu aggressiv schnell wechselbar. Zudem wird die Kleine leider schon bald sexuell missbraucht.
    Anita wächst auf und befindet sich permanent in einem Wechselbad der Gefühle und der Identität, ist sie Engländerin oder Afrikanerin? Es gibt einige Passagen in Nigeria, doch auch hier bleibt das Mädchen eine Fremde.


    Es ist eine wahre Geschichte, die autobiographische Note beeinflusst den Romans stark. Auf der Oberfläche erzählt die Autorin neutral und sachlich, doch der Leser spürt alle ihre Emotionen deutlich. Es ist ein Buch, das den Leser intensiv packt. Die kleine Anita ist eine widerspenstige Person, die Jugendliche entsprechend rebellisch. Sie entdeckt aber auch ihre Fähigkeiten zur Literatur, und beschließt sich weiter zu entwickeln und zu studieren.


    Es ist beeindruckend, wie Precious Williams es schafft, realistisch wie fair, aber insbesondere ehrlich zu erzählen. Es ist Verzweiflung zu spüren, aber kein Selbstmitleid. So meidet das Buch die Sphären von Betroffenheitsliteratur.


    Das Buch erinnert mich an Schloß aus Glas von Jeanette Walls.


    Das Taschenbuch erscheint übrigens voraussichtlich im August.

  • Da ich beim Thema Sexueller Missbrauch ein wenig empfindlich bin muss ich nochmal nachfragen... wird das eher sachlich oder klein detailiert bildlich geschildert. Generell klingt das Buch nämlich furchtbar interessant und würde grad gut passen.

  • Diese Komponente des Buches bleibt lange im nebulösen. Erst spät erzählt das Mädchen ihrer älteren Schwester davon.


    Es geht im Buch kaum offen über diesen Vorfall und es macht auch nur einen kleinen Teil der Handlung aus, aber natürlich spielt diese schreckliche Erfahrung noch lange eine Rolle für das Mädchen.


    Die Autorin schreibt im Nachwort, dass dieses Buch zu schreiben zeitweise eine erschreckende Erfahrung war. Ich schließe daraus, das diese Thematik bei den Erwachsenen als Tabu galt.

  • Herr Palomar, vielen Dank für die schöne Rezi.
    Ich habe das Buch auch gelesen und war fasziniert vom Werdegang der jungen Frau.

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Mich hat dieses Buch sehr beeindruckt. Die Frage ihrer Identität spielt eine Rolle, aber auch die Sehnsucht von ihrer Mutter geliebt und anerkannt zu werden. Ihre Mutter ist für mich kaum zu ertragen. Die Autorin triftet nie in Selbstmitleid ab. Ich hoffe, dass dieses Buch noch viele Leser findet.